Heute hatte ich ein Christkind-Gespräch mit dem Herzensmädchen.

Sie kam aus ihrer Glaubensstunde in der Kirche, wo natürlich das Thema Weihnachten gerade ausführlich ventiliert wird und war voller Neuigkeiten oder eher: erstaunlicher neuer Sicherheiten, was ihren eigenen Glauben angeht. Aber auch voller neuer oder wiederentdeckter Fragen. Wir redeten eine Weile über Gott und die Welt und darüber, ob Jesus wohl jemals verliebt war und ob Maria wohl geglaubt hat, dass er wieder auferstanden sei und ob sie das getröstet hätte, denn schließlich sei er ja ihr Sohn gewesen. Lauter solche Sachen eben.

Und dann sagte sie: “Mama, ich habe jetzt mal eine ganz wichtige Frage an dich und ich will eine ehrliche Antwort. Keine Geschichten, okay?” Ich, etwas gegruselt davor, was jetzt wohl kommen könnte, nickte stumm.

“Gibt es das Christkind wirklich? Oder seid ihr das?”

Immerhin musste sie knappe 10 Jahre alt werden, um diese Frage zu stellen, das heißt wohl, wir haben die Weihnachtsmagie ganz gut rübergebracht. Ich kenne einige 7jährige, die nicht mehr ans Christkind glauben.
Dennoch. Nach einer kurzen Unsicherheit meinerseits beschloss ich, mit ihr offen zu sprechen, so wie wir es immer tun. Keine Geschichten.

Wir hatten also ein ausführliches Gespräch über Weihnachten und die Gründe, nein, DEN Grund, warum wir Christen das Fest der Liebe feiern, wieso es überhaupt so heißt und welchen Anteil das “Christkind” daran wohl hat. Sie war sich schon sehr klar darüber, dass das Christkind eigentlich das Jesuskind ist und war sich gleichzeitig sicher, dass wohl kaum das Christkind itself bei Amazon die Geschenke bestellt oder durch die Einkaufszentren streift, um die gewünschten Bücher, Spielsachen und Goodies einzusammeln. Gleichzeitig war es offensichtlich, dass der Glaube an Jesus, seine Geburts- und Sterbe-Geschichte, seine Bedeutung für die Menschen, bereits tiefer in ihrer Seele verankert ist, als mir das je klar war. Ich war sehr erstaunt und beeindruckt, mit welcher Sicherheit sie nach unserem Gespräch ihr Fazit zog:

“Mama, es ist doch so: die Geschenke kauft ihr, und ihr verpackt sie auch. Und wenn ihr immer sagt, ihr seid die Helfer vom Christkind, dann heißt das doch wohl, dass ihr alles macht. Aber dieser Zauber, wenn wir in der Kirche die Weihnachtslieder singen und zu Hause dann, wenn das Glöckchen klingelt und wir runterkommen dürfen und alle Kerzen brennen und alles leuchtet und duftet, und alles ist so schön, dass man weinen könnte – das kann nur das Christkind machen! Und wenn wir nicht daran glauben würden, wäre es auch nicht so schön. Stimmt’s?”
Stimmt.

Ich musste schlucken. Es hat mich sehr berührt zu sehen, wie klug und differenziert mein Kind das alles ausdrücken kann und wie sie dennoch so eine kindliche Sicherheit in ihrem kleinen Glauben hat.

Und ich erinnerte mich wieder…

… daran, wie es als Kind war, beim Glöckchenklingeln ins Wohnzimmer zu gehen und dort eine Pracht zu sehen, die ich mir nicht einmal hätte ausmalen können. Meine Puppen, die zwei Tage zuvor rätselhafter Weise verschwunden waren, saßen in neuen Kleidern und mit goldenen Schleifen in den Haaren auf dem Sofa. (Das mache ich übrigens mit meinen Mädchen genauso und sie lieben es!) Kerzen erleuchteten das Zimmer, der Weihnachtsbaum stand geschmückt und glitzernd da, ein großer Teller mit Plätzchen, Mandarinen und Nüssen stand auf dem Tisch, Päckchen lagen auf dem Sofa, in buntes Papier gewickelte Kostbarkeiten, fast zu schön, um sie auszupacken. Und meine Eltern standen da und strahlten. Ein ganz und gar glücklicher Moment, alle Jahre wieder.

Und ich erinnerte mich daran, wie der Zauber allmählich nachließ, wie mit jedem Jahr, das ich älter wurde, der Glanz ein bisschen weniger wurde, alles weniger magisch erschien und ich Stück für Stück verstand, dass das so ersehnte Erwachsenwerden (= Privilegien erringen) damit einherging, dieses Staunen vor dem Weihnachtszauber, dieses Glück, den perfekten glücklichen Moment allmählich zu verlieren. Dachte ich.

