Meine Kinder werden in rasendem Tempo größer, so ist jedenfalls mein Gefühl. Und es stimmt, ich werde schnell wehmütig, wenn ich mal wieder feststelle, dass die Kleinste nicht mehr so gut auf meine Schoß passt, dem Bub ein Küsschen von Mama in der Öffentlichkeit peinlich ist und mein Teenager-Mädchen mich schon seit geraumer Zeit überragt. Aber es gibt auch ganz viel, das an großen Kindern einfach toll ist, speziell an meinem Teenager-Mädchen. Und als Gegenentwurf zu dem ganzen Gejammer über unaufgeräumte Buden, irrationales Verhalten und überschäumende Hormone von Teenies, trotz der vielen unlösbaren Fragen darüber, wie Teenager ticken, was Teenager bewegt und wie lange um Himmels Willen diese Teenager-Zeit dauert, habe ich mal eine Positiv-Liste geschrieben: 10 Gründe, warum ich in meinen Teenager wie verrückt liebe. Trotz Chaos, trotz Streit, trotz Gerangel um Bewegungsfreiheit und dem Wunsch nach Abgrenzung. Ja, das haben wir hier alles auch. Aber wir erleben zusammen auch einfach wunderschöne Dinge…

1. Ich bin nicht mehr die Einzige, die Gefühlsschwankungen unterliegt. Und es ist wirklich so, ich v e r s t e h e sie, wenn sie ausflippt und mich anbrüllt, nur um im nächsten Moment tränenreich zu entschuldigen, weil sie gar nicht wisse, was in sie gefahren sei. Ich weiß es, mein Mädchen. Und auch wenn ich das angebrüllt werden nicht sehr schätze, ich kenne das nur zu gut und fühle mich umgekehrt auch endlich mal verstanden.

2. Überhaupt: rumbrüllen. Ich finde das ja an mir sehr unrühmlich, aber ich tue das tatsächlich. Nicht zu selten. Leider. Und in diesem Teeniekind habe ich wenigstens mal jemanden, der das an sich abperlen lässt. In dem Moment macht mich das zwar rasend, weil ich natürlich nicht zu ihr durchdringe, aber ihre Coolness gibt mir ein bisschen mehr Raum für reuefreie Raserei. Bei ihr bin ich mir sicher, sie hält das aus, sie nimmt es nicht zu ernst und sie verzeiht mir schnell, weil sie es einzuordnen weiß. Meistens.

3. Zugegeben, viele von ihren Social Media Kanälen nutze ich selbst nicht (kennt ihr Musical.ly? Unglaublich!), aber ich mag es, ihr dabei zuzuschauen, wie sie sie nutzt. Ja, ich fühle mich dann ein bisschen alt, aber das macht nichts. Ich mag das Gefühl, dass jetzt die nächste Generation da ist, die ganz andere Sachen mit diesem Internet anstellt, als wir "Alten". Sie zeigt mir, was sie da macht und ich bewundere sie. Sie betritt neue Welten und ich bin dabei – nur als Zuschauerin, aber das ist auch okay so.

4. Aber ganz von gestern bin ich wohl nicht, denn sie liest mein Blog und gibt mir Feedback. Natürlich wissen alle meine Kinder ohnehin, was ich mache und dass ich auch so mein Geld verdiene: mit dem Bloggen und mit Kampagnen und Beratung drumherum. Und ja, sie wissen sehr gut, dass sie Teil davon sind. Aber mein Teenager-Mädchen ist noch mal anders beteiligt. Ich diskutiere bestimmte Sachen mit ihr und sie gibt mir tatsächlich viele Ideen, wie ich bestimmte Themen anpacken könnte. Sie mag, was ich mache. Und das mag wiederum ich.

