Meine Mutter starb an Brustkrebs.

Ich schreibe darüber immer wieder in meinem Blog, über ihr Sterben, den Tod, den Abschied und den Umgang mit dem Verlust. Worüber ich noch nie geschrieben habe, obwohl es mich immer begleitet, ist die Angst. Denn als Töchter einer Brustkrebspatientin sind meine Schwester und ich qua Verwandtschaftsgrad schon Risikopatientinnen.

Jetzt bin ich 40 und im besten Mammografiealter. Meine Gynäkologin, mit der ich zugleich gut befreundet bin, hat mir natürlich dringend geraten, das jetzt mal flott machen zu lassen, und ich weiß, dass es nötig und wichtig ist, die Vorsorge ernst zu nehmen. Dennoch steht da neben mir immer diese Angst. Es ist natürlich lächerlich, zu denken, dass Diagnosen, Krankheitsverläufe und ganz schlicht auch Schicksale sich ignorieren ließen. Wenn eine Krankheit kommt, dann kommt sie. Ich kann Brustkrebs nicht verhindern, aber ich könnte ihn natürlich durch regelmäßige Vorsorge möglicherweise früh erkennen und behandeln lassen. Ich weiß das.

Ich will das aber nicht. Es macht mir Angst, allein das Vokabular: Brustkrebs, Vorsorge, Mammographie… Ich bin wirklich nicht der Typ, der kneift, wenn was sein muss (glaube ich jedenfalls), aber ich merke immer wieder, wie sehr mich die langen Jahre der Krankheit meiner Mutter diesbezüglich wohl geprägt haben. Und auch wenn ich natürlich regelmäßig zur Krebsvorsorge gehe muss ich gestehen: die Mammographie habe ich bisher gescheut und mir wird ganz flau, wenn ich mir vorstelle, dass ich jetzt aber mal wirklich dran bin. Mit Vorsorge. Brustkrebsprävention. Mammographie.

Meine Mutter war eine wunderbare Frau, ich schrieb schon häufig darüber. Und eins ihrer herausragenden Merkmale, auch und gerade im Umgang mit ihrer Krankheit, war ihre Lebensfreude. Das hört sich so platt an, als wäre es auch nur so eine Vokabel – aber in Wirklichkeit war es das nicht. Sie war eine lebensfrohe Person, eine lebensbejahende Frau, eine, die sich die Lebenslust nicht von ihrer Brustkrebs-Erkrankung eindämmen ließ, im Gegenteil. Ihre Art von Carpe-Diem war ansteckend und inspirierend, in ihrer Gegenwart war jedes Gejammer über Heuschnupfen und Rückenschmerzen lächerlich (obwohl sie das selbst nie so empfunden hat), und sie hat bis zuletzt das Leben gefeiert. Laut! Lachend, Gedichte zitierend, singend.

Mutter mit dem Lieblingsbub, 10 Wochen vor ihrem Tod. Brustkrebs, Vorsorge, Mammographie.
Meine Mutter mit dem Lieblingsbub, 10 Wochen vor ihrem Tod

Im April lernte ich auf einem Blogger-Workshop eine Frau kennen, die meiner Mutter komplett unähnlich war, rein äußerlich, von der Biographie her und auch im Auftreten. Aber etwas an ihrer Art erinnerte mich an meine Mutter, und je länger ich sie kenne, umso genauer kann ich es beschreiben: es ist genau diese Art von “Carpe-Diem-Aura”, die meine Mutter hatte: eine blitzende, funkelnde Lebensfreude, geschärft an der eigenen Erfahrung mit Krankheit und Elend. Ich weiß nicht, was sie hat, es ist auch unerheblich. Aber sie beeindruckt mich allein virtuell immer wieder mit ihrer zupackenden Art: sie packt das Leben selbst am Kragen und nimmt es sich. Es gibt keine “vielleichts” und keine “eigentlichs”, es gibt nur das Tun, das Wirken, das Werden. Meine Mutter war auch so.

Gegen die Todesangst einer tatsächlich an Brustkrebs erkrankten Frau ist meine Panik vor der Vorsorge lächerlich, und ich bin entschlossen, sie zu bekämpfen. Aber ich glaube, dass ich damit nicht alleine bin, deshalb möchte ich einen Hashtag in die Runde schmeißen: #fightthefear.

Ihr alle, Frauen, Mädchen da draußen, Töchter, Schwestern, Nichten, Cousinen, Mütter und Tanten von Brustkrebs-Erkrankten, ihr tapferen Frauen, die ihr mit Chemotherapie, Bestrahlungen und Operationen eurer Krankheit das Leben entgegenhaltet und jeden Tag aufs Neue aufsteht, lasst uns diese Ängste bekämpfen. Lasst uns die Panik verkleinern mit guten und lebensbejahenden Worten, lasst uns zusammen sein dabei – dann ist die Carpe-Diem-Aura größer als die Angst und das Leben selbst stärker als die Krankheit. Wir sind viele!

