Die Mütterinterviews zu Die Gute Mutter stauen sich bei mir ein bisschen und ich muss mich immer sehr zusammen reißen, um hier nicht vor den eigentlichen Interviews schon von “meinen” Müttern zu schwärmen. Ich hatte zwar geahnt, dass es spannend sein würde, diese Frauen zu treffen und durch meine Fragen und ihre Antworten einen Einblick in ihr Muttersein zu bekommen, aber ich hatte vollkommen unterschätzt, wie überwältigend es für mich ist, diese Begegnungen erleben zu dürfen. Ich fühle mich jedes Mal beschenkt und finde wirklich jede einzelne Mutter spannend und besonders.

Heute freue ich mich sehr, euch Verena vorstellen zu dürfen, Die Gute Mutter im Mütterinterview an diesem grauen Novembertag. Verena ist 35, sie ist Unternehmerin und Gründerin von Fox & Sheep, Mutter von zwei Söhnen und seit acht Wochen verheiratet mit ihrem zweiten Mann. Das ist ihre Kernfamilie, ihr Patchworkglück und ein Teil dessen, was für Verena ihr wichtiges und geliebtes Netz bildet, das sie und ihre Kinder trägt. Sie kommt aus einer großen Sippe, in der der Familienzusammenhalt von jeher eine große Rolle spielt, und so hält sie es auch. So wichtig ihr die Familie und ihre Freunde sind, so hoch ist auch der Stellenwert, den ihr Beruf in ihrem Leben hat. Und ich bin immer wieder beeindruckt davon, mit was für einer großen Freude sie all die Dinge tut, die sie tut, im Job und auch in ihrem Privatleben.

Verena und ich kennen uns über unsere Söhne: ihr Sohn John und mein Lieblingsbub sind gleich alt und Kumpels. Ich kann mich noch gut an eine unserer frühen Begegnungen erinnern: da kommt diese langbeinige Frau um die Ecke gefegt, lachend, nein: strahlend, mit einer unglaublichen Energie und füllt für einen Moment den ganzen Raum mit ihrer Präsenz. Sie ist eine, auf die sofort alle schauen, aber sie hatte in dieser Situation vor allem Augen für ihren Sohn John, ging in die Knie auf seine Höhe und war ganz und gar bei ihm. Mütter beeindrucken mich ja oft auf die eine oder andere Weise und Verena hatte mich in diesem Augenblick ganz und gar für ihre Art eingenommen, sich ihrem Sohn zu widmen. Seitdem habe ich diese Szene in Varianten schon öfter miterlebt und weiß, das ist typisch für sie.

In unserem Gespräch über Die Gute Mutter beschreibt Verena sich als “positiven Menschen” – ich würde sagen, das ist untertrieben. Dabei ist sie aber keineswegs die Sorte Frau, der die Dinge einfach in den Schoß fallen. Vor vier Jahren quasi über Nacht alleinerziehend mit ihrem neun Monate alten Baby, ihrem dreijährigen Sohn und einem Unternehmen, das sie zu führen hatte, war sie plötzlich angewiesen auf ihr Netz, ihre Familie und Menschen, die sie bei dieser Aufgabe unterstützt haben. Verena hat in unserem Interview darüber gesprochen, dass sie ihr Leben lang dachte, genau das nicht zu können: alleinerziehend zu sein, die Jungs ohne ihren Vater großziehen müssen und dabei noch sie selbst zu bleiben. Tatsächlich sieht auch das für Außenstehende bei ihr mühelos aus und wenn man sie heute sieht mit ihren Söhnen und ihrem Mann, dann spürt man zu jeder Zeit die Liebe zwischen diesen Vieren, die große Leichtigkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der sie miteinander umgehen und ein tiefes Vertrauen ins Leben und die Wege, die es geht.

“Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden, das hat mein Opa immer gesagt”, erzählt mir Verena bei unserem Interview. Und genau so lebt sie ihres: voller Freude an den Dingen, die sie erfahren und tun kann, mit einem beeindruckenden Vertrauen in sich selbst und ihre Liebsten und mit einem wahnsinnig ansteckenden Lachen. Meet Verena!

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1. Du bist Mutter seit sieben Jahren und hast zwei Söhne, John und Henry. Wenn du an die erste Zeit nach der Geburt/an die ersten Wochen mit deinen Kindern denkst: an was für Gefühle erinnerst du dich? Was hat an Gefühlen überwogen?

