Dieser Artikel ist überfällig, schon lange. Nicht nur, weil mich das Thema damals sehr bewegt hat: Regretting Motherhood. Nicht nur, weil ich eine der Mütter bin, die immer wieder verbale Dresche dafür kriegt, dass sie in dieser (Mutter)Rolle grundglücklich ist, trotz aller Herausforderungen, Abgründe, der riesigen Aufgabe, die auch mich mitunter erdücken kann – wie uns alle. Nicht, weil es hier um mich ginge. Darum nicht. 

Sondern weil es in dieser ganzen (wichtigen) Diskussion über #regrettingmotherhood eine Gruppe Menschen gibt, denen keiner zuhört, die keine Stimme und kaum eine Lobby haben: es sind die Kinder der Mütter, die ihre Mutterschaft nachhaltig bereuen. Und nein, ich meine nicht die Mütter, die manchmal ausbrechen wollen, die sich nach Ruhe und ungestörtem Nachtschlaf sehnen, die sich nach Pausen sehnen, nach Entlastung und nach Unterstützung. Die meine ich nicht.

Es geht um die Mütter, die niemals, ihr ganzes Leben lang nicht mit ihrer Mutterrolle klar kommen und darum, wie sie damit umgehen. Denn so sehr ich auch verstehe, dass es wichtig für sie ist, das äußern zu dürfen, sich ausdrücken zu dürfen, das sein zu dürfen, was sie sind – so sehr bricht es mir das Herz für ihre Kinder, die ja nunmal da sind. Sie sind diejenigen, die den Zustand des Mutterseins für ihre Mütter hergestellt haben. Sie sind diejenigen, die womöglich irgendwann irgendwo deren Ablehnung dieser Mutterrolle nachlesen können. Sie sind diejenigen, die die Ablehnung möglicherweise schon ihr Leben lang spüren, eine ganze Kindheit hindurch und die damit leben müssen.

Wie geht es diesen Kindern? Wie geht es ihnen, wenn sie erwachsen sind? Wie gehen sie damit um, dass sie der Faktor im Leben ihrer Mütter sind, der diese nachhaltig unglücklich gemacht hat?

Brief an eine Mutter | Berlinmittemom.com

Als die Diskussion um Regretting Motherhood im Netz hochkochte und ich den Text über den Unterschied zwischen Ambivalenz und Bereuen veröffentlichte, schrieb mir ein solches Kind. Eine Leserin, deren Mutter ihr im Alter von 12 Jahren sagte, sie habe sie besser gar nicht bekommen. Sie wünschte sich, gehört zu werden. Eine Stimme zu bekommen. Einen Platz, wo sie öffentlich und dennoch geschützt sagen darf, wie sich das anfühlt, das Kind zu sein in dieser ganzen Situation. Das Kind, dessen Mutter bereut, Mutter geworden zu sein.

Heute, endlich, bekommt sie hier diesen Raum. Ich teile mit euch hier ihren selbstgeschriebenen Text und ein Interview mit ihr, in dem sie mir Fragen zu ihrer Perspektive auf Regretting Motherhood beantwortet hat. Please, meet Karen.

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Ich bin Karen, 36 und wohne im Rheinland. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder, knapp 5 und knapp eineinhalb. Ich arbeite in Teilzeit und liebe Musik und Nähen. Meine Kinder sind mir das Wichtigste im Leben. Ich lache am liebsten, aber auch Weinen gehört für mich fest zum Leben dazu. Gerne auch einfach nur bei nem schwülstig-romantischen oder tragischen Film. Gefühle ganz im Allgemeine sind mir einfach wichtig. Ich finde, sie machen das Leben aus.

" (…)

Regretting Motherhood 

Regretting – Bereuen. Das heißt, man hätte eine bestimmte Sache am liebsten nicht getan oder gesagt. Nicht gemacht. Sich rechtzeitig anders entschieden.

Motherhood – Mutterschaft. Kindern haben.