Ich bin nicht alleine mit meiner Angst. Und meine Angst macht mich noch nicht zum Opfer einer Krankheit. Irgend einer Krankheit. Brustkrebs? Verpiss dich! Fight the fear!

Ich würde mich freuen, wenn ihr mit mir auf Twitter und Facebook unter dem Hashtag #fightthefear eure Gedanken und Ängste, eure Wünsche und Träume, eure Hoffnungen und Zaupersprüche teilt und unter die Frauen bringt. Bei Instagram geht’s sogar mit Worten und Bildern! Ich fang auch an.

signatur

 

13 Kommentare

  1. ja, angst.
    das ist der grund, weshalb kaum eine frau ihre brust abtastet.
    nicht, weil die zeit fehlen würde, kein wissen dazu vorhanden wäre oder es irgendwie unangenehm oder schmerzhaft wäre.

    wir massieren cellulite, entwachsen bikinizonen und quetschen pickel.
    aber ab und zu mal unter der dusche die brust nach verhärtungen und knoten absuchen – nöööö.
    frau könnte ja was dabei entdecken und das wäre schlimm.

    ich trau mich auch nur höchst selten, ganz schnell und kurz, eigentlich gar nicht richtig.
    nicht, dass ich da noch was entdecke…

    meine gedanken sind bei dir, deinen bezaubernden kindern und deiner mama <3

    • Gutes Thema. Wichtiges Thema. Mammographie muss mit 40 aber noch nicht sein. Meine Ärztin bietet eine schonendere Untersuchung via Ultraschall an, die sehr genau sein soll. Die Ärzte brauchen dafür eine besondere Schulung. Ich habe die Untersuchung mal für den Herbst anvisiert.

  2. Liebe Anna,
    deine, eure Angst kann ich so gut verstehen. Sie ist so stark, weil sie unbestimmt ist. Weil man nicht weiss, was auf einen zukommt, wenn es heisst: Diagnose Krebs.
    Dabei ist es ganz egal welche Sorte es ist. Nein, stimmt nicht, ganz egal ist es nicht, denn es gibt die, bei denen die Heilungschancen gross sind und die, bei denen es nicht so ist.
    Ich selbst war letztes Jahr an einem sehr hässlichen Tumor erkrankt, der eher schlecht zu heilen ist. Kein Brustkrebs. OP, dann Chemo, dann Bestrahlung einer eventuell vorhandenen Knochenmetase. (Bei der waren sich die Ärzte nicht einig, die Mehrheit war für Bestrahlung, also hab ich das gemacht).
    Bei jeder Untersuchung Angst, dass sie mehr finden. In den Lymphknoten, der Lunge, im Kopf.
    Und diese Angst bleibt, denn wenn die erste Behandlung vorbei ist, der Krebs herausoperiert wurde und kein weiterer Krebs gefunden wurde, ist man noch lange nicht gesund. Sondern im Moment nicht krank. (Die spinnen, die Ärzte, das so zu nennen).
    Also, immer wieder die Angst, denn alle drei Monate gehts zum grossen Checkup. Untersuchung, Bilder schiessen, dann auf die Befunde warten.
    Jedes Mal eine Woche die stresst.
    Dann dieses Jahr beim Checkup eine andere Krebsvorstufe gefunden. Scheisse hoch 3. Aber nicht so maligne, sehr gut heilbar. Wieder Therapie, nur nicht so heftig. Wieder Angst.

    Du siehst, meine Ängste sind sehr, sehr konkret. Nicht so leicht nebulös wie deine.
    Trotzdem habe ich gelernt, sie nicht zu verdrängen, ihnen nicht auszuweichen.
    Ich kämpfe nicht gegen die Angst, solche Kämpfe sind von vornherein verloren.
    Ich kämpfe ausschliesslich für meine Gesundheit.
    Weil ich noch jede Menge Leben will. In all seinen Facetten.
    Ich glaube fest, dass es gut, die Angst als Teil des Seins zu akzeptieren und alle Kraft die man hat für die Gesundheit zu nutzen.
    Also, kämpfe für deine Gesundheit. Geh zur Mammographie. Nimm deine Angst mit und sag ihr:
    jetzt zeig ichs dir, du doofe Nuss, du bist sowas von unnötig, weil ich nämlich gesund bin. Ätsch!

  3. Mammographie schon einmal mutig hinter mir…meine Oma mütterlicherseits ist an Brustkrebs verstorben…Auch Angst gehabt… Gut ausgegangen… Aber die nächste kommt bestimmt !? Drück Dich !