Beim ersten Kind war es natürlich unglaubliches Glück, aber auch Stolz und ein bisschen sowas wie Fassungslosigkeit, dass ich das tatsächlich hingekriegt habe. Ich habe mich vorher immer gefragt, ob ich das überhaupt sein kann: Mutter. Und ich war mir nicht sicher, dass ich das schaffe, aber dann war John da und alles war einfach so… richtig! Diese Gefühle für mein Baby waren einfach so da, das hat mich wahnsinnig erleichtert. Außerdem war ich froh, dass ich ihn stillen konnte – das hat mir auch das Gefühl gegeben, dass ich für ihn eine gute Mutter sein konnte. Davor hatte ich mich gefürchtet: kannst du das? Fühlst du das? Die Erleichterung, dass ich das alles konnte und diese Muttergefühle für ihn hatte, war großartig und hat mich ganz euphorisch gemacht. Ich war immer noch Verena. Kein anderer Mensch als vorher, sondern einfach so wie ich eben bin. Nur hatte ich eben auch noch ein Kind.

Beim Zweiten war es dann eher das Gefühl: jetzt ist alles gut. Wir sind komplett. Mir war immer so wichtig, dass John Geschwister hat. Meine Schwester und ich sind so eng miteinander, seit der Kindheit und bis heute, das hatte ich mir für meine Kinder auch gewünscht. Als dann Henry da war, war ich so ruhig und froh. Alles war richtig.

2. Gab es in deinem Umfeld Menschen, von denen du dich unterstützt gefühlt hast? Oder gab es welche, von denen du dir Unterstützung gewünscht hättest, die du aber nicht bekommen hast? (weil die betreffende Person nicht entsprechend reagiert hat oder nicht vor Ort war oder nicht erkannt hat, was du brauchtest etc.) Welche Rolle hat dein Partner/deine Partnerin in dieser Phase übernommen? Wie hast du das empfunden?

Ich wollte am Anfang keine Unterstützung und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass ich sie brauchte: mein Mann, mein Kind und ich. Das hat gereicht und das war gut. Als ich nach dreienhalb Monaten wieder arbeiten ging, war es dann anders. Da brauchte ich jemanden, der in meiner Abwesenheit die Basis für die kleine Familie und vor allem für mein Baby gesichert hat. Ich hätte ihn zu der Zeit nicht in eine Einrichtung geben können, das konnte ich emotional nicht. Aber arbeiten gehen wollte ich, also hatten wir eine Nanny, eine Person meines absoluten Vertrauens, die John zu Hause betreut hat. Dann wusste ich, sein Tag läuft ruhig, er bekommt die abgepumpte Muttermilch, wann er sie will und braucht, er schläft in seinem Bettchen und verbringt den Tag in seinem gewohnten Umfeld mit einer liebevollen vertrauten Person. Und weil ich das wusste, konnte ich auch mit freiem Kopf den Tag mit Arbeit zubringen. Das war unser Modell, das für uns funktionierte. Wenn wir dann beide wieder da waren, mein Mann und ich, dann haben wir eigentlich zu gleichen Teilen die Organisation des Alltags und rund ums Kind übernommen. Das war sehr gleichberechtigt: beide arbeiten, beide kümmern sich ums Kind und den Rest vom Familienleben. Mein Mann war sehr präsent als Vater und Elternsein mit ihm war sehr partnerschaftlich.

Familiäre Unterstützung habe ich dann gerne angenommen, wenn sie kam. Aber ich habe sie nie eingefordert oder erwartet. Ich war mir immer sicher, dass wir das so schaffen, mein Mann und ich. Als meine Ehe dann kaputt ging, als Henry 9 Monate alt war, war ich allerdings zutiefst dankbar für die Unterstützung durch meine Eltern, Familie, Freunde und besonders durch meine Schwester und ihren Mann, die ganz viel aufgefangen haben in dieser Phase, auch für die Kinder. Bis heute ist die Bindung meiner Söhne an diese beiden besonders innig.

 3. Erinnerst du dich an eine Situation mit deinem Kind, in der du sicher empfunden hast: ich bin die Mutter, ich bin die Expertin, ich entscheide – vielleicht sogar die erste Situation mit diesem Gefühl?