Man hätte also am liebsten doch keine Kinder bekommen. Man würde die Entscheidung, die pure Tatsache gerne rückgängig machen. Man hätte sich am liebsten dagegen entschieden.

Mit 12, ich weiß sogar noch, wo wir gerade lang fuhren, sagte meine Mutter im Auto zu mir: „Weißt du, wenn ich nochmal die Wahl hätte, ich würde keine Kinder bekommen.“ Wir waren auf dem Weg zum Einkaufen und es traf mich direkt in die Magengrube. 

Der Einschlag hatte sein Ziel voll getroffen, wenn auch höchstwahrscheinlich unbeabsichtigt. Gefühlt minutenlang saß ich da, wie vom Donner gerührt. Was hatte meine Mutter da gerade gesagt? Sie hätte am liebsten keine Kinder?

Sie hätte am liebsten keine Kinder. Aber ich war doch ihr Kind! Ich war das eine ihrer zwei Kinder. Verwirrung machte sich in mir breit. Mich hätte sie am liebsten besser doch nicht? Oder wie meinte sie das? Ich merkte, wie sich in meinem Hals der berühmte Kloß bildete, dann das leichte Brennen in den Augen, das ich vergeblich versuchte, zu unterdrücken. Sekunden später liefen mir doch Tränen die Wangen runter. 

Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Erwartete sie jetzt eine Antwort? Einen Kommentar, wie von einer Unbeteiligten? Eine Entschuldigung für meine Existenz? Verzweifelt schaute ich aus dem Seitenfenster, weil mir nichts Besseres einfiel und ich nicht wollte, dass meine Mutter mein Gesicht sieht. Nach gefühlten Minuten, wahrscheinlich waren es aber nur ein paar Sekunden fragte meine Mutter: "Warum weinst du denn jetzt?" Vielleicht sagte ich sowas wie ein leises "Weiß auch nicht" oder so. Ich erinnere mich nicht mehr genau. 

Ich weiß noch nicht mal mehr, ob meine Mutter noch etwas sagte. Ich vermute es. Ich vermute fast, sie versuchte, mein Verständnis zu bekommen, mit Erklärungen, Wieso weshalb warum…

Aber ich konnte nicht mehr zuhören, denn in meinem Kopf hatte sich der Satz eingenistet:  "Wenn ich nochmal die Wahl hätte, ich würde keine Kinder bekommen." Und langsam verwandelte er sich in ein: "Am liebsten hätte ich deinen Bruder und dich nicht bekommen." Irgendwann habe ich den Satz unter anderen Dingen in meinem Gehirn begraben. Immer mal wieder kam er dennoch in mein Bewusstsein. Ich wiederholte ihn nur einmal vor einer guten Freundin. So richtig darüber nachdenken wollte ich nie.

Dann kam im letzten Jahr auf einmal, ja, diese Bewegung auf. Die Regretting Motherhood-Bewegung. Ich überlegte, wie ich dazu stand. Ich bin im Grunde immer dafür gewesen, die Dinge anzusprechen. Damit etwas getan und damit etwas verändert werden kann. Bei diesem Thema aber, war ich mir plötzlich nicht so sicher. Ich stellte mir vor, wie ich öffentlich über meine Söhne sagte, ich wäre glücklicher, wenn es sie nicht gäbe. 

Mir kamen die Tränen. Diese zwei unschuldigen Wesen, die ich über alles liebte! Um Gottes Willen. War es das wert, diese kleinen Herzen so zu verwunden, nur, um es einmal ausgesprochen zu haben? Was würde sich danach ändern? War es das wirklich wert? Wie mussten sich diese all Kinder fühlen, deren Mütter jetzt wie in einer Welle öffentlich bekannten, sie bereuten ihre Existenz?

Irgendwann dämmerte es mir dann, dass ich selbst ein eben solches Kind war. Ich las gerade einen der zahlreichen Artikel darüber und dachte plötzlich: „Hey, was hat Mama nochmal zu mir gesagt damals? „Wenn ich nochmal die Wahl hätte, ich würde keine Kinder bekommen.“ Das war es doch, oder?

