Nach meiner unfreiwilligen Blogpause wegen technischer Probleme, die meinen Dankbarkeits-Adventskalender unterbrochen hat, geht es heute endlich weiter! Dank meinem heimischen Techniksupport und der tatkräftigen Hilfe von lieben Kolleginnen, die von außen immer wieder allerhand getestet haben, kann ich euch heute eine neue Folge meiner Interviewreihe Die Gute Mutter präsentieren – endlich! Ich freue mich und bin dankbar, dass ich wieder online bin und gleich so was Schönes für euch habe…

Es gibt Menschen, die berühren einen bereits aus der Ferne und man kann nicht genau sagen, warum. Die Gute Mutter aus meinem heutigen Mütter-Interview, Katharina, ist so ein Mensch, und ich bin sehr glücklich und dankbar, dass sie mir meine Fragen beantwortet hat. Schon vor unserer ersten Begegnung war ich Leserin ihres Blogs Justadiary und hatte ein wenig von ihrer Geschichte mitgelesen. Was ich darüber hinaus über sie lernen durfte, teile ich heute hier mit euch.

Katharina ist Mutter von zwei Töchtern im Alter von zwei und fünf Jahren und eines Sohnes, dessen Erdenleben nur vier Wochen dauerte und der heute vier Jahre alt wäre. Katharina ist außerdem Yoga-Unternehmerin und Buchautorin. Mit ihrem Mann hat sie auf den Spuren des Yoga vor Jahren eine lange Reise begonnen, auf der sie inzwischen bei dieser Station angekommen ist: sie lebt die Idee von Yoga der Stille und führt konkret die Yogaschule Nivata, die sie gemeinsam mit ihrem Mann begründet hat.

Katharina ist außerdem Witwe und damit zugehörig zu einer besonderen Spezies Alleinerziehender. Ihr Mann Julian, Vater ihrer drei Kinder, starb vor knapp zwei Jahren an einer Krebserkrankung. Seitdem ist Katharina alleine verantwortlich für die gemeinsamen Kinder und das gemeinsame Yoga-Unternehmen. Der Weg vom Widerstand gegen die neue Situation über allmähliche Akzeptanz bis hin zur tatsächlichen Annahme ihres Witwenstatus im Bezug auf ihre Kinder und ihrer beruflichen Neuorientierung nach dem Tod ihres Mannes, ist für Katharina lang und anstrengend gewesen und ist es noch. Sie sagt, sie geht erst jetzt allmählich aus diesen Widerständen heraus und kann mit neuer Ruhe und einem neuen Selbstverständnis auf ihr Leben schauen. Der Versuch, trotz oder gerade wegen all der Einschläge in ihrem Leben Die Gute Mutter zu sein, beschäftigt Katharina darüber hinaus ständig, und vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum sie mir meine Fragen beantwortet hat.

Katharina beschreibt sich selbst und ihr Leben als bestimmt von drei großen Aspekten: dem Leben als Mutter ihrer Kinder, dem Leben als Yogaunternehmerin und Buchautorin und dem Leben als sie selbst, Katharina, nur bei sich. In unserem Gespräch wird immer wieder deutlich, wie diese drei Aspekte sie definieren, ihren Alltag strukturieren und ihren Platz finden, gleichwertig nebeneinander und in Balance. Keinen dieser Aspekte gibt es ohne den anderen, sie bedingen sich gegenseitig und sind verbunden.

Im Oktober am Schlachtensee treffe ich dann eine ruhige, sehr präsente Frau, die während unseres Gesprächs vor allem nachdenklich, ernsthaft und reflektiert wirkt – ein starker Kontrast zu der sprudelnden, sprühenden Unternehmerin, die ich einen Tag zuvor interviewt habe (und die hier noch im Interview erscheinen wird), denke ich zunächst. Aber dann sehe ich eine große Leichtigkeit und Heiterkeit in Katharinas Schritten, als wir zum Schlachtensee gehen, um Fotos zu machen. Ich höre und sehe ein freies und ganz offenes Lachen und ein tiefes Leuchten, das sie wie unsichtbare Energie umgibt.