Ich hatte das Vertrauen in „ich mach das schon“, aber ich hatte auch keinerlei Ratgeberliteratur gelesen und das alles eher so als “learning by doing” gemacht. Ich habe deswegen bestimmt auch viele Ängste quasi ausgelassen, weil ich gar nicht wusste, dass ich sie haben könnte oder sollte. Da ich mich nie in Themen eingelesen habe und deshalb auch nichts interpretiert habe, fühlte ich auch keine oder sehr wenige Unsicherheiten.

Ich konnte aber auch von Anfang an gut abgeben und sowohl den Vater der Kinder als auch die Nanny oder andere Familienmitglieder in dieser Rolle sehen: die machen mein Kind genauso glücklich wie ich. Vielleicht habe ich deshalb auch nicht so dieses Gefühl gehabt, dass nur ICH Bescheid weiß, was richtig für meine Kindern ist. Ich dachte nie, dass es meinen Kindern nur bei mir gut geht und dafür bin ich dankbar, sonst hätte ich wahrscheinlich nicht so schnell wieder arbeiten gehen können. Wenn ich gesehen habe, dass meine Kinder glücklich waren, war ich es auch.

4. Wie wichtig sind dir die Meinungen anderer Menschen darüber, wie du mit deinem Kind/deinen Kindern umgehst und was die Grundlagen deiner Erziehung sind?

Ich kann andere sehr für Dinge bewundern, die sie für oder mit ihren Kindern tun und wie sie es tun, aber das verunsichert mich nicht darin, wie ich Dinge mit meinen Kindern mache. Ich bin immun gegen „Oh, wie macht die das denn? Ich muss das auch so machen!“ Und das liegt nicht daran, dass ich denke, dass ich es so toll mache und da kein Verbesserungsbedarf wäre (ich weiß, dass ich viele Sachen besser machen könnte), aber ich lebe nach der Devise: Hauptsache meine Kinder sind glücklich. Das ist mein Maßstab. Egal, wie ich es in den Augen anderer Leute machen sollte: meine Söhne sind zwei kleine fröhliche Jungs. Also kann’s ja nicht so schlecht sein. Und ich kann auch nicht die Maßstäbe anderer Leute erfüllen, ich kann nur schaffen, was ICH kann. Man kann nicht den Anspruch haben, Vollzeit zu arbeiten UND noch alles andere hinzukriegen, was Leute machen, die vielleicht mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Es ist mir klar, dass da Dinge hinten runter fallen, aber so lange meine Kinder nicht darunter leiden, sondern glücklich sind, kann ich damit leben, dass ich eben nicht mit ihnen beim Pekip war oder sie auch noch ein Instrument lernen oder mit mir gebacken, gebastelt oder sonst was gemacht haben.

Ich glaube wirklich, ich kann sehr gut damit umgehen, wenn jemand mich kritisiert oder mir Impulse gibt: ich höre mir das an und überlege, kriege ich das hin? Und wenn ja, dann nehme ich Kritik auch gerne als guten Impuls an. Aber wenn ich weiß, das kann ich eh nicht leisten, dann kann ich das auch gut an mir vorbeiziehen lassen.

5. Wie wichtig sind gesellschaftliche Normen für dein Selbstverständnis als Mutter?

Meine Eltern waren in manchen Bereichen sehr streng, und auch wenn ich als Kind dachte, lasst mich doch mal in Ruhe, weiß ich dafür heute letztlich, wie’s geht. Ein bisschen ist meine Einstellung heute auch so: ich möchte zum Beispiel, dass meine Kinder Tischmanieren haben, dass sie höflich und respektvoll mit anderen Menschen sprechen und dass sie Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe lernen. Andere Sachen sind mir nicht so wichtig, zum Beispiel, wie sie angezogen sind oder wie groß ihr Repertoire beim Essen ist. Mir ist lieber, wir haben ein ruhiges Abendessen zusammen, das eben leider wieder nur aus Nudeln besteht, als dass ich mit ihnen diskutiere, wer was wieder nicht mag. Das kommt schon alles von selbst, da bin ich sicher. Das sind schließlich Kinder und keine kleinen Erwachsenen.