Ja, ich war die Tochter einer bereuenden Mutter. Einer Mutter, die nicht der Öffentlichkeit sondern ihrem Kind persönlich, als wäre es eine enge Vertraute, eine gute Freundin, reinen Wein eingeschenkt hatte. Hatte sie gedacht, mit 12 kann ich sowas vertragen? Kurz vor der Pubertät? Kurz bevor sowieso mein ganzes Selbst erstmal ins Wanken geriet? Oder hatte sie sich einfach gar nichts dabei gedacht? Hatte sie so wenig Gefühle für mich, dass sie sich tatsächlich nicht vorstellen konnte, dass es mich unglaublich verletzen und mir für lange lange Zeit unendlich weh tun würde?

Mütter bezeichnen ihre Kinder normaler Weise als Augenstern, als ihr Ein und Alles, das Liebste was sie haben auf der Welt. MEINE Mutter hätte mich am liebsten eingetauscht, wenn sie nochmal die Wahl gehabt hätte. Gegen persönliche Freiheit vielleicht. Auf jeden Fall hätte sie mich hergegeben, um die Last, (meine) Mutter zu sein, nicht tragen zu müssen. Vielleicht hatte sie das so nun auch nicht gemeint, aber ich habe es damals so verstanden und mitgenommen in mein restliches Leben.

Was das für mein Selbstbewusstsein und vor allem mein Selbstwertgefühl bedeutet hat, kann ich nicht sagen. (…)" (Karen)

Regretting Motherhood | Berlinmittemom.com

1. Regretting Motherhood – in welchem Zusammenhang hast du zum ersten Mal davon gehört und wann hast du für dich begriffen, dass das ganz viel mit dir zu tun hat?

Ich glaube, das erste Mal habe ich die israelische Soziologin Orna Donath in einem Beitrag im Fernsehen gesehen, wo sie über das Phänomen Regretting Motherhood sprach. Aber so richtig zusammengebracht habe ich es da noch nicht. Irgendwann musste ich wieder an die Szene im Auto denken, es kamen ja dauernd neue Artikel und Beiträge in den Medien. Da machte es irgendwann klick. Und da brach alles plötzlich auf.

2. Wie nimmst du die Diskussion darum wahr?

Mir kommt es irgendwie so vor, als soll es ein Befreiungsschlag für die moderne Frau und Mutter sein. Das man e n d l i c h aussprechen darf, dass die Mutterschaft eben nicht für jede Frau per sé die Erfüllung ist. Was ich ja genauso sehe! Niemand muss ja Kinder bekommen, um wirklich Frau zu sein. Und bereuen kann man wahrscheinlich alles im Leben, eben auch Mutter geworden zu sein, auch wenn ich mir das selbst nicht vorstellen kann. Ich finde allerdings, dass man einfach trotzdem ab dem Beginn einer Schwangerschaft für die unschuldigen Wesen in seinem Bauch eine große Verantwortung trägt. Deshalb ist es in meinen Augen schwierig, das Ganze öffentlich zu machen, wenn man Mutter ist.  Denn aus Kindessicht ist es einfach furchtbar zu wissen, dass man im Leben jenes Menschen, den man als Kind bedingungslos liebt, im Leben der eigenen Mutter genau der Teil ist, den diese am liebsten rückgängig machen würde. Das ist einfach ein Scheißgefühl.

3. Gibt es für dich aus Sicht einer Mutter nur ein "JA" zur Mutterschaft oder kannst du dir echte Reue in dem Zusammenhang vorstellen, die dennoch nicht verletztend für ein betroffenes Kind sein muss? Regretting Motherhood ohne ein verletztes Kind?