Hier ist für euch Die Gute Mutter, Katharina.

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1. Du bist Mutter seit fünf Jahren und hast zwei Töchter im Alter von fünf und zwei Jahren. Wenn du an die erste Zeit nach der Geburt mit deinen Kindern denkst: an was für Gefühle erinnerst du dich? Was hat an Gefühlen überwogen?

Vielleicht sagt man das als Mutter nicht so gerne, aber eigentlich war es beim ersten Kind totale Verwirrung und irgendwie auch Erschütterung – so gar nicht klar kommen. Die Große ist in Indien geboren, da war ich allein mit meinem Mann und merkte dann, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte. Das Kind schrie 12 Stunden durchgehend und schlief dann 12 Stunden, und meine Vorstellung von mir als Mutter, von uns als den easy-peasy Yogaeltern, die wir sein wollten, wurde von der Realität völlig über den Haufen geworfen. Ich dachte, das ist ein Alptraum.

Ich erinnere allerdings auch sehr gut die innigen Momente des Stillens: wenn ich meiner Tochter etwas Konkretes geben und sie es nehmen konnte, dann waren wir uns ganz nah und alles war gut. Das Stillen funktionierte also, da haben wir beide unsere Rollen gefunden und den Sinn unserer Verbindung gespürt. Ansonsten haben wir uns angeguckt wie Aliens, alle beide. Julian konnte anders damit umgehen, der fand es zwar auch krass, aber er hat sich da auch nicht so fertig gemacht wie ich. Ich als Mutter dachte immer, ich müsste jetzt vor Glück dahinschmelzen… Stattdessen war ich glücklich wenn sie schlief, und wenn sie aufwachte, bin ich sofort in Panik geraten, wann es wieder losgeht.

2. Gab es in deinem Umfeld Menschen, von denen du dich unterstützt gefühlt hast? Oder gab es welche, von denen du dir Unterstützung gewünscht hättest, die du aber nicht bekommen hast? Welche Rolle hat dein Partner/deine Partnerin in dieser Phase übernommen? Wie hast du das empfunden?

Unterstützung hätte ich in dieser Situation gar nicht annehmen können. Es gab ja in Indien Menschen um uns her, die helfen wollten, aber ich wollte das irgendwie als Mutter unbedingt alleine schaffen. Ich hatte das Gefühl, das ist jetzt die Anforderung an mich, die ich erfüllen muss und will. Außerdem hat sich das Schreien unserer Tochter jedes Mal nur noch verstärkt, wenn jemand anderes als wir Eltern versucht hat, sie zu beruhigen. Es war ganz klar unser Thema und ich hatte das Gefühl, das auch lösen zu müssen. Wir sind dann nach Deutschland zurück gekommen weil ich dachte, es wird besser mit Unterstützung, aber es half nichts. Wir mussten da zusammen durch.

Dass Julian viel sicherer schien als ich im Umgang mit unserer Tochter, hat mich allerdings schon entlastet. Am liebsten hätte ich gesagt: “Hier ist das Kind – mach mal. Und gib sie mir zum Stillen.”

3. Erinnerst du dich an eine Situation mit deinem Kind, in der du sicher empfunden hast: ich bin die Mutter, ich bin die Expertin, ich entscheide – vielleicht sogar die erste Situation mit diesem Gefühl?

Ja, schon relativ früh eigentlich: immer wenn sie wirklich schlimm schrie und irgend jemand anderes kam, der sie ablenken wollte und so ein Mutterprogramm abspulte, merkte ich, wie sie immer mehr in Panik geriet – dann wusste ich, sie muss einfach nur bei mir sein. Ich wusste, sie wird zwar weiter schreien, aber sie wird anders schreien. Ich muss sie nehmen, meinen Rücken zu der Welt drehen, das Seidentuch über ihren Kopf legen und einfach da sein. Und ich wusste, das kann niemand anderes außer mir oder Julian sein, der das für sie herstellen konnte.

