First grade love, Sandkastenliebe, childhood sweetheart – ich erinnere mich an nichts dieser Art aus meiner Kindheit. Und auch beim Herzensmädchen gab es das nicht wirklich. Aber bei meinem Herrn Sohn stelle ich gerade so etwas fest und bin ziemlich hingerissen von seinen kleinen großen Gefühlsäußerungen.

Manchmal frage ich mich, wie sehr mein Sohn wohl davon profitiert, dass er als Sandwichkind zwischen zwei Schwestern aufwächst. Es ist jedenfalls offensichtlich, dass er sich mit Mädchen gut versteht und nicht diese nicht altersuntypische Mädchen-sind-doof-Attitüde an den Tag legt – jedenfalls noch nicht. Ganz im Gegenteil. Er hat’n Schlag bei den Mädchen, er spielt gerne auch mit Mädchen und der klischeebehaftete “Mädchenkram” schreckt ihn nicht ab. Inzwischen hat er wohl auch heraus gefunden, dass er gut ankommt und mag das selbst. Es gefällt ihm, dass er auch mal ausweichen kann und nicht immer auf dem Schulhof mitbolzen oder -kloppen “muss”, wenn das unter seinen Kumpels grade angesagt ist. Er ist nämlich zwar sehr gerne mal wild, oft wird ihm das aber zuviel und er zieht sich zurück. Er spielt dann gern mit den Mädchen aus seiner Klasse oder geht mit ihnen nach der Schule in den Snoozelraum im Hort, wo große Kissen an der Erde liegen und man Bücher lesen und Geschichten anhören kann. Dort fand ich ihn beim Abholen in den letzten Tagen häufig und meist mit demselben Mädchen aus seiner Klasse, von dem er sich stets mit einer liebevollen Umarmung verabschiedete. Mir war nicht klar, dass ich jeweils Zeugin einer “first grade love” wurde.

First grade love, Sandkastenliebe, Verliebtheit bei Kindern

Zu Hause hat er dann heute beim Fußballbilder sortieren auf einmal seinen T-Shirt-Ärmel sorgfältig bis zur Schulter raufgerollt und mir sein braunes Oberärmchen gezeigt. Und im folgenden Dialog kam ich dem Phänomen first grade love an meinem Sohn auf die Spur:

Ich: “Was machste da, Bub?”

Lieblingsbub: “Das ist cool, oder? Siehst du das?”

Ich: “Ja, seh ich. Haben früher auch die Jungs aus meiner Schule gemacht.”

Lieblingsbub grinst: “Und? Haste dich verknallt?”

Ich (bemüht nicht laut zu lachen): “In manche. Aber nicht wegen dem hochgerollten Ärmel.”

Lieblingsbub: “Och Mönsch… Wirklich nicht?”

Ich: “Wieso? Soll sich jemand in dich verknallen? Machst du das deshalb?”

Lieblingsbub, ein bisschen verschämt und leiser: “Ja, vielleicht schon. Du weißt schon wer, oder? Ich brauch den Namen nich sagen, oder?”

Ich nicke und denke an seine Freundin aus dem Snoozelraum, mit der er an einem Tisch sitzt und von der er sich seit Tagen eine Einladung zum Geburtstag erhofft. Der Lieblingsbub lächelt und seufzt. “Die mag ich voll gerne. Die ist so lieb und schön und hat feine weiche Haare und wir können ganz gut reden.”

Ich: “Worüber redet ihr denn?”

Lieblingsbub: “Über S.O.S. Das ist ganz wichtig, Mama, das weißt du ja, oder? Also das benutzt man in der Schifffahrt und damit sagt man, dass man Hilfe braucht.” Ich nicke zustimmend und wundere mich mal wieder, wie und wo der Bub solches Wissen anhäuft.

Lieblingsbub: “Ja. Und die… du-weißt-schon-wer, die kennt sich ganz gut aus damit. Das macht so viel Spaß, mit ihr darüber zu reden. Ich hoffe echt, sie lädt mich ein zu ihrem Geburtstag. Dann müssen wir ein oberschönes Geschenk kaufen, ja? Bitte, Mama?”

Ich: “Na klar, das allerschönste Geschenk. Was gefällt ihr denn?”

Lieblingsbub: “Bestimmt was über Schifffahrt. Und über Morsen! Ja, das gefällt ihr sicher. Sie ist ganz interessiert an allem, Mama, das mag ich ja so an ihr!”

Der Lieblingsbub widmet sich seufzend wieder seinen Fußballkarten und ich streichle ihm ein paar mal seinen bloßen Oberarm, von dem er hofft, dass ein schönes und liebes Mädchen mit bemerkenswerter Interessenlage den cool findet. Mir ist klar, dass das “ernst” ist, auch wenn ich in mich rein grinse.

First grade love. Sandkastenliebe. Wie auch immer. Ich bin ja froh und dankbar, dass er mich auserkoren hat, um sich anzuvertrauen. Mein Sohn. Mein süßes Kerlchen, der sich eine Geburtstagseinladung erhofft, damit er das Mädchen mit den weichen Haaren beschenken kann. Ich sinne noch darüber nach, ob ich noch etwas Schlaues sagen soll, da guckt er mich an mit seinen großen Schokoaugen und sagt:

“Weißt du, was S.O.S. heißt, Mama? Es heißt save our souls!”

So sieht’s aus. Aber wahrscheinlich ist da nichts mehr zu retten, wenn ich mir das Ganze so betrachte. Rette einer meine Seele bitte gleich mit, ja?

signatur

 

4 Kommentare

  1. Ich war schon im Kindergarten verliebt. Wir wollten heiraten. Inzwischen haben wir auch beide geheiratet. Ich meinen Mann. Und er seinen Mann. Hat wohl nicht sollen sein. :-)

    Schöne Interessen, die die beiden da teilen. Toll!

  2. ..ups..

    Erste kleine große liebe..

    Finds toll das er dir das so erzählt!!!

    Alles liebe

    p.s ich drücke die Daumen für de Einladung!!!!

  3. Liebe Anna,
    ein toller Text – wie eigentlich alles was es bei Dir zu lesen gibt. Warmherzig, offen, überlegt und schön geschrieben. Trotzdem frage ich mich manchmal wie es später für Deine Kinder sein wird so viele intime Details ihres Seelenlebens, die kleinen Sorgen und echten Nöte im Internet von tausenden Fremden gelesen zu wissen. Ich liebe Mammi-Blogs und lese einige wirklich Gute. Und dennoch halten mich diese Gedanken davon ab, selbst einen zu schreiben. Wie gehst Du damit um? Gibt’s Themen wo Du vorher “Erlaubnis” einholst?Bin gespannt auf Deine Antwort!
    Liebe Grüße,
    Saskia

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