Hm, das ist genau der Punkt. Ich denke, sowas wird immer verletzend für das Kind sein. Viele sagen, sie lieben ihr Kind trotzdem, aber bereuen doch, es bekommen zu haben. Das geht für mich persönlich einfach nicht zusammen. Dann ist es für mich auf jeden Fall keine Mutterliebe. Und ich finde es schlimm, wenn Kinder diese nicht erfahren, obwohl sie eine präsente Mutter haben. Seit ich eigene Kinder habe, glaube ich zu wissen: Mutterliebe ist ein so erfüllendes und unglaubliches Gefühl, dass es unmöglich sein kann, dass man gleichzeitig bereut, Mutter zu sein. Denn schon allein wegen  dieses Gefühls würde ich meine Kinder niemals hergeben! So etwas ist einmalig und ich werde es niemand anderem gegenüber je fühlen. Ganz oft schaue ich meine Kinder an und denke mir: wie kann man jemanden so unglaublich lieben?

Furchtbar aufgeregt habe ich mich übrigens über die Autorin des Buches "Die Mutterglück Lüge". Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es der jetzt glaube ich 4jährigen Tochter gehen mag, wenn sie es jemals lesen oder darauf angesprochen werden sollte. In einem Interview mit ihr in der Welt, beklagt sie sich darüber, dass sie als Mutter nur kritisiert würde, das mache ihr Leben so schwer. Sie macht ihr Umfeld dafür verantwortlich, dass sie es bereut, Mutter geworden zu sein. Es tut mir leid für sie, dass sie unglücklich ist und sich von ihrem Umfeld unter Druck setzen lässt. Aber kann man da nicht einfach versuchen, drüber zu stehen und seinen eigenen Weg zu finden? Sich mit Leuten umgeben, die einem gut tun? Ich weiß nicht. Wir sind hier in Deutschland, wo man so frei leben kann, wie kaum irgendwo anders auf der Welt! Mein Gefühl ist, solche Mütter gehen zu naiv in ihre Schwangerschaften und denken, das Leben wird sich schon nicht so sehr verändern. Aber wie kann man sich Kinder wünschen, wenn sich das Leben gleichzeitig bitte nicht verändern soll? Die Kinder sind dann die, die darunter leiden müssen.

Das ist meine Sicht. Sie ist natürlich sehr subjektiv und emotional. Aber solche Fälle des Bereuens, für die habe ich kein Verständnis. Diese Kinder tun mir einfach nur leid.

4. Du bist ein betroffenes Kind. Was würdest du Müttern sagen/raten, die bereuen, Mutter geworden zu sein?

Auch wenn es hart ist, sagt es euren Kindern nicht, so lange sie nicht erwachsen sind. Vertraut euch einer guten Freundin an, die es nicht weitererzählt, wenn ihr den Ballast loswerden wollt, was ich durchaus verstehen kann. Denn auch wenn ich es mir selbst nicht vorstellen kann, diese Mütter suchen sich ihr "Reuegefühl" ja auch nicht aus…

5. Kannst du sagen, wie dein Status als betroffenes "bereutes Kind" dein eigenes Muttersein berührt?

Ich vermeide meinen Kindern gegenüber zum Beispiel wertende Sätze wie: Ihr seid unmöglich", "du bist furchtbar", "mit euch kann man nirgendwo hingehn". Die Lieblingssätze meiner Mutter… Denn ich will nicht, dass sie jemals denken, sie seien falsch, so wie sie sind…  Nicht falsch verstehen, ich flippe genauso mal aus, wenn die Zeit drängt und schimpfe und maule, wenn ich müde bin. Aber ich beziehe mich dann nur auf nervende Verhaltensweisen. Nie auf das Wesen der Kinder. Und ich entschuldige mich, wenn ich unfair war (was meine Mutter kein einziges Mal bei mir getan hat.) Und ich sage ihnen, wann immer mir danach ist, dass ich sie lieb habe und immer haben werde, egal was passiert. Und das nicht nur, wenn wir eh kuschelnd irgendwo sitzen, sondern gerade, wenn sie frech sind oder wir uns gestritten haben. Mein Mann muss manchmal richtig darunter leiden, weil ihn oft dafür angehe, dass er einfach nicht so viel darüber nachdenkt, was er zu den Kindern sagt oder wie. Ich werde da manchmal richtig panisch und hysterisch, weil ich immer Angst habe, die Kinder fühlen sich ungeliebt oder eben falsch. Früher wusste ich nie, warum mich das so aus dem Konzept bringt. Jetzt weiß ich, dass es mein eigenes Verletztsein ist.