Da habe ich mich sicher gefühlt: in solchen absoluten Krisensituationen mit ihr. Das ist übrigens immer noch so. Auch jetzt, wenn sie zum Beispiel mitten auf der Straße Wutanfälle hat und die Leute um uns her so reagieren, als würden sie am liebsten das Jugendamt rufen, weiß ich, dass sie das nur mit mir erleben kann, was sie da gerade erlebt: ich gebe ihr den Raum, das rauszulassen, ohne sie dabei zu unterbrechen. Dann fühle ich mich sicher.

4. Hast du in der Zeit, seit du Mutter bist, Ratgeber gelesen, die sich mit Kindererziehung im weitesten Sinn beschäftigen, egal in welcher Form? Wie hast du dich bei/nach der Lektüre gefühlt, was das Muttersein für dein Kind anging?

Sehr wenig. Ich hatte in der Schwangerschaft in Indien die Hebammensprechstunde dabei, das war mein Begleiter und meine Bibel. Aber als meine Älteste zur Welt kam merkte ich, nein, das funktioniert alles nicht, weder dieser Ratgeber noch irgend ein anderes Buch. Als meine Jüngste dann geboren wurde, hat mir die Hebamme damals eine Broschüre gegeben: “tränenreiche Babyzeit”, die ich als hilfreich empfand. Aber eigentlich… nein. Wenn ich Rat oder Hilfe brauchte, habe ich mich immer an menschliche Ratgeber gewandt: meine Hebamme oder meine Heilpraktikerin zum Beispiel.

5./6. Wie wichtig sind dir die Meinungen anderer Menschen darüber, wie du mit deinem Kind/deinen Kindern umgehst und was die Grundlagen deiner Erziehung sind? Und wie wichtig sind gesellschaftliche Normen generell für dein Selbstverständnis als Mutter?

Mir ist das inzwischen gar nicht mehr so wichtig, aber wenn es diese schlimmen Situationen mit einem trotzenden tobenden Kind gibt, wo das ganze Umfeld schon unruhig wird, dann fühle ich mich dafür verantwortlich. Ich merke, wie unangenehm das allen anderen ist und dass es den Menschen um mich herum damit nicht gut geht, weil sie beispielsweise nicht verstehen, was sie da sehen: ein schreiendes Kind auf dem Boden in der S-Bahn und eine Mutter, die das Kind eben nicht auf den Schoß nimmt, obwohl alle der Meinung sind, dass das das einzig Richtige wäre. Ab und zu versuche ich, das zu erklären, aber ich stelle nicht mehr in Frage, was ich tue. Ich habe früher manchmal versucht, die Erwartungshaltung meines Umfeldes zu erfüllen – das hat es aber nur schlimmer gemacht für mein Kind. Und auch für mich! Das weiß ich inzwischen. Und ich weiß, was meine Tochter braucht, nämlich Raum für ihren Zorn und ihren Trotz. Wenn andere das nicht verstehen, ist das vielleicht mal unangenehm, aber ich ändere deshalb mein Verhalten nicht.

Insofern sind mir gesellschaftliche Normen eher suspekt. Ich glaube, das geht in der Kindererziehung auch gar nicht. Jedes Kind, jede Verbindung, jede Familie ist anders – das ist ja gerade das Spannende im Leben mit Kindern.