Noch so ein Thema ist ja Einschlafen: ich weiß, dass viele Eltern auch heutzutage noch sehr viel Wert darauf legen, ihre Kinder diesbezüglich zu erziehen und zum Beispiel nicht noch zum x-ten Mal ins Zimmer zu kommen, weil das Kind immer noch nicht schläft und immer wieder ruft. Ich kann das nicht und ich möchte das auch nicht. Mir ist es viel wichtiger, dass meine Söhne wissen: wenn ich Mami rufe, dann kommt sie. Immer. Und ich lege mich auch noch zum zehnten Mal dazu oder wir kuscheln noch und reden noch über etwas, egal wie unwichtig es erscheinen mag. Meine Zeit mit meinen Kindern ist knapp genug, da bin ich selbst glücklich über alle Nähe und Innigkeit, die wir teilen können. Außerdem finde ich die dann so süß, ich kann denen auch unheimlich schwer widerstehen. Ob das irgend einer gesellschaftlichen Norm entspricht oder nicht, ist mir in dem Fall ziemlich egal.

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6. Wenn du definieren müsstest, was Mutterschaft für dich bedeutet, was ist dann das Wichtigste für dich?

Nähe zu meinen Kindern – und das ist wahrscheinlich schon das Einzige. Ich habe wenige klassische „Muttergefühle“, sondern ich wache morgens auf und bin Verena mit John und Henry. Und dann gehe ich durch den Arbeitstag und bin nur Verena, und wenn ich sie dann wieder habe, bin ich wieder Verena mit John und Henry. Aber ich bin nicht dieser Muttertyp, der sich z.B. ganz viele Gedanken zu Erziehungsthemen macht. Im Gegenteil, ich mache mir eigentlich sehr wenige Gedanken über solche Themen und wünschte mir manchmal, ich wäre da vielleicht anders und würde mir Sachen anlesen über Entwicklungsschritte undsoweiter. Aber das bin ich einfach nicht. Das muss man sich ja auch irgendwann mal eingestehen, dass man nur so ist, wie man selbst und nicht wie jemand anderes.

Deshalb ist Mutterschaft für mich tatsächlich in erster Linie die Nähe zu meinen Kindern. Wenn ich mit ihnen zusammen bin, gibt es nichts anderes, kein Handy oder Emails, sondern ich bin ganz da, wir genießen die Zeit und reden über alles. Das ist für mich das Wichtigste.

Meine Söhne sollen immer wissen, dass sie mir alles sagen können und keine Angst haben müssen, dass sie bestraft werden, wenn sie mal Mist gebaut haben. Deshalb kennen sie eine meiner Grundregeln auch ganz genau: ich werde niemals böse werden, wenn sie mir von selbst und freiwillig über etwas die Wahrheit sagen. Im Gegenteil, ich werde sie eher dafür belohnen, wenn sie mit so etwas zu mir kommen. Wenn sie mich aber belügen, werde ich sauer. Ich hoffe, dass wir auf diese Weise immer offen miteinander reden können und die Nähe zueinander nie verlieren. Ich möchte nie morgens aufwachen und nicht mehr wissen, was meine Jungs denken, was sie bewegt oder wer sie eigentlich sind.

7. Was ist deiner Meinung nach deine größte Stärke als Mutter? Was deine größte Schwäche?

Ich glaube meine größte Stärke ist, dass ich keine Angst habe. Ich habe einen unglaublichen Optimismus, was meine Kinder angeht: egal was die mal werden – wird schon! Solange sie glücklich sind. Ich habe auch nie diese ängstlichen Gedanken, dass ihnen was passieren könnte, wenn sie nicht mit mir zusammen sind und ich glaube, deshalb bin ich auch in vielen Dingen ziemlich gelassen und sehe fast alles positiv. Das merken meine Kinder natürlich, und ich glaube, das spiegeln sie wider. Ich traue ihnen Dinge zu, dann trauen sie sich selbst auch Dinge zu.

Und meine große Schwäche ist… Ich bin wirklich eine Niete in allem anderen, was man so mit Kinder so macht! Ich kann gut vorlesen und gut fußballspielen und das mache ich beides sehr gerne mit meinen Jungs. Das sind die Sachen, die uns zusammen auch richtig viel Spaß machen. Aber ich bastele nicht, ich backe nicht, ich denke mir keine coolen Spiele aus und ich bin leider überhaupt nicht kreativ. Ich bastele immer die schlechteste Laterne in der ganzen Kitagruppe und muss diese ganzen Sachen dann an andere Menschen delegieren, damit meine Söhne all das dennoch erleben – eben nur nicht mit mir.