6. Wenn du zurück könntest in die Situation damals mit 12 – was würdest du deiner Mutter gerne sagen?

Puh. Ich weiß es nicht. Vielleicht, ob ihr klar ist, dass sie mir gerade sagt, dass sie sich wünscht, es hätte mich nie gegeben, ihre Tochter, die ihr gerade gegenüber sitzt? Auch wenn sie es wahrscheinlich nicht so gemeint hat. Und ich würde sie fragen, ob sie sich vorstellen kann, wie sich das für mich anfühlt.

7. Wie ist euer Verhältnis heute?

Komischer Weise wird es jetzt ein wenig besser. Sie sagt oft, dass sie findet, dass ich meine Sache als Mutter gut mache. Das bedeutet mir viel. Ihre beiden Enkel liebt sie. Aber zwischen uns ist es nie so, wie zwischen mir und meinen Kindern. Nicht im Entferntesten. Im Nachhinein – und das finde ich schlimm – kann ich mich an keine Situation erinnern, in der sie mir gesagt hat, dass sie mich lieb hat. Das heißt aber nicht zwingend, dass es das nie gab. Aber dass ich mich nicht daran erinnere, heißt eben auch etwas. Sie hat mich natürlich in den Arm genommen, wenn ich geweint habe. Sie war nicht kalt zu mir. Aber ihr Umarmungen hatten irgendwie immer eine unterschwellig wahrnehmbare Distanz. Und sie hat zu viele Sätze zu mir gesagt, die ich niemals zu meinen Kindern sagen könnte. Nach meiner ersten Theater-Aufführung in der Schule, wo ich vor Glück sprudelnd von der Bühne direkt auf sie zu lief um zu erfahren, wie sie es fand, umarmte sie mich und sagte lächelnd: "Naja, Schauspielerin solltest du nicht werden." An Weihnachten, als ich unsere Weihnachtsliedergesang mit der Gitarre begleitete sagte sie: "Ich dachte du könntest schon mehr!" In regelmäßigen Abständen riet sie mir: "Weißte was, bekomm lieber keine Kinder" und selbst als bei uns die Diskussion um Nummer 2 entbrannt war (ich wollte ein zweites Kind, mein Mann war sich nicht sicher), sagte sie "Weißt du, Geschwister sind nicht immer ein Segen. Manchmal denke ich mir, dein Bruder wäre auch besser ein Einzelkind geblieben." Das hat mich erneut sehr getroffen. Richtig gut könnte unser Verhältnis nur werden, wenn ich die Sache mit ihr klären könnte. Ich weiß allerdings nicht, wie sie reagieren würde, wenn ich sie darauf anspräche. Ich könnte mir vorstellen, sie würde sagen, dass sie so etwas doch nie gesagt hätte. Das sagt sie immer, wenn ich sowas anspreche. Oder sie würde total ausflippen und sagen, ich wüsste ja gar nicht, wie es in ihr ausgesehen hat damals – was ja auch sein mag. Ich will es nicht wieder schlimmer machen, deshalb wird es wohl erstmal zwischen uns stehen bleiben.

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Liebe Karen, ich danke dir für deine Offenheit und dafür, dass du mir, uns allen hier deine sehr persönliche Geschichte anvertraust. Ich finde es bewundernswert, wie du deine Situation reflektierst und dich bemühst, das Phänomen Regretting Motherhood dennoch anzuerkennen – auch wenn du mit deiner eigenen Mama damit so schmerzhafte Erfahrungen machen musstest.