7. Wenn du definieren müsstest, was Mutterschaft für dich bedeutet, was sind dann die drei wichtigsten Punkte für dich?

Über die Frage habe ich im Vorfeld ziemlich lange nachgedacht, denn ich finde sie in dem ganzen Interview sehr zentral und ich kann sie nicht mit ein, zwei Schlagwörtern wie Liebe, Fürsorge oder sowas in der Art beantworten. Ich bin aber für mich auf eine Sache gekommen: für mich bedeutet es nämlich, an mir zu arbeiten. Mich immer wieder in Frage stellen und zu überprüfen, ob mit mir alles in Ordnung ist sozusagen. Vor allem dann, wenn mit den Kindern was ist, mein eigenes Verhalten zu hinterfragen: Was spiegeln sie jetzt? Wie kann ich bei mir vielleicht etwas auflösen, damit sich bei ihnen etwas auflöst oder verändern kann? Das ist mir wichtig, das versuche ich immer zu tun.

8. Was ist deiner Meinung nach deine größte Stärke als Mutter? Was deine größte Schwäche?

Eine meiner Schwächen ist ganz klar Ungeduld. Und ich glaube, ich bin total autoritär. Vielleicht ist das auch der Situation geschuldet, denn in der Krankheitsphase und dann natürlich auch nach dem Tod von Julian mussten die Kinder ganz klar funktionieren, und ich kriegte schnell Panik und wurde lauter, wenn sie es nicht taten. Aber ich glaube, ich wäre auch ohne diese Ausnahmesituation eher eine strengere Mutter.

Stärken? Dass ich in Gedanken wirklich immer mit ihnen bin. Ich nehme jeden Pieps von ihnen ernst und schaue, was sind das für Signale und was kann ich jetzt für meine Kinder tun? Was brauchen sie gerade? Ja, ich glaube, das ist eine meiner Qualitäten im Umgang mit meinen Kindern: dass ich sie immer gut anschaue, sie erkenne und dann entsprechend auf sie reagiere. Ich bemühe mich um Stille vor dem Handeln, auch wenn ich das nicht immer schaffe.

Ich wäre gerne eine Mutter, die Plätzchen backt und bastelt und häusliche Atmosphäre schafft, aber das bin ich nicht – zumindest im Moment nicht. Ich bin da lange hinter so einem Mutterideal her gerannt, bis ich verstanden habe, dass es an mir andere Dinge gibt, die ich meinen Töchtern zeigen und ihnen damit etwas geben kann. Das musste ich erst lernen zu akzeptieren, dass ich nicht ein Bilderbuchideal erfüllen muss, um für sie die Richtige zu sein. Ich versuche lieber, durch meine persönlichen Stärken die Bedürfnisse meiner Kinder zu erfüllen.

9. Wenn du drei Dinge nennen müsstest, die dich in deiner Kindheit und Jugend besonders geprägt haben, was wäre das?

Das ist sicher vor allem der Tod meines Vaters, als ich sechs war. Ich war dabei, als er starb: wir waren zusammen verreist, er und ich und ich war mit ihm alleine auf Mallorca im Hotel, als es passierte. Und das hat alles auf den Kopf gestellt und für immer verändert. Danach waren die jeweiligen Freunde meiner Mutter sicher prägend – nicht so sehr als einzelne Personen, sondern als äußeres Anzeichen dafür, dass sich diese Kernfamilie aufgelöst hatte und auch nicht wieder herzustellen war.

Positiv geprägt hat mich ganz klar das Reiten. Ich bin immer gern und viel geritten und hatte dann später auch ein eigenes Pferd. Die Verbundenheit mit einem lebendigen Wesen war wunderschön für mich. Und beim Reiten selbst hatte ich immer ein Gefühl großer Freiheit, das ich sehr genossen habe.