  4. Ich kann dich sehr gut verstehen, meine Mutter hatte auch Brustkrebs. Manchmal hat die Angst mich auch fest im Griff. Aber dann gibt es auch Momente, in denen ich dieses “Carpe diem”- Gefühl ganz stark habe, das ich ohne meine Erfahrungen und Ängste niemals zulassen könnte. Auch wenn die Wäsche nicht zusammen gelegt, das Haus nicht perfekt ist, die Spielsachen herumliegen, alles egal, der Moment muss genossen werden ohne wenn und aber. Meine Erfahrungen mit Unglück und Krankheiten machen mich demütig vor den Momenten, in denen alles gut ist. Auch bei Lebensjahren geht es ein bisschen um Qualität und nicht nur Quantität. Jede Lebenserfahrung ist auch irgendie für einen nutzbar und kann einen stark machen. Und schließlich weiß keiner, was morgen mit ihm passiert!!!

  5. Ich kenne diese Angst – bei uns ist es Darmkrebs. Und vor der letzten Koloskopie habe ich mich auch lange gedrückt – so nach dem Motto “Beim ersten Mal war alles in Ordnung, dann wird das auch jetzt so sein”. Doch wenn ich mir jetzt meinen Kleinen angucke, denke ich, ich muss es schon alleine für ihn machen – damit er mir nicht eines Tages vorwirft (so wie ich meinem Vater – der zum Glück alles überstanden hat): Hättest du nicht früher gehen können?
    Nur Mut, liebe Anna! Nimm die Angst, schlag ihr ein paarmal um die Ohren und streck ihr die Zunge raus! Du schaffst das!

  6. Ich kann dich sehr gut verstehen, meine Mutter hatte auch Brustkrebs. Ich habe mich lange um das Thema rumgedrückt, bis ich jetzt das zweite Mal schwanger wurde. Durch die ganze Jolie-Debatte hatte ich auf einmal riesige Angst, dass ich während der Schwangerschaft krank werden könnte und mich zwischen Baby und Therapie entscheiden müsste. Also habe ich das Thema ausführlich mit meinem Frauenarzt besprochen und siehe da: entgegen meiner Erwartungen gehöre ich (stand heute) überhaupt nicht zu einer Risikogruppe. Mich hat dieses offene Gespräch sehr erleichtert und der Faden des gefühlte Damoklesschwert über meinem Kopf ist seitdem nicht mehr ganz so dünn. Im Nachhinein hat ich dieses Verdrängen und das damit verbundene schlechte Gewissen viel mehr Kraft gekostet, als der tatsächliche Gang zur Vorsorge und das offene Gespräch mit meinem Arzt.

  7. Ich kenne die Angst, nicht vor der Brustkrebsvorsorge zwar, aber ich hatte während der Schwangerschaft mit Kurzem einen Hautkrebs, der nur chirurgisch entfernt wurde. Seither alle paar Monate Untersuchungen bei der Dermatologin und jedes Mal diese Scheissangst, dass sie doch etwas finden würde, obwohl man selber schon stundenlang nachgesehen hat. Und bei jedem Pickel und jedem Popel, der Kurzer an meinem Arm hinterlässt die Schweissausbrüche, ob das wieder einer dieser Sauhunde sei.
    Fühl Dich umarmt!

  8. Ich hatte auch, vor längerer Zeit, meine Gedanken und Gefühle mal zum Thema Krebs aufgeschrieben. Brustkrebs. Ich war zwar nur Angehörige/Freundin, aber ich musste zum ersten Mal dem Thema Tod ins Auge schauen, mit allen Facetten von Mut, Hoffnung, Pflege, Verzweiflung, Menschen die weg schauen, alleine zu sein…also – es war wirklich hart.
    Und meine beste Freundin war eine ganz starke und tolle Frau :) Und ich muss zugeben, mich mehr mit dem Thema Krebs zu beschäftigen, obwohl in meiner Familie eher die Veranlagung zu Krankheiten neurologisch ist (was mich selber schon ereilt hat) Hier mal mein Artikel (der ist aber hart!):
    http://berlinmetropolis.wordpress.com/2013/06/14/doppelblindstudie-tod/

  9. Hallo Anna,
    noch ein Rat, der mir gerade gegeben wurde, als ich vor der Entscheidung stand, mich genetisch untersuchen zu lassen, weil bei mir innerhalb von 6 Jahren drei unterschiedliche Tumorsorten gefunden wurden, was entweder nur Pech ist oder eben auf eine Genveränderung zurückzuführen ist:
    “Suche dir Klarheit, denn wenn du Klarheit hast, kannst du entscheiden, was du tun willst und kannst.”
    Danach handle ich jetzt immer. Ich will Bescheid wissen, nur dann weiß ich, ob ich überhaupt Angst haben muss und wenn ja, wovor.
    Deshalb lasse ich mich jetzt genetisch untersuchen, entscheide dann wie ich mit dem Ergebnis umgehe.
    Danke Jetzabel für deine guten Wünsche, mein Plan ist,dauerhaft gesund zu werden!

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