Eigentlich sollte hier heute ein anderer Beitrag erscheinen. Einer, in dem es darum geht, wie wir als Eltern noch ein Paar bleiben und ein Sexleben haben können, obwohl wir unser Leben unseren Kindern geweiht haben. Was es für Möglichkeiten gibt, sich Momente, Augenblicke, ganze Phasen zu organisieren, in denen man einfach mal zu zweit ist.

Aber dann. Kam dieser Tag. Heute. Und der Beitrag über das Sexleben als Eltern muss einen weiteren Tag warten, denn dieses HEUTE muss ich mir von der Seele schreiben. Ihr kennt das.

Mal ehrlich, ihr Eltern alle: ihr wisst, was ich meine, wenn ich sage, die Kinder sind OMNIPRÄSENT und manchmal möchte man sich in eine stille Ecke flüchten und sich die Ohren und die Augen zuhalten. Und den Mund gleich mit, damit nichts Doofes und nachhaltig Böses rauskommt. Heute war so ein Tag. Einer an dem ich bereits um 14:30 nicht mehr ertrug, ständig ange-MAMA-t zu werden. Und er war noch lange nicht zu Ende. Aber von vorn.

Sonntag ist eigentlich immer ein Lieblingstag in der Woche. Alle Erledigungen fürs Wochenende sind samstags schon abgehakt worden, die Kinder waren länger wach und schlafen (manchmal) ein bisschen länger, das Tempo der vorhergegangenen Woche hat sich bereits am Vortag runter gedreht und der Entspannungsgrad ist erst mal am höchsten. Es war allerdings heute früh schon klar, dass das ein wenig anders sein würde als sonst, weil das Herzensmädchen und ich uns vorgenommen hatten, ihr Zimmer zu entrümpeln. Das war längst überfällig und mir graute davor, denn Ausmisten mit dem Herzensmädchen bedeutet erstens einen Trip in die Kammer des Schreckens und zweitens in der Regel Zoff zwischen uns. Wie sich aber noch beim Frühstück herausstellte, waren es heute vor allem die Minions aka Lieblingsbub und Goldkind, die sich verschworen hatten und scheinbar den geheimen Plan verfolgten, mich um den Verstand zu bringen. Und das machten sie so:

Schon beim Frühstück auf der Terrasse fingen sie an, sich gegenseitig unter dem Tisch ständig mit den Füßen anzustupsen, dabei natürlich Getränke umzuschmeißen, sich ihre Marmeladencroissants an die Ärmel zu kleben und permanent blöd zu kichern. Mehrere Ermahnungen brachten mir nur ein im Chor gekichertes “Uiuiuiui…!” ein, das mir deutlich zeigte, was ich wohl als nächstes auffahre müsste  aus meinem Erziehungsrepertoire: den Feldwebel oder die Kommandomutti. Ich verwarnte also die beiden Quatschköppe noch mehrfach ohne jeden Effekt und schickte sie dann zügig vom Frühstückstisch zum Zähneputzen. Ich wanderte mit meinem Kaffeebecher in der Hand ums Haus und durch den Garten, um ein paar Augenblicke Sonntagssonne genießen, bevor ich mich in die Kammer des Schreckens stürzen wollte. Aber die Ruhe währte nur kurz.

Tomatenquetsche, Daredevils, Minions, Quatschmacher

Ein lauter Schrei vom Berlinmittedad rief mich nach bereits fünf Minuten herbei. Und man muss dazu sagen, dass der Berlinmittedad so gut wie NIE schreit. Also wenn der mal schreit, dann ist aber so richtig was passiert. Und das war es auch.

Ich: “Was ist los?”

Berlinmittedad: “Das WILLST DU NICHT WISSEN!”

Ich: “Oh weh… Sag mir, was los ist!” Keine Reaktion, dafür wildes Gelache und Gerenne und das Geräusch von laufendem Wasser im Hintergrund.

Berlinmittedad zu den Minions: “Warum habt ihr das gemacht? Seid ihr völlig verrückt geworden? Wie seid ihr denn auf diese irre Idee gekommen?!”

Minions, immer noch kichernd: “Aber Papa, das funktioniert ganz toll, es ist eine …eine Tomatenquetsche!”

Im Hintergrund rauschte das Wasser, ich sah den Berlinmittedad hektisch in die Küche stürzen und mit Küchenrolle, Schwammtüchern und dem Biomülleimer wieder im Bad verschwinden. Zögerlich tastete ich mich vor und war nicht sicher, was mich erwarten würde. Als Erstes kam mir das Goldkind entgegen, Zahnpasta im ganzen Gesicht verteilt und mit ihrer Zahnbürste wedelnd. Sie hinterließ nasse Fußspuren im Flur und ich konnte sie gerade noch daran hindern, tropfend und weißen Schaum sprühend ins Wohnzimmer zu tapsen. Dann der Lieblingsbub, kichernd, völlig aufgelöst vor lauter Heiterkeit: “Eine Tomatenquetsche ist das, eine erste Sahne Tomatenquetsche. Und sie funktioniert echt, Papa! Ganz toll!” im Vorbeigehen schmierte er mir einen Zahnpastakuss auf mein T-Shirt, dann war ich im Bad und sah sie: die Tomatenquetsche.