10. Wie bist du aufgewachsen? Wie war das Familienleben in deiner Kindheit und Jugend?

Meine Eltern haben sich schon sehr früh getrennt, ich erinnere mich also gar nicht an ein klassisches Familienleben á la Vater-Mutter-Kind. Familie war für mich immer: ich und meine Mama. Dieses klassische Bild von Familie, das Gefühl der Zugehörigkeit zu so einem Familiengebilde, habe ich eigentlich erst mit fünfzehn zum ersten Mal erlebt. Meine erste große Liebe, mein damaliger Freund, stammte aus einer großen italienischen Familie und nahm mich immer mit dorthin. Da wurde ich so herzlich aufgenommen und einbezogen, da konnte ich das richtig nachholen und war nicht nur die Freundin des Sohnes, sondern so etwas wie das dritte Kind im Haus. Da habe ich Familie gesehen und meine Vorstellung davon hat sich erweitert. Ich konnte die Unterschiede zu meinem eigenen Modell zu Hause sehen und meine Idee davon entwickeln, wie ich das mal machen wollen würde, wenn ich mal Kinder hätte.

11. Wie steht die Mutter, die du heute bist, im Zusammenhang mit der Mutter deiner eigenen Kindheit? Bist du ihr ähnlich oder bist du ganz anders?

Heute denke ich, dass zwischen ihr und mir durch unsere inzwischen so parallele Geschichten als Mütter so etwas wie Heilung passiert. Wir haben beide etwas sehr Ähnliches erlebt durch den Tod unserer Männer, und obwohl meine Situation sehr verschiedenen war von ihrer und ich meinen Mann sehr geliebt habe, während sie in Scheidung von ihm lebte, als er starb, haben wir beide die Väter unserer Kinder verloren. Das ist etwas sehr Verbindendes. Ich erlebe gerade einen Teil ihrer Biographie selbst und beziehe sie da sehr mit ein, dadurch finden wir auch einen neuen Weg zusammen. Um da mal ein bisschen ins Yoga zu gehen, habe ich das Gefühl, dass wir da auch gerade eine Möglichkeit erleben, karmische Fesseln zu sprengen. Das ist eine Chance und ich bin  froh darüber, dass meine Mutter sich heutzutage selbst noch mal hinterfragt, wo sie meinen Umgang mit meinen Kinder sieht und sich damit vergleicht.

Ich wollte mich aber auch immer bewusst unterscheiden von meiner Mutter, die Dinge anders machen, als sie es damals mit mir gemacht hat, auch wenn ich ihr das heutzutage nicht mehr vorwerfe. Da war auch vieles dem Zeitgeist geschuldet, man hat einfach damals nicht so auf die Kinder geschaut, wie heute. Dafür gab es kaum ein Bewusstsein. Aber gerade wegen der vielen Parallelen in unseren Biographien bin ich froh und dankbar, dass ich zwei Töchter habe und nicht nur eine – sonst wäre es wirklich wie eine Wiederholung gewesen von der Konstallation, in der ich als Kind groß geworden bin.

12. Gibt es etwas an dir als Mutter, das du nicht magst, weil es dich an deine eigenen Eltern erinnert? Gibt es etwas, das du in dir wieder erkennst und das du magst, weil es dich an deine eigenen Eltern erinnert?

Meine Mutter ist sehr geduldig und entspannt mit den Kindern und schafft es, ihr eigenes Ego im Umgang mit ihnen vollkommen hinten an zu stellen. Ich mag das sehr, und manchmal gelingt mir das selbst auch. Dann fühle ich mich dieser Art sehr nahe, das ist ein schönes Gefühl. Das ist sicher eine ihrer großen Qualitäten und ich freue mich, wenn ich das an mir auch bemerke. Davon hätte ich gerne noch mehr.