8. Wenn du drei Dinge nennen müsstest, die dich in deiner Kindheit und Jugend besonders geprägt haben, was wäre das?

Das Unternehmertum meiner Eltern hat mich sehr geprägt: es gab immer was zu tun, eigentlich waren sie nie fertig mit der Arbeit, am Mittagstisch wurden neue Ideen und Fragen diskutiert undsoweiter. In meiner Erinnerung waren wir als Familie immer mitten drin und es gab nie das Gefühl, man könne sich ausruhen, auf dem, was man schon geschafft hat.

Sport hat mich im Alltag sehr geprägt. Ich glaube, ich habe jede Sportart ausprobiert, die es gab. Und das Schöne war für mich, ich war in allem gut, aber in nichts so talentiert, dass es mich vereinnahmt oder mir zu viel Zeit für andere Dinge weggenommen hätte. Es gab keine Verbissenheit dabei, sondern den puren Spaß an der jeweiligen Sportart.

Und wahrscheinlich mein Vater, immer im Spannungsfeld von größtem Vorbild und größtem Widersacher. Er war mein Vorbild und meine Orientierung dafür, ob was gut war oder nicht. Aus meiner Sicht als Kind war er nie zufrieden und hat immer noch mehr gefordert, was mir einen unglaublichen Druck gemacht hat. Gleichzeitig war er der, der mich immer angespornt und mich zu so viel Selbständigkeit und Selbstbewusstsein erzogen hat, dass ich heute noch davon profitiere. Viel von meiner Energie und meinem Ehrgeiz habe ich sicherlich von ihm, und je älter ich werde, umso mehr sehe ich den positiven Anteil meines Vaters daran, wie ich heute bin.

9. Wie bist du aufgewachsen? Wie war das Familienleben in deiner Kindheit und Jugend?

Ich bin in Bielefeld aufgewachsen und meine Mutter hatte ihr Unternehmen bei uns im Haus, erst einen Antiquitätenhandel, dann entwickelte sich das in Richtung Raumausstattung und Interior Design. Dadurch war sie natürlich immer da, obwohl sie gearbeitet hat. Das war für meine Schwester und mich ein gutes Gefühl. Wir wussten auch ziemlich genau, wann wir sie stören durften und wann nicht und konnten ziemlich schnell gut einschätzen, was wichtig genug für eine Störung war.

Mein Vater war nicht so viel da, aber wenn er dann da war, hat er alles mit uns gemacht. Er war ein sehr junger Vater und ich erinnere ihn als einen sportlichen Mann, der mit ganz viel Spaß und Ausdauer mit uns getobt und gespielt hat.

Meine drei Jahre jüngere Schwester und ich waren immer wahnsinnig eng, das ist bis heute so. Trotz aller Unterschiedlichkeit hatten wir immer eine große Nähe und ich erinnere mich an keine Phase, in der wir nichts miteinander anfangen konnten. Es gab auch kaum Eifersüchteleien, Neid oder große Konflikte. Wir waren einfach sehr verbunden und immer die Lobby füreinander. Das habe ich mir für meine Kinder auch gewünscht, deshalb war ich auch so froh, als Henry geboren wurde, weil ich dachte: jetzt ist alles gut. Jetzt sind sie zu zweit und werden sich immer gegenseitig haben. So wie meine Schwester und ich.

1o. Wie steht die Mutter, die du heute bist, im Zusammenhang mit der Mutter deiner eigenen Kindheit? Bist du ihr ähnlich oder bist du ganz anders?

Es gibt wenige Überschneidungen und ich mache sicherlich vieles anders, als sie es gemacht hat. Aber meine Mutter findet das super und das ist toll. Sie schaut mir zu, wie ich mich als Mutter so mache und die Dinge löse und lässt mich da so sein, wie ich bin. Sie redet mir nicht rein, sondern ist stolz auf mich, und ich glaube, einen großen Teil meiner Stärke, den ich als Mutter empfinde, beziehe ich auch genau aus dieser Haltung meiner Mutter: sie traut es mir zu und sie lässt mich machen. Insofern gibt es wenig Überschneidungen in den Alltagsdingen, dafür aber natürlich im Wertesystem.

11. Gibt es etwas an dir als Mutter, das du nicht magst, weil es dich an deine eigenen Eltern erinnert? Gibt es etwas, das du in dir wieder erkennst und das du magst, weil es dich an deine eigenen Eltern erinnert?