Als ich 15 war trennten sich meine Eltern und noch mehr als zuvor schon, nahm ich als Älteste  meiner Mutter automatisch viele Dinge im Alltag mit zwei jüngeren Geschwistern ab. Zu Weihnachtszeit bedeutete das natürlich, in die meisten Vorbereitungsprozesse mit einbezogen zu sein: mit zu verpacken, mit zu schmücken, mit an der Weihnachtsstimmung zu “stricken”. Ich mochte auch diese Zeit und freute mich an dem perfekten Glücksmoment meiner 9 Jahre jüngeren Schwester.
Als Studentin kam ich natürlich Weihnachten heim und wir machten nun alles gemeinsam, niemand wurde mehr überrascht, niemandes Augen glänzten vor Verzückung, auch wenn wir immer wunderbare Weihnachtsfeste hatten und ich mich ausschließlich an harmonische Heiligabende und Feiertage erinnere.

Aber dann, eines Tages zu Weihnachten, war ich Mutter geworden. Es war 2003, mein Herzensmädchen war 10 Monate alt und ich sah einen Funken des Weihnachtszaubers in ihren großen Augen, als sie den ersten geschmückten Weihnachtsbaum ihres Lebens sah. Und ab 2004 war er plötzlich wieder da, in meinem Heim, bei dem kleinen Herzensmädchen, dem Liebsten und mir: der perfekte Weihnachtsmoment des Glücks und der Liebe, die Magie von Weihnachten.

Wir begannen, unsere eigenen Weihnachtstraditionen zu gründen: ein geschmückter Baum fürs Kind, eine Krippe, die wir Jahr für Jahr zusammensammelten (etwas, das ich noch zwei Jahre zuvor als total spießig weit von mir gewiesen hatte), ein Besuch im Kindergottesdienst an Heiligabend, Weihnachtslieder singen und auf dem Klavier begleiten, das Lukas-Evangelium vorlesen, bevor es Geschenke gibt, die Puppen in den neuen Kleidern mit goldenen Schleifen in den Haaren, der Kaufladen, der nur zu Weihnachten neu bestückt da steht und dann, im Februar/März wieder verschwindet für den Rest des Jahres. Und in der Adventszeit natürlich 24 bunte Päckchen an den großen Adventskranz binden, der an roten Bändern von der Decke hängt.
Vieles machen wir wie früher, als ich ein kleines Mädchen war, vieles so, wie es früher beim Liebsten zu Hause gefeiert wurde und vieles haben wir selbst für uns entwickelt. Aber er kehrte zurück zu uns, der Weihnachtszauber. Und mit jedem Kind mehr wurde es an Heiligabend bei uns turbulenter und – weihnachtlicher.

Ich freue mich jetzt schon auf den Weihnachtszauber in unserem Haus. Und ich könnte mich jeden Tag bei jedem meiner Kinder dafür bedanken, dass ich ihn wieder erleben und sehen darf: durch ihre Augen.

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9 Kommentare

  1. Ein sehr schöner Post. Erstens freut es mich, dass bei Euch auch noch das Christkind kommt, und nicht wie sonst fast nur doch der Weinachtsmann, und zweitens fand ich deine Reaktion auf die Frage vom Herzensmädchen super! Ein Kind, das alt genug ist, zu fragen, ist auch alt genug für eine Antwort (altersgerecht verpackt natürlich), oder?
    LG und weiter eine schöne Adventsszeit.
    Mia

    • Schön, dass dir das gefällt und danke für die Blumen. Ich finde das oft gar nicht so einfach, diese Fragen richtig zu beantworten, im Sinne von: angemessen. Denn man darf auch nicht zuviel sagen, es muss genau richtig sein von der Menge der Infos usw., sonst bleibt eh nix hängen. Irgendwo gibt’s ein Blogpost über ein Aufklärungsgespräch mit dem Herzensmädchen – das war ähnlich aufregend. Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben. Irgendwie so. Liebe Grüße!

  2. Pingback: weihnachtslied ::: 87/365 | Poems for a lifetime

  3. martina van Middelaar Antworten

    Gibt es auch das traditionelle Weihnachtsessen? Bei uns gab es als Kinder immer Fondue Bourgignon. Nur an diesem Tag.- Als ich später herausfand das andere Menschen das auch an anderen Tagen essen war ich völlig verwirrt. – Wir essen das jetzt auch mit Xaver und nur an am 24.12.- Was machst Du denn am 24.12.?
    und……schneit es in Berlin????

    • Ja, natürlich: das traditionelle Weihnachtsessen muss sein. An Heiligabend gibt es bei uns immer Raclette (früher als Kind hatten wir auch immer Fondue!) und am zweiten Feiertag gibt’s unser familientraditionelles Essen, das mein Vater immer schon machte und davor seine Mutter – einen Truthahn mit Erbsen, Kartoffeln, Stuffing, Mais und sensationeller Soße. Vorher einen Krabbencocktail aus Hummerfleisch zum Niederknien. Und hinterher meistens Créme Bavaroise mit Himbeermark. Einmal im Jahr.
      Ich glaube, ich brauche noch einen Blogpost mit Weihnachtstraditionen und meinen Must-Haves. Kulinarisch, musikalisch, stimmungstechnisch und was die Rituale angeht.

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