Andere Dinge empfinde ich eher als schwierig, wenn ich da Parallelen feststelle. Meine Mutter hatte zum Beispiel nach dem Tod meines Vaters wechselnde Beziehungen und wirkte auf mich, als sei sie auf der Suche nach einer Vaterfigur für mich und einem neuen Partner für sich. Nach Julians Tod spürte ich einen ähnlichen Impuls bei mir selbst und habe mich richtig erschrocken. Ich wusste, das ist nicht richtig, das ist für die Kinder und für mich nicht gut, aber der Impuls war dennoch da. Dadurch habe ich aber natürlich besser verstanden, wie es meiner Mutter damals ging. Es war mir dennoch auch in dieser Situation wieder wichtig, mich zu unterscheiden und einen anderen Weg einzuschlagen. Ich wollte dem Impuls nicht nachgeben und Julian möglichst schnell ersetzen, nur um die Kernfamilie zu rekonstruieren. Wir mussten uns erst mal zu dritt wieder wohl fühlen können.

13. Was sind die wichtigsten Dinge, die du deinen Töchtern mitgeben willst?

Ich möchte ihnen mitgeben, sich dem Leben und anderen Menschen in Freude zu öffnen, sich in sich stabil zu fühlen und das Leben als Geschenk zu sehen. Und ich wünsche mir, dass ich ihnen den Weg zur Selbstannahme bereiten kann. Dass nicht nur ich ihnen sage, dass sie unglaublich toll sind, sondern dass sie es selbst spüren und wissen und daraus Kraft schöpfen können.

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14. Wenn du deine Kinder fragst, was sie an dir mögen, was würden sie antworten?

Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung. Aber wir haben gerade in einer Eltern-Kind-Gruppe etwas Spannendes zusammen erlebt. Wir sollten ein Familien-Fantasietier malen, das die Stärken jedes Familienmitglieds irgendwie widerspiegelt. Die Kinder haben dann die Eigenschaften verteilt: die Kleine war stark wie ein Elefant, die Große war schnell wie ein Pferd und ich war geschmeidig wie eine Katze. Und dann haben sie mir erklärt, das sei so wegen des Yoga. Das verbinden sie ganz stark mit mir und das mögen sie auch an mir, dass ich das Yoga habe und damit etwas außerhalb von Kindern oder Partner oder auch Arbeit, das ich mag. Das trennen sie übrigens bei den Begrifflichkeiten sehr genau: Yoga ist etwas Schönes und Arbeit ist etwas Blödes. Dass das bei mir quasi das gleiche ist oder ineinander greift, spielt dabei keine Rolle. Doch, ich glaube, das mögen sie an mir: Yoga.

Und meine große Tochter findet, dass ich schön malen kann. Das mag sie. Sie malt selbst gerne und viel, vielleicht mag sie das deshalb an mir.

15. Deine Kinder sprechen über dich und erzählen ihren Freund*innen von dir: was für eine Art Mutter beschreiben sie?

“Meine Mama ist groß und hat lange Haare und sie macht Yoga.”

16. Was ist deine Lieblingsbeschäftigung mit deinen Kindern? Gibt es Rituale, die ihr teilt und die eine Bedeutung für euch haben?

Wir kuscheln morgens gerne erst mal und beginnen den Tag so. Ich liebe das! Wir machen das noch gar nicht so lange, aber wir genießen das alle drei sehr: diese frische Morgenenergie ohne Stress oder das Gefühl von abgearbeitet sein, das wir am Abend oft haben. Wir können es immer sehr auskosten, wenn wir zwar zusammen sind, aber jeder so seins macht. Im Urlaub hatten wir das gerade. Wir waren DA und zusammen, den ganzen Tag, aber jeder von uns ist seinen Dingen nachgegangen. Das ist total schön.

17. Dein Lieblingskompliment, das deine Kinder dir mal gemacht haben?

Die Große hat neulich nach dem gemeinsamen Lesen zu mir gesagt: “Du bist echt die schönste Mama der Welt.” Und ich freue mich dann immer so, wenn ich merke, dass sie mich so sieht, weil ich mich selbst ja oft gar nicht so fühle: die beste, schönste, liebste Mama der Welt.