Für mich persönlich ist es vor allem von Bedeutung, dass mit dem ganzen Thema differenziert umgegangen wird, denn natürlich gibt es Mütter, denen es in ihrer Mutterrolle schlecht geht und es ist wichtig, dass sie gehört werden, ohne gesellschaftlich als "schlechte Mutter" o.ä. gelabelt und verurteilt zu werden. Aber die echte Reue im Bezug auf die eigene Mutterrolle ist eben doch noch etwas ganz anderes, als die Überforderung, die viele Mütter aus dem Alltag mit ihren Kindern kennen. Ich finde, in der ganzen Debatte wurde da viel vermischt, was nicht zusammen gehört.

Und die Kinder, die wurden ganz und gar vergessen. Daher bin ich dankbar für diesen neuen Blick auf Regretting Motherhood, den Karen heute hier mit uns teilt. Wie geht es euch damit?

25 Kommentare

  1. meine mutter sagte mir, dass sie kein geld für kondome hatten. deshalb hätten sie kinder bekommen. das prägt einen ein ganzes leben. man fühlt sich irgendwie nicht willkommen auf dieser welt. es gibt frauen, die besser keine kinder bekommen sollten. kinder, die willkommen sind, haben ein besseres selbstvertrauen und kommen auch besser durchs leben. mittlerweile bin ich schon oma und habe erst durch therapien ein besseres lebensgefühl. das ist doch eigentlich traurig.

     

     

  2. Vielen Dank für diesen Artikel und das Interview! Genauso sehe und empfinde ich das auch, für mich ist es einfach ein unglaubliches Leid, was für die Kinder entsteht, wenn die Mutter (oder der Vater) den Wert ihrer Existenz als nichtig erklären. Das ist grausam und egoistisch und es zeigt nichts weiter als einen völligen Mangel an Emphatie seinen Kindern gegenüber. Ich bin auch das erwachsene Kind einer bereuenden Mutter, meine ganze Kindheit hindurch durfte ich spüren, wie sehr ich sie in ihrer Freiheit eingeschränkt habe, wie viel leichter es ohne mich wäre, was für eine Last ich sei. Und ich war ein ruhiges und pflegeleichtes Kind. Wie oft hat mir diese Frau empfohlen, sich ja nicht diese Zumutung eigener Kinder anzutun, sie wolle auch keine Enkelkinder. Tja, was soll ich sagen, ich habe die logische und natürliche Konsequenz durchgeführt: Kompletter Kontaktabbruch. Seitdem ist mein Leben friedvoller, glücklicher und harmonischer. Das einzig Gute an solchen Müttern ist nämlich, dass sie keine Lücke hinterlassen, denn sie waren ja nie da. 

    • Kontaktabbruch war auch für mich eine gute Lösung. Aber vergessen kann man dadurch nicht. Es bleibt die Traurigkeit über das Ersehnte und nie Bekommene. Damit muss man auch ohne Kontakt klar kommen. 

  3. Meine beste Freundin hatte eine Mutter, die absolut keine Kinder gewollt hatte und es ihren beiden mehrfach gesagt hat. Wie wäre ihr Leben anders verlaufen, wenn sie nicht schwanger geworden wäre! Meine Freundin leidet darunter bis heute. Aber ich denke, auch wenn es nicht ausgesprochen wird, merkt ein Kind, wenn es eigentlich nicht gewünscht wurde.

    "Aber kann man da nicht einfach versuchen, drüber zu stehen und seinen eigenen Weg zu finden?" sagt die Interviewpartnerin an einer Stelle in einem etwas anderen Zusammenhang. Ich denke: nein. Ein erwachsener Mensch, der mit seinem Leben hadert, kann nicht einfach "darüber stehen". So wenig, wie eine Mutter, die ihre Kinder eigentlich nicht wollte, so tun kann, als seien ihre Kinder ihr großes Glück. Das ist ganz schrecklich – vor allem für die Kinder, aber auch für die Mütter. Nur ändern kann man solche Situationen nicht. Und so zu tun, als sei alles gut, ist nicht wirklich eine Lösung.