Die Minions hatten im absoluten Blödelmodus den wahnsinnigen Einfall gehabt, sich in der Küche die schönen reifen Tomaten aus der kombinierten Obst-Gemüse-Schale zu holen und sie dann in der Tür zum Badezimmer zwischen Türstock und Scharnieransatz einzuklemmen. Als nächstes haben sie mit aller Wucht die Tür zugedrückt und dabei die Tomate geshreddert. Eine nach der anderen. Das war offensichtlich eine effektive Methode, denn innerhalb kürzester Zeit hatten sie mindestens 6 Tomaten auf diese Weise in ihrer Tomatenquetsche zermalmt.  Auf dem Fußboden lag ein ansehnlicher Haufen Tomatenmatsch, die Kerne und der Saft waren überall verteilt. Auch der Rest des Badezimmers stand unter Wasser, Zahnpasta lief als lange Schlange den Badezimmerschrank hinunter und aus dem mit Wasser vollgelaufenen Waschbecken plätscherte es stetig in den weit geöffneten Unterschrank. Toilettenpapier war zu lustigen Haufen drapiert und die schmutzigen Gartenfüße der Minions hatten in all dem Chaos überall schwarze Spuren hinterlassen. Anfall!

Es tut mir leid, aber das konnte ich nicht fotografieren, das hätte zu viel Applaus bedeutet für diese im Handumdrehen angerichtete Badezimmerkatastrophe, die meine Minions da fabriziert hatten. Meine Schilderung muss ausreichen, um das Bild vor eurem geistigen Auge entstehen zu lassen. Oarrr! Ich war auf 180° und der Feldwebel, meine verlässlich autoritäre Erziehungspersönlichkeit, kommandierte die beiden an die Putzlappen und zur Beseitigung der Sauerei. Und es war erst elf Uhr morgens.

Der Tag ging genau so weiter: in der Kammer des Schreckens gefangen, wühlte ich mich mit dem Herzensmädchen durch schier undurchdringliche Berge von in fünf Jahren Schule angehäuften Papieren und Zetteln, durch haufenweise Playmobil und auszusortierenden Schrott aus zig Schubladen, Schränken und Regalen. Währenddessen spielten die Minions draußen… Bei einem Blick aus dem Fenster sah ich dann das Goldkind im Garten: mit einem Sandeimer in der Hand, der randvoll gefüllt war mit Wasser, rannte es hinter dem Lieblingsbub her, der seinerseits mit dem voll aufgedrehten Gartenschlauch hantierte. Beide waren bereits nass bis auf die Haut, Klamotten, Schuhe, Haare, alles. Außerdem tobten sie bei ihrer Wasserschlacht selbstverständlich auch durch den Sandkasten – die Kombi von Wasser und Sand auf Klamotten und Haaren kennen alle Eltern als die teuflische Verbindung, der nur mit einem Vollbad beizukommen ist. Jetzt waren ja mitnichten 30° heute, im Gegenteil. Es waren vielleicht 19° und ein kühler Wind wehte, aber die Minions waren munter beim Ganzkörpereinsatz mit Schlauch und Wassereimer. Dem Bub klapperten schon die Zähne, aber er hielt mit dem Schlauch weiter drauf. Also beide rein kommandiert, aus den nassen Kleidern gepellt und in die Wanne gesetzt. Wie das Badezimmer dann binnen Augenblicken wieder aussah, könnt ihr euch vorstellen. Immerhin war keine Tomatenquetsche mehr im Einsatz.

Tomatenquetsche, Quatschmacher, Partners in Crime

Und der Tag drehte sich weiter, durchzogen von ständigen “Mama!”-Rufen, permanentem Geklingel an der Tür (“Können wir drinnen die Carrerabahn aufbauen?” “Dürfen wir ein Eis?” “Können Isa und Nele und Julius und Lotta und Bela hier schlafen?” “Wir haben Hunger!” “Dürfen wir alleine in den Park rübergehen?” Wir gehen zu Isa und bauen da eine Blaubeerquetsche!” “Wir wollen die Blockflöten holen und ein schönes Konzert im Garten machen, Mama!”) und kleinen Mama-Fallstricken: Multivitaminsaft auf Teppich, Eiermatsch in Haaren, Kaugummi an Wand, Telefon in Biomüll, Bruderhand in Schwesternhaaren, Schwesternfinger in Brudernase undsoweiterundsofort. Ich weiß, ich höre mich an wie eine arme Irre, aber um 18:30, als die Lasagne fertig auf dem Tisch stand und meine Töchter, statt zum Essen zu kommen, gemeinsam auf der Treppe einen Kanon sangen, eine angezogen und eine nackich und der Bub sich wie im Wahn mit seinen Panini-Bildchen in einer Sandpfütze an der Erde wälzte und “Mama…!” rief, war ich so weit: “Nenn mich nicht Mama!” kam es aus meinem Mund, und all die Sandhaufen und verfilzten Zöpfe, die Tomatenquetsche und die Fußballbildchen, die Berge von Krimskrams im Herzensmädchenzimmer und das Geräuschewalla aus Gezänk, Minion-Gekicher, Blockflötengetröte und Nonsense-Dialogen forderten ihren Tribut.