5. Überhaupt mögen wir plötzlich ganz oft haargenau dieselben Sachen. Wir lesen teilweise dieselben Bücher, wir reden über aktuelle Filme und unsere Lieblingsserien und schauen auch bestimmte Dinge gemeinsam an. Wir verabreden uns dann in meinem Bett, wenn die Kleinen schon schlafen. Dann machen wir uns Slushies und schauen Grey's Anatomy zusammen oder einen Film, den wir bei iTunes ausleihen. Nur bei neuer Musik sind wir nicht so ganz auf einer Wellenlänge…

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6. Dafür interessiert sie sich seit einiger Zeit brennend für meine Musik "von früher", meint: aus der Zeit, als ich ungefähr so alt war wie sie jetzt. Sie liebt meine Playlisten auf Spotify und stellt sich selbst welche zusammen, in denen es plötzlich von Bowie, Iggy Pop, The Cure oder Violent Femmes nur so wimmelt. Ich liebe es!

7. Und nicht nur meine Musik von früher schallt durchs Haus und katapultiert mich zurück in die Zeiten, als ich ein Teenie war. Mein Mädchen will auch wissen, was ich für Filme gesehen habe (Pretty in Pink! The Breakfast Club! …), wie man sich so angezogen hat (Dr. Martens!) und was die wichtigen Orientierungspunkte waren. Gab es Cliquen oder nicht? Wann ging man auf die ersten Partys, bei denen die Eltern nicht dabei waren? Ab wann wurde auch mal Alkohol getrunken? Heimlich? Mit Erlaubnis der Eltern? Wann gab's den ersten Kuss und wann das erste gebrochene Herz? All diese Dinge fragt sie mich und wir reden über früher und ich fühle mich alt und jung zugleich. Ein schönes Gefühl, das ich nur habe, weil SIE da ist.

8. Natürlich sind wir oft nicht einer Meinung. Wie könnte das auch gehen? Unsere Welten sind verschieden und driften gefühlt zur Zeit noch weiter auseinander. Aber trotz irgendwelcher Streitigkeiten sind wir zusammen, und im Alltag ist sie meine feste Größe. Ich kann auf sie zählen, wenn es stressig wird und ich weiß, dass sie mich nie im Stich lässt. Und ich sie auch nicht. Viel öfter als dass ich mich um drei Kinder kümmere, kümmern wir uns  zu zweit um die Minions und das genieße ich sehr. Und bin dankbar für dieses Teamgefühl mit meiner Großen.

9. Leider kommt sie mit ihren wichtigen Themen oft abends spät, wenn meine "Sprechzeit" eigentlich vorbei ist und ich, wie ich immer so schön sage, keine Wörter mehr übrig habe. Aber wir reden. Sie legt sich gnadenlos 1,78m-lang in mein Bett und erzählt mir Dinge. Vieles interessiert mich nicht, vieles will ich gar nicht wissen, aber vieles gibt mir einen echten Einblick in ihr Seelenleben und auch in all die Dinge, die in ihrem Alltag so passieren. Ich lerne wieder, dass auch Kleinigkeiten eine dramatische Dimension haben können und erinnere mich an die Anfechtungen aus meiner Teeniezeit. Dann verstehe ich sie so gut. 

10. Nach Jahren der durchaus eingeschränkten Kommunikation mit drei Kindern im Alltag habe ich plötzlich wieder eine Gesprächspartnerin, mit der ich auch mal ganz andere Themen besprechen kann, Dinge, die auch ich wichtig finde und denen wir uns zusammen im Dialog nähern.Wir sprechen über die Flüchtlingspolitik und über die Situation mit "unseren" Neuankömmlingen in Berlin. Sie ist es, die mich getröstet hat, als unsere afghanische Familie bei uns auszog und mir sagte, dass ich nicht die ganze Welt retten könne. Wir reden genauso über feministische Themen und Frauenrollen wie über soziale Gerechtigkeit, die #ehefüralle oder das Recht auf die Pille Danach. Viele Themen kommen auf, auch in der Schule und wir stoßen dabei auf die grundlegendsten und wichtigsten Strukturen in unserem Leben: unsere Werte. Die Dinge, die uns etwas bedeuten und die darüber entscheiden, wie wir sind und wer wir sein wollen. Mein Mädchen "wird" gerade erst, aber ich sehe, was für ein wundervoller Mensch sie jetzt bereits ist und mit was für einem offenen Herzen und klugen Verstand sie die Welt betrachtet. Ich bin sicher, sie wird eine ganz atemberaubende, eindrucksvolle junge Frau werden, die die Welt verändern wird. Meine verändert sie jetzt schon.

