Eine meiner längsten und liebsten Freundinnen hat drei Kinder, so wie ich. Die Große ist mein Patenkind und steckt mit elfeinhalb mit beiden Füßen in der Pubertät – für mich immer sehr interessantes Anschauungsmaterial, weil ich meine 9jährige unaufhaltsam  denselben Weg einschlagen sehe. Ein tolles Kind, fleißig, klug und vielseitig begabt. Der mittlere Bub ist 8 und extrem cool, ein Rabauke und ein Charmeur, der Held meines 5jährigen Sohnes.

Und der Kleinste, Matti, ist exakt so alt wie meine Kleinste, nämlich 3 und ist in Wirklichkeit wahrscheinlich Michel aus Lönneberga. Nur in hübsch. Er ist ebenso weißblond, ebenso lausbübisch und ebenso energisch. Nur Holzmännchen schnitzen kann er noch nicht.

Aber obwohl dieser Michel und mein Rosannchen (auch nicht eben zartbesaitet) regelmäßig Zoff kriegen über sich wiederholende Dinge („Nein, das ist mein Rucksack, den darfst du nur anSCHAUEN!“ „Ich will jetzt auch mal aufs Laufrad (den Roller/die Rutsche/random)!“ oder „Neiiiiin, Matti, das soll man gar nicht schmeißen!“) ist die Liebe seit frühester Kindheit ungebrochen. Und so gibt es für mein Töchterchen fast keine schönere Aussicht, als wenn ich sage, dass er zu Besuch kommt oder, wie in den Osterferien zuletzt, wir dorthin fahren würden. Begeisterung, in-die-Händeklatschen, Strahlen, Jubeln, Tänzchen.

Bei unserem letzten Besuch haben die zwei dann auch besonders harmonisch miteinander gespielt, sehr versunken, offensichtlich die Außenwelt (bestehend aus Müttern und tobenden älteren Geschwistern) kaum wahrnehmend und sehr rührend: Sie hüpften händchenhaltend stundenlang auf dem großen Trampolin, halfen sich gegenseitig, die Jacken abzulegen und teilten ihre Kaubonbons. Und zwischendurch wurde mal liebevoll über den Kopf gestreichelt und Küsschen gegeben. Am Abend war Rosanna zu platt, um den Abschied als das wahrzunehmen, was er war: eine schmerzliche Trennung. Aber nach der ca. 35-minütigen Autofahrt hatte sie sich erholt und brach vor der Haustür in jämmerliches Weinen aus: „Mama, wo ist mein Matti? Wieso ist der nicht mitgekommen? Ich wollte doch, dass der bei mir schlä-hä-häääft….!“ Schluchzen, heulen, Atemnot. Die großen Geschwister waren hin- und hergerissen zwischen Mitleid und blöden Scherzen. Als ich sie dann kurze Zeit später im Bett hatte, kamen wirklich noch mal Tränen. Ich habe dann die üblichen Mama-Sprüche zum Trost angeboten, sie solle nicht traurig sein und dass wir ihn bald wieder besuchen und er sicher auch bald mal wieder herkäme usw.  Daraufhin das Kind: „Mama, du verstehst das nicht. Der Matti ist der Allerliebste. Den muss ich immer…. haben! Ich kann den gar nicht verlassen, Mama. Weil, weil, weil…. der Matti ist der Prinz und ich bin Dornröschen.“

Allet kla. Was blieb mir da zu sagen? Dass sie noch nicht wisse, was Liebe sei? Dass andere Mütter auch Prinzensöhne haben? Dass ich mir sicher bin, dass sie sich in spätestens 5 Jahren über diese Geschichte peinlich berührt kaputtkichern wird?

Habe ich natürlich nicht. Ich habe versprochen, dass wir ihn am nächsten Tag anrufen und uns neu verabreden. Daraufhin hat sie den Daumen in den Mund gesteckt und ist sofort eingeschlafen. Wahrscheinlich hat sie von ihrem Prinzen geträumt, wie er mit ihr Trampolin hüpft und ihr seine Gummibärchen schenkt.

Aber wie das so ist mit den Träumen: dass sie ihn anrufen wollte, hatte sie am nächsten Tag wieder komplett vergessen.

Last Updated on 16. Oktober 2013 by Anna Luz de León

1 Kommentar

  1. Herrlich! Das kenne ich so gut! Wir haben letztes Wochenende die Kleinkinderliebe von meiner Grossen nach 4 Jahren das erste Mal wiedergesehen. Es war unglaublich: Kein Fremdeln, kein peinliches, schüchternes, verlegenes Rumdrucksen, die Connection war sofort wieder da.
    Die beiden waren gleich dabei, sich die coolsten Apps auf ihren iPods zu zeigen und versanken – wie damals – in ihrer eigenen Welt.
    Nur danach sagte sie: “Mami, der Nick hat sich so verändert… Ich hab ihn gar nicht wiedererkannt.” Nee – ist klar.

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