18. Deine Liebeserklärung an deine Kinder?

“Du bist das beste, was mir je passiert ist!” Das ist dieser eigentlich ziemlich platte Liedtext von Silbermond, aber der fällt mir immer ein, wenn ich an meine Kinder denke. Das stimmt für beide so sehr. Die Kleine ist für mich der wonnigste Mensch der Welt und ich bin dankbar, so eine kleine Sonne jeden Tag um mich haben zu dürfen. Und die Große ist für mich der authentischste Spiegel, den ich je hatte und das ist ein riesiges Geschenk. Sie bringt mich an alle meine Grenzen und darüber hinaus. Außerdem ist sie der authentisch zärtlichste Mensch, den ich kenne: wenn sie streichelt, gerät die Welt aus den Fugen.

19. Ist es dir wichtig, was andere Mütter (auch beispielsweise innerhalb deiner Familie) über dich denken?

Manchmal ist es schwer, wenn alle um mich herum so zugewandt mit ihren Kindern plaudern, zum Beispiel beim Bringen in der Kita und meine Tochter schreit mich an: “Du bist ne Scheiß-Mama, hau ab!” Es nagt dann aber eher an mir, dass sie das sagt, nicht unbedingt, was die anderen denken. Aber das macht es natürlich nicht leichter. In solchen Situationen fällt es mir relativ schwer, mich davon unabhängig zu machen, was andere Mütter denken.

20. Vergleichst du dich mit anderen Müttern? Wenn ja: eher um dich abzugrenzen oder um dich zu bestätigen?

Ich suche weniger Rat aber oft Verständnis bei meiner Freundin, gerade wenn etwas nicht so toll gelaufen ist mit den Kindern. Ich weiß es, dass mein Verhalten nicht ideal war und sie weiß es auch, aber sie gibt mir im Gespräch dennoch das Gefühl, dass es ok ist, dass das eben mal passieren kann, weil ich ein Mensch bin und keine Mutter-Maschine. Es entlastet mich, wenn sie mir dann von sich erzählt und von ihren eigenen “Erziehungsverfehlungen”. Das gibt mir so eine Art freundschaftlich-wissende Absolution, weil ich weiß, sie beschwichtigt mich jetzt nicht, obwohl sie es besser weiß, sondern im Gegenteil: sie weiß es. Wir wissen es beide und das tut gut.

21. Gibt es Mütter oder Müttergruppen in deinem Umfeld, denen du dich zugehörig fühlst? Wie wichtig ist dieses Gefühl für dein Muttersein?

Nein, das habe ich eigentlich gar nicht. Ich bin gerne mit meinen Freundinnen und ihren Kindern zusammen, und wir besuchen sehr regelmäßig die Freunde mit Kindern und verbringen Zeit zusammen. Aber da geht es nicht explizit um Mütter oder auch nicht um Themen, die mit Kindererziehung o.ä. zusammenhängen. Wir reden untereinander darüber, wenn wir es brauchen, wie ich es eben schon beschrieben habe. Oder auch, um mal etwas Schönes zu teilen. Aber ich suche mir keine Mütterzusammenhänge, in die ich mich einsortieren würde. Damit fühle ich mich nicht wohl.

Aber ich lese sehr gerne, was andere Mütter denken. Ich finde die Standpunkte interessant und mag mich da gerne mit beschäftigen, aber das ist nicht an ein Gruppengefühl oder einen Austausch gebunden. Das nutze ich eher als Abgleich oder Orientierung, das mag ich sehr.

22. Was wünschst du dir von anderen Müttern?

Ich wünschte, alle Mütter würden sich draußen, außerhalb ihrer gesicherten vier Wände, ihren Kindern gegenüber konsequent so verhalten, wie drinnen. Das fände ich toll. Dann wüsste man nämlich ganz authentisch, wie das eigentlich in den Familien abläuft und könnte mit diesen blöden, gesellschaftlichen Normen, die alle Mütter stressen, einfach mal aufräumen. Ich fände es superspannend zu sehen, wie andere Mütter auch mal mit schwierigen Situationen mit ihren Kindern umgehen, ohne dabei immer im Hinterkopf zu haben, was die anderen denken. Es wäre so wichtig, wenn wir da alle echt wären! Das würde uns alle entlasten und vielleicht auch neue Wege zeigen, wie man es noch machen könnte. Keine Rolle mehr spielen müssen unter Müttern, mehr zeigen, wer wir sind – das wünsche ich mir. Für mich und für alle anderen Mütter.

