Gestern Nachmittag machten mich meine Kinder mal wieder wahnsinnig. Im Trio.

Wo der eine an einer plötzlichen Lähmung leidet und nicht mehr in der Lage ist, sich die Stiefel selbst auszuziehen, muss der andere urplötzlich bis morgen einen superwichtigen Aufsatz fertig schreiben (wo war der wohl seit drei Tagen, der superwichtige Aufsatz, hmm?) und der dritte liegt heulend an der Erde, weil ihm eingefallen ist, dass er sich nicht von seiner Lieblingslehrerin verabschiedet hat und er folgerichtig von mir fordert, alle wieder anzuziehen und zurück zur Schule zu fahren, um das nach zu holen. So ein Tag war das nämlich.

Der Wahnsinn der Berlinmittekids hat allzu oft Methode, und gerade heute haben sie mir bewiesen, dass sie tatsächlich von einem Blute sind, auch in diesen Dingen: wenn’s nämlich darum geht, mich auf die Palme zu bringen, an der Rand der Verzweiflung, händeringend und haareraufend und kurz vorm Überschnappen – da ziehen meine Drei an einem Strang. Kannste glauben.

Weil ich dazu lerne und einen einigermaßen ausgeprägten Überlebenswillen habe, habe ich mich auch heute entschieden, die übelsten Anfälle weitgehend zu ignorieren (Glastür zum Flur zu, wo der tobende Bub nach seiner Lieblingslehrerin greinte), im Feldwebelton Anweisungen zu erteilen (Befehl an den Pre-Teen, sich unverzüglich dran zu machen und zwar fix!) und die kleinste Baustelle in Angriff zu nehmen. Ich setzte mich also mit dem gelähmten Goldkind an die Erde und redete ihm gut zu, es könne, ganz sicher, seine Stiefel ausziehen, das wüsste ich. Und dann entspann sich folgendes Gespräch:

Ich: “Klar kannst du das, ich weiß das: ich habe es schon ganz oft gesehen.”

Goldkind: “Aber meine Finger tun weh! Die sind zu schwach und können keine Reißverschlüsse, dann gehen die kaputt! Echt, Mama!”

Ich: “Komm, ich mache die Reißverschüsse auf und du machst den Rest, ok?”

Goldkind, kopfschüttelnd: “Rabähähähäää… Du bist gemein und hilfst mir nie! Und immer, IMMER muss ich Sachen anziehen, die ich dann wieder ausziehen muss, das ist dooohooohooof!”

Ich: “Verstehe. Du planst, in Zukunft eher nackt zu gehen, damit du keinen Stress mit den Klamotten hast, ja?”

Goldkind, hört überrascht auf zu heulen: “Darf ich das denn? Nackt gehen? Und nie wieder was anziehen?”Michael Jackson im Schlafanzug, wenn ich tot bin

Ich: “Hmm. Ich weiß nicht, ob ich das erlauben soll. Ist ganz schön kalt draußen. Du könntest frieren oder krank werden.”

Goldkind: “Aber im Sommer nich. (begeistert) Im Sommer könnte ich immer nackt gehen! (überlegt kurz) Aber dann sehen wirklich ALLE meinen Popo. Ob ich das dann immer lustig finde?”

Ich: “Ich könnte mir vorstellen, das du das irgendwann nervig findest. Auch wenn ich persönlich deinen Popo sehr gerne sehe, im Sommer und im Winter auch.”

Goldkind: “Hehe, Mama, aber ich weiß was: wenn ich tot bin, dann brauche ich keine Klamotten mehr! Bin ich dann immer nackt? Oder bin ich mit  Klamotten tot? Dann kann ich die ja schon wieder nicht alleine ausziehen…!” Inzwischen hat der Bub die Unterhaltung verfolgt und für interessant befunden.

Lieblingsbub: “Weißt du, Rosanna, wenn man tot ist, ist das einem egal, was man anhat. Es gibt Leute, die sterben im Anzug, dann laufen die im Himmel eben so rum. Und andere sterben im Nachthemd, stell dir das vor, dann sind die im Himmel im Nachthemd unterwegs!”

Goldkind (Minion-Lache): “Bahahahaa….! Im Nachthemd! Du erzählst mir Quatsch!”

Bub: “Nee, wirklich. Michael Jackson ist zum Beispiel im Schlafanzug gestorben. Weil der nie schlafen konnte und da hat er ein Mittel genommen, damit er einschlafen kann. Das war dann aber viel zu viel, also ist er gestorben, im Schlafanzug. Und jetzt ist Michael Jackson im Schlafanzug im Himmel und rennt da so rum. Und der redet mit Gott, im Schlafanzug! (überlegt) Und natürlich tanzt der auch im Schlafanzug…”

Goldkind: “Genau! Im Himmel tanzen nämlich alle, auch die Oma. Das weiß ich schon!”

Man sieht, wie schwer das Leben ist, wenn man Stiefel an- und wieder ausziehen muss. Und wie leicht das Leben nach dem Tod ist, weil man da nämlich rumrennen kann, wie man will: nackt oder auch im Schlafanzug.

Und da halte ich es mit dem Goldkind, das sich schon darauf freut, wenn wir alle gestorben sind und uns dann im Himmel wieder sehen. Was zieh ich da bloß an?

signatur

 

4 Kommentare

  1. Hm, als Working Mum im heimischen Büro mach ich mir selten Gedanken um mein Outfit – aber vielleicht sollte ich doch wieder etwas aufmerksamer in puncto Klamotten werden, weil man ja nie weiß, wann einem der Himmel auf den Kopf fällt. Ich kann ja nicht ewig in Jeans und Schlabberpulli rumrennen! ;-)

    • Hehe, das sind die Tücken, an die man gar nicht denkt. Zum Glück hab ich ja n Sohn, der mir im Zweifel die Welt erklärt. Und du auch! Bald kann er dir auch solche Vorträge halten und dich mit abseitigem Detailwissen überraschen. :-) Liebe Grüße ins Homeoffice!

  2. Genau! Darum gehe ich auch nie ohne Wimperntusche aus dem Haus ;). Man weiss ja nie.
    Scherz beiseite, schoen zu lesen, wie Du die gespannte Stimmung in den Griff bekommen hast.

  3. Ich liebe diese konkreten Ideen davon, wie es im Himmel zugeht! Meine Tochter ist auch davon überzeugt, dass Uroma jeden Tag Brötchen isst. Knusprige!
    Im übrigen freue ich mich darauf, Konflikte mit Kindern lösen zu dürfen, die mit WORTEN erreichbar sind…Das werden goldene Zeiten ;)

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