Ich mag die Innigkeit mit meinen Kindern und das erinnert mich sehr daran, wie liebevoll meine Mutter immer mit uns umgegangen ist. Ich bin der sichere Hafen für meine Jungs und meine Mutter war das auch für mich und meine Schwester. Das mag ich, dass ich das wiedererkenne und bin stolz, dass ich das für meine Kinder auch schaffe.

Dafür erschrecke ich mich, wenn es um Tischmanieren geht. Ich habe das als Kind gehasst, wenn mein Vater uns beim Essen ständig ermahnt hat und ich das Gefühl hatte, ich kann gar nicht in Ruhe essen. Aber heutzutage erwische ich mich dabei, dass ich genau dieselben Dinge zu meinen Kindern sage. Da kann ich nicht aus meiner Haut.

12. Was sind die wichtigsten Dinge, die du deinem Kind/deinen Kindern mitgeben willst?

Vertrauen in sich und Vertrauen in mich. Das ist auch schon alles. Sie sollen sich was zutrauen und wissen was sie können und sie sollen wissen, dass sie sich immer auf mich verlassen können und ich immer für sie da bin. That’s it.

 

13. Wenn du deine Kinder fragst, was sie an dir mögen, was würden sie antworten?

„Dass Mami immer so lieb und fröhlich ist. Dass sie immer Fußball mit uns spielt.“ Und der Kleine würde sagen: „Dass sie immer so viel mit uns kuschelt.“

14. Deine Kinder sprechen über dich und erzählen ihren Freund*innen von dir: was für eine Art Mutter beschreiben sie?

Ich glaube, dann würden sie wahrscheinlich sagen, dass ich lustig bin und viel Quatsch mit ihnen machen. Und natürlich auch, dass ich nervig und streng sein kann, aber ich glaube, das andere würden sie zuerst sagen.

15. Was ist deine Lieblingsbeschäftigung mit deinen Kindern? Gibt es Rituale, die ihr teilt und die eine Bedeutung für euch haben?

Fußball spielen! Und die halbe Stunde des Einschlafens. Erst legen wir uns alle auf den Fußboden und machen „Schönste-Blödste“: wir erzählen uns was das Schönste und das Blödste an diesem Tag war. Und dann legen sie sich ins Bett und ich mache „alles schwer“. Ich drücke dann so sanft auf ihren Körper und mache alles schwer und sage dazu irgendwelche Sachen wie „Stell dir vor, du liegst jetzt am Strand im warmen Sand und die Wellen schwappen an deine Füße und alles wird ganz schwer.“ Jeden Abend kommt dann mindestens zwei Mal der Satz: „Mami, machst du noch mal schwer? Die Beine sind noch nicht schwer genug!“ Und dann mache ich noch mal ne Runde alles schwer. Ich glaube, bei allem, das ich ziemlich durchschnittlich mache, ist diese halbe Stunde etwas Besonderes für uns. Mir gibt das nach einem langen Tag, den wir ohne einander verbracht haben auch das Gefühl: jetzt geht’s ihnen gut. Egal wie der Tag war und was vielleicht blöd war, dann ist unsere Welt wieder in Ordnung. Wir lieben das und ich hoffe immer, dass sie sich daran ein Leben lang erinnern, werden wenn sie an ihre Kindheit denken. Und vielleicht machen sie das ja auch mal mit ihren Kindern?

16. Dein Lieblingskompliment, das deine Kinder dir mal gemacht haben?

Mein absolutes Lieblingskompliment hat der Kleine mir gemacht, als er gesagt hat: „Du bist wirklich meine ganz große Liebe, Mami.“ Dafür bin ich natürlich sehr empfänglich, gerade weil ich nach Henrys Geburt als Alleinerziehende so viele Herausforderungen mit ihnen hatte.

17. Deine Liebeserklärung an deine Kinder

Ich finde sie einfach unfassbar süß. Ich weiß, jede Mutter ist wahrscheinlich hingerissen von ihren Kindern, aber ich bin wirklich so verliebt in die zwei, das ist der Knaller. Das heißt nicht, dass ich sie verherrliche oder nur rosarot sehen würde. Ich sehe sie schon mit all ihren Aspekten als Persönlichkeiten, nicht nur mit denen, die ich mag oder gut finde. Aber ich kann ganz oft nicht streng oder konsequent mit ihnen sein, weil… ich sie einfach so süß finde! Auch wenn John das gar nicht mehr gerne hört und findet.

