Heute geht ihr mir echt gehörig auf die Ketten, ihr Jahreswechsel-Nörgler und Gute-Vorsätze-Niedermacher!

Es ist der erste Sonntag im Jahr, der Weihnachtsbaum ist abgeschmückt und statt der Christmasdeko prangt ein Strauß frischer Tulpen auf meinem Tisch. Nachdem der letzte (liebe!) Besuch, der sich hier seit dem 25.12. die Klinke in die Hand gegeben hat, vorgestern abreiste, war es sogar recht ruhig bei uns: keine Verabredungen, keine To-Do’s, nichts übrig aus dem alten Jahr, noch nichts da fürs neue. Eine kurze Durchschnaufphase, die ich persönlich sehr mag. Und dann, während meine Kinder friedlich spielten und noch im Weihnachtsliedermodus vor sich hin trällerten, der Mann anfing, ein paar Papiere zu ordnen und ich nichts ahnend durch meine Lieblingsseiten scrollte, stieß ich zuerst auf das: 14 Fucks I refuse to give in 2014, eine Art Schmähschrift auf gute Vorsätze im neuen Jahr. Noch einigermaßen amüsiert scrollte ich mich da durch und dachte, na gut, jede wie sie will. Ich bin ja großherzig und tolerant. (Bin ich wirklich!)

Als nächstes schlug ich den Tagesspiegel auf und fand die Kolumne von Kai Kupferschmidt, die ich noch nie zuvor gelesen habe und in der es heute eigentlich um was ganz anderes geht, in der er sich aber dennoch zum Einstieg flugs darüber auslässt, dass es die “Stunde Null” zum Jahreswechsel in ihrer Bedeutsamkeit nicht gebe: es sei nur ein neuer Tag, Vorsätze hin oder her, es ändere sich nichts wirklich und es sei ja klar, dass alle Vorsätze, wie jedes Jahr, zum Scheitern verurteilt seien, noch bevor sie überhaupt fertig formuliert seien. Ich war schon gelinde genervt.

Aber dann folgten die mauligen Tweets am Rande meiner Timeline bei Twitter, in denen darüber gelästert wurde, wie lächerlich gute Vorsätze doch seien oder dass man sie am besten gleich bräche, damit das Elend ein Ende habe, denn durchhalten würde das ja ohnehin keiner. Das sei quasi Common Sense. Dann die zynisch-arrogante Bemerkungen dazu, die sich über diejenigen lustig machten, die gute Vorsätze fassen oder für die der Jahreswechsel gar irgend eine Bedeutung hat.

Gute Vorsätze und die Magie der Neujahrsnacht
Make a wish upon a star!

 

Ich bin kein Typ für gute Vorsätze an Sylvester, aber diese überhebliche Haltung gegenüber denjenigen, für die die Neujahrsnacht eine gewisse Magie hat ärgert mich. Habt ihr alle vergessen, wie es war, sich als Kind in dieser besonderen Nacht wach zu halten, um das Feuerwerk zu sehen? Wisst ihr nicht mehr, wie wunderschön es war, wenn sich alle umarmten und sich ein frohes neues Jahr wünschten? Wie die Wunderkerzen rochen und wie verzaubert die Welt einem erschien, wenn die Raketen am Nachthimmel in tausend goldene Sterne zerbarsten?

Ich weiß, das war alles, bevor wir erwachsen wurden und anfingen, an allem zu zweifeln und an nichts mehr zu glauben. Und ich weiß, wie leicht es manchmal ist, über alles den passenden Witz zu reißen, 140 Zeichen für die perfekte Ironie, den Tweet, der sitzt und der keinen Platz mehr lässt für Magie. Für Wünsche oder Träume. Oder auch nur: Hoffnung. Ja, das ist manchmal einfacher, als das Gefühl zuzulassen, das so kindlich und verletzlich ist und genau diese Sehnsucht nach der Magie der Kindheit in sich trägt – den Blick in den schwarzen Himmel über uns, der in der Neujahrsnacht Kaskaden von goldenen Sterne herabregnen lässt, jeder einzelne ein Symbol für die Wünsche, Träume und Hoffnungen der Menschen, die in diese Neujahrsnacht so viel hinein legen.

Ich glaube, wir brauchen das. Wir brauchen das Gefühl, dass etwas Neues auf uns wartet in einem neuen Jahr, und dass wir alles auf Links drehen und neu starten können, wenn wir es möchten. Wir brauchen auch das innere Kind in uns, dass die Ahnung der Magie aus den frühen Tagen noch irgendwo in sich hat und sie hervor holen und betrachten kann. Ich weiß, es gibt im Laufe eines Lebens sehr viel, das uns Zuflucht zu Sarkasmus suchen lässt, wenigstens phasenweise, vieles, das schwer zu verkraften ist und vieles, dass es scheinbar unmöglich macht, an diese Art Magie zu glauben. Sie auch nur zuzulassen. Aber wir brauchen sie. Vielleicht brauchen wir auch gute Vorsätze zum ersten Januar, wer weiß.