Mittlerweile ist es 22:24 und das Goldkind musste eben zum zweiten Mal wieder zurück ins Bett gebracht werden, wo es “so schlecht einschlafen konnte, weil von draußen so Stimmen reinkommen”. Das Herzensmädchen hat verbotenerweise im Bett noch mal kurz mit der Freundin gechattet und musste zur Raison gebracht werden. Und der Bub hat vor dem Einschlafen blitzschnell noch seine sandgefüllte Jeans mitten im Zimmer auf links gedreht.

Ich bin erledigt. Heute war kein Sonntag, heute waren drei Sonntage. Heute war der Tag, an dem ich lernte, was eine Tomatenquetsche ist.

signatur

 

P.S.: Der Berlinmittedad besteht darauf, dass ich noch einfüge, dass er trotz allen Ärgers mit der Beseitigung der Tomatenquetsche-Überreste, sehr viel Sympathien für den Einfallsreichtum der Minions hege. Er sei überhaupt ziemlich gut unterhalten mit diesen Kindern und fasziniert von deren Kreativität beim Blödsinnmachen. Ich im Prinzip auch. Aber heute nicht mehr.

12 Kommentare

    • Achchch, DU kennst doch sowas bestimmt, oder? Jetzt bin ich ja schon wieder ganz entspannt, schließlich schlafen die Bagaluten jetzt. Aber tagsüber hatte ich heute echt zwischendurch mal… Schaum vorm Mund! Tomatenquetsche. Echt, ey.

  1. Muahahahaha! Tomatenquetsche! Diesen Artikel darf auf GAR KEINEN FALL Silas lesen, sonst haben er und Florian ihre nächste Idee… Stattdessen lassen sie mich hier nur ständig vor Angst zittern, dass sie demnächst das Haus abbrennen, weil sie Wachsmedaillons in Serie produzieren. In Varianten, auf die ich in meinen kühnsten Träumen nicht gekommen wäre. Und jede einzelne davon führt dazu, dass sich Wachsflecken auf Teppichen, Tischen und Stühlen breitmachen…

  2. Du hast mein tiefstes Mitgefühl,aber auch wir haben gerade beschlossen das der Lütte das hier nie nie nie lesen darf. Eine ruhige Nacht wünsche ich Euch

  3. Soo schön! Hätte genauso bei uns sein können. Tomatenquetsche hatten wir noch nicht, dafür kiwientsafter auf weissem ledersofa und flokati im wohnzimmer, zum Beispiel…

  4. Herrlich, ich hab schon wieder Tränen gelacht obwohl das alles eher zum Heulen ist. Aber ich kenne das. Zum Glück in leicht abgeschwächter Form. Mein aufrichtiges Beileid für dich und ein “dem-himmel-sei-dank,ich wurde verschont” für mich! Ich wünsche dir eine deutlich ruhigere Woche!

  5. Liebe Anna,

    ich sehe es vor mir und kann’s dir glaube ich nachfühlen. Das glaubt einem kein Mensch, klingt total irre, und wie ein überdrehtes Filmscript. Aber Mütter wissen, dass es die Realität und nichts als die Realität ist. Zum Glück nur manchmal.

    Viele herzliche Grüsse!

    • Liebe Christine, genau das war meine Hoffnung: dass die Mütter/Eltern mich verstehen und wissen, genauso läuft es ab. Selbst wenn die Tomatenquetsche wirklich ein ganz besonderes Glanzstück von meinen beiden war… O_o Liebe Grüße an den See!

  6. Pingback: let's talk about sex, baby ::: über das sexleben als eltern

  7. Ich entschuldige mich schon einmal vorab…aber dein Post hat mir wirklich gerade ein breites Lächeln aufs Gesicht gezaubert =)

    wie immer wunderbar lebendig geschildert, man fühlt sich fast “mittendrin” im Geschehen (und ist froh diese Sauerei(en) nicht beseitigen zu müssen…)

    Aber genau diese Erlebnisse sind die, die kleinen Menschen im Gedächtnis bleiben und auch als Erwachsener beim zurückdenken ein wohlig warmes Gefühl im Bauch machen.
    (wenn ich daran denke, was mein Bruder und ich uns damals alles ausdachten…)

    Wünsche eine ruhige Woche ohne weitere Quetschattacken…

    herzliche Grüße
    Sonja

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