Teenager sind besser als ihr Ruf, und ich konzentriere mich gerade in schwierigeren Zeiten bewusst darauf, was ich alles an meinem Teenager habe, was ich an ihr liebe und wie dankbar ich dafür bin, dass sie genauso ist, wie sie ist, genau j e t z t. Und vielleicht bin ich gerade an dem Punkt, wo ich mich nach vielen großen Veränderungen an und in ihr mal wieder aufs Neue heftig in sie verliebe.

In meinen schlaksigen, nervigen, instabilen, widerborstigen, durchgeknallten, lauten, unordentlichen, chaotischen, widersprüchlichen, herausfordernden… ganz und gar wundervollen Teenager.

Wie der Zufall so spielt, hat auch meine liebe Kollegin Leonie von Minimenschlein sich letzte Woche erst mit dem Thema befasst und eine ähnliche Liste geschrieben – wären mir nicht die kranken Kinder dazwischen gekommenn, wären die Artikel gleichzeitig erschienen. So habe ich dafür jetzt die Gelegenheit, ihre 10 Gründe hier zu verlinken. 

Wie geht es euch mit euren Teenies?

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Last Updated on 15. November 2018 by Anna Luz de León

10 Kommentare

  1. Ach, ich find's auch meistens herrlich mit meiner 13-jährigen. Ich fand es immer schon toll, Au pair- Mädchen zu haben, die mir ihre Ausgeh- und Jungs-Geschichten erzählen ;-) Soweit ist meine Tochter noch nicht, aber auch wir besprechen schon so viel gemeinsam. Wenn sie aus der Schule kommt, setzt sie sich zu mir die die Küche und redet und redet erstmal. Und wehe, ich unterbreche sie… Ich hoffe, das bleibt so und wir halten das so die ganze Pubertät durch.

    Leonie's und Deiner Liste ist nichts hinzuzufügen. Danke!

    LG; Yvette

  2. Liebe Anna, gerade wollte ich sagen, ich weiß auch nicht, warum alle immer auf den Teenagern rumhacken. Ich habe einen 15 jährigen, eine 13 jährigen und mein Mädchen fängt Mut 10 gerade an. Ich bin beruhigt, dass ich nicht die einzige bin, die rumbrüllt, dass es dir auch so geht. Ich bewundere den großen, wie "erwachsen" er die Dinge regelt und muss schmunzeln, wenn dann doch der Junge in ihm durch kommt. Ich bin so dankbar, dass er freiwillig und zusätzlich den Küchendienst über nimmt, wenn ich vor Rückenschmerzen nach dem Abendessen auf meiner Yagamatte liege. Ich bin froh, dass mein Mittlerer mir alles für meine erste Skypokonferenz installiert. Und mir wird warm ums Herz, wenn mein Mädchen mir Komplimente macht, und meine Arbeit bewundert, mir Mut macht und mich berät. (Meine Puppen sind bei den Jungs nicht so Thema) Und das schönste, die beiden jüngeren machen es nach. Danke für deinen Blogartikel, der mich wieder daran erinnert hat, was ich dich für wundervolle Kinder und Teenager gleichermaßen habe trotz des Gebrülls, der Kämpfe und Diskussionen. Denn das ist alles ganz normal und wichtig für beide Seiten. Liebe Grüße Christine

  3. Das ist toll geschrieben! <3 Und macht Lust auf eine eigene Tochter, dabei war ich doch bisher mit unserem Sohn (1,5 Jahre alt) ganz zufrieden und ausreichend beschäftigt ;) 

    LG, Tamara

  4. Teenies sind viel besser als ihr Ruf!

    Ich find´s unendlich spannend, die Entwicklung zu sehen, kleine Veränderungen zu spüren und dann zu besprechen und ja, die können sprechen wenn sie wollen, auch 13-jährige Jungs, deren Welt sich um den PC dreht ;)

    Liebste Grüße

    Janna

  5. Schon seit Leonies Beitrag bin ich begeistert, dass nicht nur ich meine Teenagertochter auch sehr genieße und nicht nur über den Zustand eines Pubertiers im Haus zu schimpfen weiß!
    War ja eigentlich klar das es Dir auch so geht! :-)

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