    Meine Mutter hat mich gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Sie wollte und konnte mich nicht behalten. Das war eine gute Entscheidung für uns beide, denn für meine Adoptiveltern wurde ich das gewünschteste Kind überhaupt. Ich kenne also beides. Man muss sich als erwachsener Mensch, der man irgendwann wird, mit Dingen aus seiner Kindheit auseinandersetzen. Zum Beispiel, indem man darüber spricht. Deshalb finde ich diesen Beitrag gut, der vielleicht zu solchen Gesprächen beiträgt.

    • Liebe Gaby,

      ich glaube, das mit dem "drüberstehen" bezog sich nicht auf bereuende Mütter an sich, bei denen sich einfach kein ausfüllendes Muttergefühl einstellt (wofür ja tatsächlich keiner was kann) sondern auf die Autorin des angesprochen Buches, die sich über die Gesellschaft beschwerte, die sie dazu bringt, zu bereuen und auf die Tatsache, dass sie dies in einem Buch niedergeschrieben hat, obwohl ihr Kind noch sehr klein ist…

      • Ja, ich weiß. Deshalb habe ich dazu geschrieben "in einem etwas anderen Zusammehang". Aber ich fand trotzdem, dass das da so mitschwang in dem ganzen Text. Dass Mütter sich überlegen sollten, was sie ihren Kindern sagen und ob sie ihren Kindern sagen sollten, dass sie sie nicht wirklich gewollt haben.

        Dabei bleibt für mich die Frage offen, was eine Mutter, der es so geht, denn tatsächlich tun kann. Denn das Gefühl – ob sie es nun offen ausspricht, wie die Mutter in dem Interview oder nicht- wird das Kind auch unbewusst spüren. Da hilft es nicht, einfach so zu tun, als sei alles in Ordnung. Das ist ein Drama. Ungeliebte Kinder leiden da ihr ganzes Leben drunter. Aber ich sehe hier keinen Lösungsansatz. Das wollte ich sagen.

      • Liebe Gaby, ja, diese Frage bleibt offen. Ich glaube, es geht auch nicht darum, sie hier zu beantworten. Nur um die Anerkennung dieses Aspektes: wie geht es den Kindern damit, zu wissen, dass ihre Mütter sie lieber nie bekommen hätten?

        Ich bin eine große Verfechterin von Müttermut und Mütterrechten und sehe es auch als Problem, dass Müttermythen allenthalben es vielen schwer machen, weil sie Druck erzeugen, unrealistische Erwartungen schüren (auch bei den Müttern selbst) und Versagensgefühle sowie -ängste produzieren. Das ist alles nicht gut und muss thematisiert werden. Aber ich möchte nicht das Leid der Kinder dadurch relativiert wissen, dass wir das Leid der Mütter dagegen stellen. Ich kann nicht sagen, welches schwerer wiegt.

        Alles Liebe, Anna

  4. Ein sehr bedrückendes Interview bei dem ich sehr gut mitfühlen konnte. Auch meine Mutter hat sich stets so verhalten, dass mir klar war, ich war nicht erwünscht. Das Schlimme ist für die Kinder vor allem, dass sie in dem Glauben aufwachsen selbst Schuld für diese Gefühllosigkeit zu sein. So war es zumindest bei mir. Wenn man nur lieb genug ist und immer hört, dann wird man bestimmt irgendwann geliebt. Tja, leider stimmte das bei mir nicht. 

    Mindestens genauso schmerzhaft war dieses Gefühl als ich dann selber Kinder hatte und spürte wie "einfach" und natürlich es ist sein Kind zu lieben. Weder muss ich mich dafür bemühen, noch muss mein Kind etwas dafür tun!!

    Das Wichtige für Kinder solcher Mütter wird sein nicht die selben Fehler zu machen. Dann kann man versuchen damit leben zu lernen nicht selbst geliebt worden zu sein. Ich wünsche das allen Betroffenen sehr, diese bedingungslose Liebe wenigstens dann kennenzulernen. 