23. Der Moment deiner größten Verunsicherung als Mutter?

Am schwierigsten finde ich, wenn sie zu irgend etwas, das ich von ihnen möchte, einfach Nein sagen und ich vor einer totalen Verweigerungshaltung stehe. Dann bin ich unglaublich unsicher und mir fällt nichts Gutes ein, wie ich das lösen könnte. Ich weiß dann oft nicht, wie wir eine gute Lösung finden, in der ich zum Beispiel die Autonomietendenzen meiner großen Tochter respektiere, ohne meinen Anspruch aufzugeben, selbst die Ansagen zu machen. Das fällt mir schwer.

24. Der Moment deiner größten Selbstversicherung als Mutter?

Immer, wenn ich eine kleine Reise vorbereitet habe, sei es auch nur zu Freunden aufs Land: ich habe das Auto gepackt, jedes Kind sitzt an seinem Platz, jedes hat sein Kuschelkissen, ich habe meinen Getreidekaffee neben mir und dann sage ich “Jetzt geht’s los!” – das fühlt sich wunderbar an. Wir freuen uns auf das, was wir gemeinsam erleben werden, es ist für alle gesorgt und jeder hat seins. Dann habe ich dieses Gefühl von… jeder ist an seinem Platz und alle sind zusammen. Und genau so ist es richtig, denn wir gehören zusammen.

Liebe Katharina, ich danke dir von Herzen für das spannende Interview, und ich freue mich sehr, dass du dabei bist bei “Die Gute Mutter”. Shine on!

Meine Dankbarkeit heute fasse ich mal ziemlich kurz und ausnahmsweise in einen Satz: ich bin zutiefst dankbar, im Rahmen meines Interviewprojektes so viele interessante und vor allem so verschiedene Mütter kennenlernen zu dürfen, die mir so tiefe Einblicke in ihre Biographien und ihr Selbstverständnis als Mütter geben – das ist ein Geschenk, das mir jeweils Die Gute Mutter macht und das mich immer wieder berührt.

Passt gut auf euch auf, ihr Supermoms und Wonderwomen da draußen!

 

signatur

5 Kommentare

  1. Ein ganz wunderbares Interview, mit einer sehr inspirierenden Frau. Mir ging es seinerseits ähnlich. Auch wir hatten ein Schreikind. Mir persönlich tut es bis heute gut zu sehen, dass man damit nicht allein da steht. Herzlichen Dank an euch 2!

  2. Ich bin heute dankbar dafür, dass ich Katharina hier wieder sehe – konnte ich sie doch vor kurzem in einer Eltern-Kind-Gruppe nur ein wenig kennenlernen – ein tolles Interview einer wirklich inspirierenden Frau und Mutter! Danke dafür! Liebe Grüße, Carolin

  3. Mensch, wo treibst Du nur immer diese wunderbaren Mütter auf, die so verschieden und gleichzeitig so toll sind? Ich bin total begeistert. Teilweise erkenne ich mich zu 100% wieder und an anderen Stellen bin ich ganz anders. Schön! Danke Anna für diese Reihe.
    Danke Katharina für die Offenheit und ehrliche Energie.

  4. Tolles Interview! Erkenne mich bei vielem wieder, vor allem wenn es um die Gefühle nach der Geburt geht: auch ich wurde dann regelmäßig panisch, wenn mein Baby aufwachte ;)

    Mein Blog: One Year of Sunday

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