18. Ist es dir wichtig, was andere Mütter (auch beispielsweise innerhalb deiner Familie) über dich denken?

Ich bin vom Typ her total harmoniesüchtig und finde natürlich nichts schöner, als wenn andere denken, dass ich es gut mache. Das ist ein tolles Gefühl. Aber ob mir die Meinung einer anderen Mutter etwas bedeutet, hängt davon ab, worum es geht. Wenn es um Dinge geht, die ich leisten kann und von denen ich denke, dass ich sie als Mutter leisten sollte, dann gibt zum Beispiel Kritik mir zu denken, bewegt mich und nimmt mich auch mit. Ich würde es mir zu Herzen nehmen, wenn ich nicht gut auf meine Kinder geschaut hätte und nicht mitkriegen würde, wenn da was anbrennt. Wenn es aber um Bereiche geht, die ich ohnehin nicht abdecken kann, dann ist es mir nicht wichtig und rauscht durch mich durch. Man kriegt mich nicht mit: „Warum hast du eigentlich nur eine Backmischung gemacht?“ Das ist nicht mein Spielfeld. Oder „Du bist aber sehr wenig bei deinen Kindern, oder?“ Das ficht mich nicht an, weil ich weiß, dass sich die Qualität der Beziehung zu meinen Kindern nicht an der Anzahl der Stunden messen lässt, die wir miteinander verbringen. Insofern belastet mich so etwas nicht.

19. Vergleichst du dich mit anderen Müttern? Wenn ja: eher um dich abzugrenzen oder um dich zu bestätigen?

Es ist so: wenn du mich auf eine Bühne stellst mit Mikro in der Hand und mir sagst, du musst jetzt bei Drei vor 1000 Leute sprechen – kein Problem. Wenn du sagst, du musst jetzt einen dreistöckigen Kuchen aus Biozutaten in Feuerwehrform backen – keine Chance. Insofern machen Vergleiche keinen Sinn. Jede macht es so, wie sie es kann. Und hoffentlich machen es alle so, wie es für sie richtig ist und sie glücklich macht. Ich bewundere wie gesagt andere Mütter für die Dinge, die ich nicht kann. Aber ich liege dann nicht im Bett und habe Selbstzweifel. Ich muss mich nicht daran messen, ich kann eben andere Sachen.

20. Gibt es Mütter oder Müttergruppen in deinem Umfeld, denen du dich zugehörig fühlst? Wie wichtig ist dieses Gefühl für dein Muttersein?

Ich habe natürlich Mütter in meinem Umfeld, z.B. Freundinnen mit Kindern, aber da ich ja nachmittags nie Zeit habe, bin ich auch nie bei Playdates dabei oder lade andere Mütter mit ihren Kindern zu mir ein. Insofern – eher nein. Aber ich freue mich total, mich mit anderen Müttern zu unterhalten, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Das ist leider oft genau dann, wenn andere mal nicht über die Kinder sprechen wollen, zum Beispiel auf einer Party oder so.

21. Was wünschst du dir von anderen Müttern?

Leben und leben lassen. Am Ende wird eine Frau und dann auch ihre Familie nur glücklich, wenn sie es so macht, wie sie es machen will und wie es für sie richtig ist. Und ich glaube, dass eine Familie wirklich davon abhängt, wie glücklich die Mutter ist: wenn sie mit schlechtem Gewissen arbeiten geht, wird es nicht funktionieren und wenn sie gegen ihren eigentlichen Wunsch zu Hause bleibt, wird es auch nicht funktionieren. Und das lässt sich auf viele Themen übertragen. Wenn sie versucht eine Rolle, zu spielen, die sie nicht ist, wird die ganze Familie nicht glücklich sein. Ich kann nur maximal glücklich sein mit meinem Weg, eine andere Mutter kann es nur auf ihre Weise werden. Das Schlimmste, was wir tun können ist, anderen Müttern unser Modell aufdrücken zu wollen und ihre Entscheidungen zu bewerten.

22. Der Moment deiner größten Verunsicherung als Mutter?

Das Schlimmste ist für mich, wenn ich merke, dass aufgrund meiner wenigen Zeit, die ich mit meinen Kindern habe, irgend etwas zu kurz kommt, das ich vielleicht nicht nachholen kann.