Jedenfalls möchte ich nicht ständig überall lesen müssen, wie irgendwelche Chef-Zyniker diese Magie weg reden wollen, weg twittern, weg schreiben. Ja, das Leben ist manchmal ein Sack voll Scheiße, für manche mehr als für andere. Aber jeder von uns kennt das, jeder hat seinen eigenen Abgrund, den er überwinden muss, um weiter zu machen. Wie soll das gehen ohne Hoffnung? Ohne die Aussicht auf ein paar Sternschnuppen voller Wünsche, wenigstens einmal im Jahr?

Nein, liebe Leute, ich mach da nicht mit. Ich gehörte zur Hoffnungs-und-Wunsch-Fraktion und dabei bleibe ich. Mein Glück ist, dass ich drei Kinder habe, durch deren Augen ich die Magie einer Neujahrsnacht und so manch anderer für die meisten Erwachsenen entzauberten Situationen noch sehen kann. Und ich wünsche euch allen, den Naujahrs-Zynikern zu allererst, dass eure Wünsche und Hoffnungen sich erfüllen und dass das neue, frische, noch junge Jahr euch jede Menge zauberhafter Momente schenken wird.

Und bei der nächsten Neujahrsrakete: make a wish upon a star. Hilft bestimmt.

signatur

 

4 Kommentare

  1. Das ist mir auch schon aufgefallen, dass es dieses Jahr außergewöhnlich viele Nörgler gibt, was Neujahrsvorsätze angeht. Ich weiß für mich, dass ich auch nicht alle durchhalte, ABER einiges halte ich durch oder setz es um. Dazu kommt mein Jahreswort (Idee seit Jahren von Ali Edwards – one Little word – http://aliedwards.com/blog/one-little-word), dass 2014 für mich/uns “realize” heißt! Ja ich glaube fest daran, dass ich/wir doch einige Vorhaben umsetzen werden, daher unsere 2014er Wortwahl!!!!!
    Toller Post, Danke!

    LG
    Dori

  2. also mich stört es nicht, wenn jemand sich darüber lustig macht. ich selbst hab gar keine Vorsätze. häufig ausprobiert, häufig gescheitert, daher dieses Jahr gleich gelassen. ich fang mit sowas besser mitten im jahr an.

    ich hab allerdings den eindruck, dass gerade allgemein mehr gemöppert wird. vielleicht ist das so eine art gegenentwurf zu all den “mein-leben-ist-hochglanz-selbst-mit-kind”- und den “ich-will-so-bleiben-wie-ich-bin”-blogs? ein bißchen schatten in der sonne?

    dem einen zauber, den anderen die schadenfreude. letztenendes gehen ja alle irgendwie davon aus, die wahrheit gesehen zu haben…:-)

    also meine (!) wahrheit ignoriert dat gern. so zwischen zauber, geburtstagsende, Kindern und lebenserfahrung.

  3. Ich kann Deinen Unmut nachvollziehen – aber lass Dich doch nicht ärgern. Miesmachen kann jeder alles. Wenn man ihn nur lässt.
    Ich für meinen Teil bin unglaublich froh, dieses Jahr seit längerem mal wieder eine Silverstermagie gespürt zu haben, nachdem sie in den letzten Jahreswechseln zwischen Schwangerschaft und Studienabschlussphase sowie diverser familiärer Ereignisse untergegangen war. Oder besser: Sich mitten ins Jahr verlagert hat.
    Das Magische ist doch der Wunsch nach einer Zäsur im Leben, die hilft, einiges (womöglich Lästiges, Schlechtes) hinter sich zu lassen und sich für neues (im besten Falle Schönes, Gutes) öffnen zu können. In diesem Sinne ist das Magische dieses Jahr perfekt mit der Silvesternacht zusammengefallen!
    Und das beste: Entgegen jeglicher Erwartungen standen wir Schlag 12 mit beiden Mädels im Sternenregen. Glückliches Staunen bei den Kids, glücklicher Start für uns alle! Top!
    Und allen Nörglern wie Zynikern zum Trotz: Jetzt fasse ich erst recht gute Vorsätze. Und einer davon lautet, mir nichts vermiesen zu lassen…
    Liebste Grüße!!

  4. Gut geschrieben! Ich frage mich ehrlich, warum Silvester dann doch noch so groß gefeiert wird, wenn es ja eh nur eine Nacht wie jede auch ist und es so viele Nörgelstimmen darüber gibt… (Und ja doch immerhin sehr viel Geld in die Böllerei gesteckt wird.)

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