Meine jüngste Tochter, mein Goldmädchen, bringt mich schier um mit all ihrer Süßigkeit. Sie kann so entzückend sein, dass ich sprachlos bin (ich!) und nur noch staunend niederknien und ihre Miniaturhände knutschen möchte. Im übertragenen und im wörtlichen Sinn.
Heute hat sie es geschafft, mich in diesen Zustand zu versetzen, als wir bei Kaiser’s an der Kasse anstanden. Eigentlich war es eine typische Stresssituation, 17:30, der Laden voll mit genervten Leuten auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, die mit der Minimalausstattung anstehen und schon mit den Augen rollen, wenn sie mich nur sehen: eine Mama mit drei Kindern, zwei davon im besten Quengelalter und mit einem Wagen voller Zeugs. Ich kann sie förmlich denken hören: das muss ja stundenlang dauern und wird wahrscheinlich spätestens dann unerträglich, wenn die Kinder auf der Höhe der Ü-Eier und Gummietiere ankommen. Zugegeben, ganz oft ist das genau so. Wobei ich mich schon oft gefragt habe, ob es nicht auch damit zu tun hat, dass die Kinder diese Spannung genauso spüren wie ich und dann so reagieren, wie es im negativen Sinn von ihnen erwartet wird: mit musterhaft schlechtem Benehmen an der Kasse im Supermarkt.
Aber nicht so heute. Die Kids waren happy, weil ich ihnen neue Zahnbürsten gekauft hatte, gut gelaunt im Allgemeinen und außerdem in Helferlaune. Und während die zwei Großen munter den Einkaufswagen aufs Förderband leerten, verwickelte mich das Goldmädchen in folgendes, bezauberndes Gespräch:

Goldmädchen: “Mama, ich wünsche mir was sehr sehr dolle.”
Ich (in Erwartung von Süßigkeitenwünschen): “Da bin ich aber mal gespannt, was das wohl sein könnte!”
Goldmädchen: “Ich wünsche mir am allermeisten auf der Welt Flügel!”
Ich (erstaunt): “Flügel? Du meinst solche Elfenflügel, die man sich auf den Rücken schnallen kann? Verkleideflügel?”
Goldmädchen (geduldig): “Nein, Mami, du verstehst das nicht richtig. Ich meine echte Flügel, mit denen man echt fliegen kann!”
Ich: “Ach so! Ja, das verstehe ich gut. Das wäre toll, wenn wir wirklich fliegen könnten.”
Goldmädchen (anscheinend noch unzufrieden mit dem Gesprächsverlauf): “Ja, aber ich wünsche mir die in echt, Mama. Ich wünsche mir vom Christkind wirkliche Flügel aus Federn, aus ganz weichen weißen Federn. So viele, dass ich in echt fliegen kann damit, Mama!”
Ich war jetzt wirklich ein bisschen baff, hatte ich doch offenbar kurz vergessen, dass das magische Weltbild meiner Kleinsten echte Flügel für Menschen genauso für möglich hält, wie die Tatsache, dass wir in Autos fahren. Oder dass wir zwei Beine haben, auf denen wir gehen können.
“Goldmädchen, das tut mir leid, aber wir Menschen können leider keine Flügel haben und fliegen. Wir sind Menschen, keine Vögelchen. Und deshalb kannst du leider keine echten Flügel bekommen, nur welche zum Verkleiden.”
Goldmädchens Gesichtchen verfinsterte sich und wurde traurig. “Aber Mama, Lillifee hat doch auch echte Flügel und kann fliegen! Warum geht das bei mir nicht?”
Ich (tröstend): “Weil du ein kleines Menschenmädchen bist und Lillifee ist eine Fee. Oder eine Elfe. Auf jeden Fall was, das fliegen kann.”
Goldmädchens Miene hellt sich wieder auf: “Mama, dann ist es ja ganz einfach! Dann werde ich eben ein Feenmädchen, dann bekomme ich auch Flügel. Und dann fliege ich damit üüüüüberallhin. Aber dann kann ich natürlich nicht mehr dein kleines Menschenmädchen sein, das musst du verstehen. Aber du musst nicht traurig sein, kleine Mama, ich komme dich dann immer besuchen, ja?”
Sprach’s und stobte völlig getröstet über diese einfache Lösung ihres Problems mit den beiden anderen von dannen Richtung Ausgang.

Ich schaute ihr nach, fasziniert, verliebt und verwundert. Und ich war einigermaßen erleichtert zu sehen, dass sie auf ihren beiden pink beschuhten Füßchen davonlief und sich nicht plötzlich in ein Feenmädchen verwandelt mit funkelnagelneuen Flügeln in die Lüfte erhob, um in ein anderes Universum zu zu fliegen und mich nur noch ab und zu besuchen zu kommen.

Glück gehabt. Diesmal!

Last Updated on 18. Oktober 2013 by Anna Luz de León

2 Comments

  1. Wir haben gerade hier in Sagres deine Geschichte gelesen und fanden sie wunderbar – vor allem die Ideen und Vorstellungen deines Goldmädchens: )

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