Ich liebe Buchhandlungen. Sie gehören seit meiner frühesten Kindheit zu meinen erklärten Lieblingsorten. Ich liebe es, dort gezielt nach bestimmten Titeln zu suchen und sie zu finden, ich liebe es, mich von kompetenten und belesenen Menschen dort beraten zu lassen. Und am meisten liebe ich es, ohne danach gesucht zu haben, Bücherschätze zu finden. Das passiert mir nicht so häufig, aber ab und zu doch. Und dann ist es umso schöner.

Als ich "Annas Himmel" von Stian Hole erstmalig in den Händen hielt, war ich überwältigt von der Schönheit der Bilder und zugleich von dem schweren Thema. Anna, die Protagonistin der bildreichen kleinen Geschichte, hat ihre Mutter verloren. Und während sie und ihr Vater sich auf den letzten Abschied, die Beerdigung der Mutter, vorbereiten, spinnt sie sich aus, wie es wohl ist, dort, wo ihre Mama jetzt vielleicht ist. 

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Das großformatige Bilderbuch aus dem Hanserverlag rührt an ein großes Tabuthema in unserer Gesellschaft: Sterben, Tod, Verlust, Trauer und alles, was damit verbunden ist. Es ist seltsam, dass der Tod so wenig Raum in unserer Kultur hat, ist er doch wirklich eins der wenigen Dinge, mit denen jeder Mensch früher oder später in seinem Leben in Berührung kommt. Aber das Tabu ist mächtig, das spiegelt sich auch in der gesamten Literatur für Kinder rund um diesen Themenkomplex. Wie gehen wir mit dem Tod um? Wie sprechen wir mit unseren Kindern darüber? Was brauchen sie, wenn sie einen großen Verlust erlitten haben? All diese Fragen sind ganz zentral für betroffene Kinder und ihre Eltern und doch sind die guten Bücher zum Thema rar.

Als meine Mutter vor dreieinhalb Jahren starb, suchte ich lange nach guten Büchern auch für kleinere Kinder  und fand nach langem Suchen zwischen ziemlich viel bemühtem Betroffenheitsblabla ein paar Perlen. Aber es waren wenige. Inzwischen gibt es wieder mehr Bücher, mehr gute Bücher, die sich mit der Thematik befassen und sie für Kinder aufbereiten. Annas Himmel ist eins davon, ein ganz besonderes, das ich allen ans Herz legen möchte, für die der Tod bereits ihr Leben berührt oder berührt hat und deren Kinder davon ebenfalls betroffen sind. Es ist ein Buch für Kinder UND Eltern.

Die Bilder in Annas Himmel sind zauberhaft und zeigen in den buntesten Farben und fantastischsten Welten, die Anna ihrem Vater entwirft, was sich in einem Kinderkopf nach einem solchen Verlust abspielen könnte. Anna malt sich den Ort aus, an dem ihre Mutter jetzt sein könnte und erzählt ihrem Vater davon. Wie könnte es sein im Himmel? Wo ist ihre Mutter jetzt? Ist sie wie früher? Ist sie ganz anders? Tut sie dieselben Dinge? Während das kleine Mädchen ihrem Vater Annas Himmel ausmalt, wird im Verlauf des Buches und der Reise durch wunderbare Orte ganz allmählich klar, dass die beiden Hinterbliebenen, Vater und Tochter, sich gerade auf den letzten Abschied vorbereiten: am Ende des Buches gehen sie gemeinsam zur Beisetzung von Annas Mutter. Die allerdings wird nicht mehr gezeigt.

Was allerdings in Annas Himmel gezeigt wird, ist, wie wichtig es gerade für Kinder in einem solchen (möglicherweise auch traumatischen) Trauerprozess ist, Dinge aussprechen zu können und jemanden zu haben, an den sie sich mit diesen Vorstellungen und Ideen aber auch Ängsten wenden können. Ich erinnere mich an die Frage meines vierjährigen Lieblingsbubs damals, der immer wieder nachhakte: "Hat die Oma ihren Kopf dabei?" Was auch immer ihm da vorschwebte, es musste raus – so gruselig ich das auch fand.

Kinder trauern anders. Das ist für Erwachsene manchmal schwer zu ertragen und oft konfrontiert es uns, die wir selbst betroffen sind und trauern, mit unserer großen Hilflosigkeit im Umgang mit diesem ganzen Themenkomplex. Annas Himmel gibt keine Antworten auf all die Fragen, weder die von Kindern, noch die von Eltern. Aber es ist ein berührendes und poetisches Buch mit außergewöhnlichen Illustrationen, die die Betrachter*innen in eine ganz eigene Welt mitnehmen – eine Welt im Jenseits. Ein Jenseits, wie es sein könnte. Und wer weiß schon wirklich, wie es dort sein wird?

signatur

P.S.: Die Gewinnerin des neuen Bobo-Buches aus der Verlosung vom 17. Januar ist übrigens Sari vom Blog mondgras. Melde dich doch bitte bei mir, liebe Sari, damit ich euch den Bobo zuschicken kann!

 

4 Kommentare

  1. Oh, danke für den schönen Tipp. Das Thema ist seit dem Tod meines Vaters im vergangenen Jahr bei uns auch immer wieder ein Thema und ich hab gerade diese Woche drüber gebloggt, wie wir versuchen, damit umzugehen und welche Vorbehalte einem immer noch entgegenkommen, wenn man mit Kindern offen drüber spricht.
    Ein Grund, gezielt in meiner Lieblingsbuchhandlung zu suchen.
    Lieben Gruß, Rosa

  2. Liebe Anna,

    das klingt wieder nach einem Bücherschatz den Du da für uns gefunden hast. Diesen Monat jährt sich der Todestag meiner Mama zum ersten Mal und mein Löwenjunge scheint diese Traurigkeit die mich in diesen Tagen einfach begleitet zu spüren. Er redet plötzlich wieder sehr viel wie es Om da oben im Himmel wohl geht, ob sie sich nicht langweilt da und was sie wohl so alles sehen kann. 

    Ich denke wir werden das Buch auch mal noch holen. 

    Uns hat damals das Buch "ein Himmel für Oma" geholfen, wurde uns vom Bestatter damals empfohlen. 

    Liebe Grüsse

    tanja 

     

  3. Liebe Anna,

    das hört sich wirklich schön an. Danke für den Tip. Letztes Jahr ist mein Vater gestorben und meine damals fast 4 jährige Maus hatte natürlich auch eine Menge Fragen. Und ich hatte eine Menge Angst vor ihren Fragen – im nachhinein kann ich nur das bestätigen, was Du auch schreibst, dass es einfach wichtig ist die Dinge auszusprechen und dass man gar keine fertigen und in sich schlüssigen Erklärungen braucht, sondern einfach zuhören kann.

    Herzliche Grüße aus Köln
    Diana

  4. Das Buch klingt sehr gut. Hab die Woche auch ein sehr schönes zu dem Thema entdeckt “Kannst du pfeifen, Johanna”. Ein Junge hätte so gern auch einen Opa der ihn zum Kaffee einlädt und sucht sich kurzerhand einen im Altersheim aus. Eine zarte wunderschöne Geschichte.

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