Habe ich wirklich immer genug Aufmerksamkeit und Zeit für die wichtigen Dinge, damit da nichts anbrennt? Schule zum Beispiel: schaffe ich das, wenn die Jungs beide mal in der Schule sind oder schreiben sie dann irgendwann nur noch Fünfen, weil ich den Moment verpasst habe, gegenzusteuern? Oder lesen: reicht es, wenn wir das eine Leseheft abends lesen, das John als Hausaufgabe hat oder müsste ich ihm noch mehr anbieten und ihn da fordern? Würde er dann mehr lesen? Verpasst er da was? Verpasse ich da was? Die Verunsicherung besteht dann darin, dass ich manchmal nicht weiß: ist er das und er liest einfach nicht so gern? Oder bin ich das und verpasse gerade was?

23. Der Moment deiner größten Selbstversicherung als Mutter?

Einmal sicher unser Einschlafritual und die Erfahrung, die ich jeden Abend damit mache: es gibt nie Geschrei, nie Geheule, wir genießen unsere besondere Zeit miteinander und die Jungs liegen da und sind einfach glücklich. Das kann ich sehen, das weiß ich.

Und das Zweite ist, dass sie so fröhlich sind. Ich hatte nach der Trennung immer solche Angst, dass ich traurige, in sich zurück gezogene Kinder haben würde, weil sie ihren Vater vermissen. Weil ich ihnen zwar ganz viel geben kann, aber ihnen nicht den Vater ersetzen – und am Ende sind sie traurig. Jetzt sehe ich, dass sie das nicht sind. Sie sind fröhlich, gehen positiv in jeden Tag und sind offen und optimistisch bei allem dabei, was sie tun. Das habe ich besonders meinem Mann Philipp zu verdanken. Er hat die Kinder angenommen wie seine eigenen und hat großen Anteil daran, dass sie fröhliche kleine Jungs sind. Ich denke wir sind durch die schweren Zeiten sehr gut durch gekommen, und das beruhigt mich sehr.

Liebste Verena, ich danke dir von Herzen für das schöne Interview und das intensive Gespräch, das wir über die vielen Themen hatten, die sich rund ums Muttersein und Kinderhaben ranken. Das war spannend, inspirierend und wunderbar. Deine Energie und dein Strahlen bereichern diese Interviewreihe um eine neue Facette von Muttersein – danke, dass du dabei bist!

Das war Die Gute Mutter für heute und wie bei wirklich jeder meiner Mütter hier in der Interviewreihe, bin ich stolz und ein bisschen verliebt in die aktuelle Mama auf dem Blog. Ihr auch?

signatur

Last Updated on 5. Januar 2019 by Anna Luz de León

7 Comments

  1. Oh ja, ich auch!!! ♥
    Das Interview mit Verena war wieder ganz besonders. Und ich bin unglaublich begeistert von ihr!
    Danke, liebe Anna, für diese wundervolle Reihe!
    Herzliche Grüsse,
    Kristin

  2. Sehr schönes Interview! Ich mag Verenas Einstellung zum Thema arbeiten und gleichzeitig Kinder haben. Oftmals wird man ja schief angeschaut, wenn man die Kinder sehr früh fremdbetreut.
    Ulrike

    Mein Blog: One Year of Sunday

  3. Tolle Frau! Erstmal vorweg, deine Beschreibung finde ich ganz toll Anna! Sehr liebevoll und bewundernd. Du hast sie, nachdem ich das Interview gelesen habe, echt perfekt beschrieben.
    Ich finde sie super! Toll, dass man diese innere Ruhe hat zu sagen, mir doch egal, ich hab andere Stärken. Das Schlafritual und die Nähe, die ihr so wichtig sind, sind glaube ich tausend mal mehr Wert, als 100 Bastelstunden. Eine gute Mutter!

  4. Sehr interessant, herzlich und ehrlich. Hat Spaß gemacht zu lesen. Danke!

  5. Eine tolle Reihe und ein tolles Interview. Ich mag sehr, wie undogmatisch Verena ist und dass sie dieses “Leben und leben lassen” wirklich durchzieht – das liegt sicher auch daran, dass sie von ihrem Weg für sich so überzeugt ist, ohne unnötigen Neid oder Selbstzweifel, die ja sonst oft zu Gehässigkeit und Mummy Wars führen. Sehr schön, vielen Dank!

  6. Pingback: Living one day at a time | Freitagslieblinge am 11. September 2020 | berlinmittemom

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