  5. Liebe Anna Luz,

     

    danke für diesen einfühlsamen Post. Immer wenn ich über "wäre besser gewesen wenn nicht…" lese stelle ich mir genau diese Frage. Wie mag es einem Kind, das mit einer Mutter aufwächst die so sehr gefangen ist in ihren negativen Gefühlen, wohl gehen. Danke das du diesen "bereuten" Kindern eine Plattform gegeben hast!

     

    LG Ina

  6. Liebe, danke für den Beitrag. Ich denke diese Sicht der Kinder ist eine gute Ergänzung und rundet die Debatte um #regrettingmotherhood ab. Es wurde viel vermischt (was gar nicht in die Debatte gehörte), da gebe ich dir recht. Nichtsdestotrotz finde ich genau wegen des Leids der Kinder (nicht nur der Frauen), dass #regrettingmotherhood eine sehr wichtige Debatte war.

    Zu zeigen: Ja, es gibt Mutter-Unglück. Also Unglück, das nicht aus den strukturellen Rahmenbedingungen kommt, sondern aus dem Mutter-Sein selbst. Denn, nein, das Glück kommt nicht automatisch mit der Geburt. Dass es sich eine wirklich gut überlegen muss, ob sie Elter sein will. Nicht nur, weil es eben so ist. Weil es zum Frau-Sein dazugehört. Ja, das ist anstrengend. Sich gegen die Norm zu stellen. Aber darum ist es eben wichtig, klar zu machen, was diese Norm ist.

    Und die Debatte war auch wichtig und meiner Meinung nach "befreiend" für betroffene Kinder: Ja, es gibt so etwas wie destruktive-Mutter-Kind-Beziehungen. Das lag nicht an Dir. Das Problem war/ist deine Mutter. Auch da wäre ein Bruch mit der Norm gut. Vielleicht gab es eine tolle Vater-Kind-Beziehung, die viel auffing? Weil diese uneingeschränkte LIebe und Fürsorge kann auch von einer anderen Person kommen.

    Das alles offen zu legen, ist so wichtig. Damit alle aus allen Perspektiven sprechen können. Denn ja, wenn man seinem Kind sagt, es zu bereuen, Mutter geworden zu sein, dann ist das ein großer Vertrauensbruch. Es kommt auf den Kontext und die Art der Beziehung sonst an, aber es kann, wie man oft gelesen hat und hier heute bei dir wieder, fast eine Art Trauma auslösen. Aber: Muss nicht. Ich denke, man kann sowas auch anders (im Erwachsenenalter zB) kommunizieren und wenn es dennoch viel Liebe gegeben hat, muss das nicht unbedingt derart verletztend sein. Aber wenn eine Beziehung stark ist, dann kann man einschätzen, was sie aushält. Und sich durch die Ehrlichkeit auf einer anderen Ebene näherkommen.

    • Ich danke dir für deinen differenzierten und klugen Kommentar. Du hast völlig recht: die Debatte ist wichtig und alle Aspekte sollten Raum bekommen. Dazu würde mich tatsächlich auch noch ein betroffener Vater interessieren: was sagt er zu der Mutter seiner Kinder, die ihre Rolle ablehnt? Wie fühlt sich das an und was bedeutet das für die eigene Rolle als Elternteil?

      Ehrlichkeit zwischen den Betroffenen wäre natürlich das Ideal, aber ich glaube, das ist wirklich herausfordernd. Dass meine Interviewpartnerin Karen ebenfalls vor einer Konfrontation mit der Mutter zurückschreckt, kann ich nachvollziehen: wer einmal gehört hat, er sei besser nicht da, hat in diesem Kontext vielleicht ein Problem mit Ehrlichkeit. 

      Und Überforderung. Überforderung ist auch so ein wichtiger Aspekt in der ganzen Debatte, denn hier sind alle überfordert, Mütter und Kinder. Ich weiß ganz ehrlich auch keine Antwort auf die Frage danach, wie es denn “richtig” wäre, was denn wen weniger verletzen würde oder wessen Leid schwerer wiegt. Heute ging es mir jedenfalls um die Anerkennung des Leids der Kinder in dieser Beziehung. Nicht mehr und nicht weniger.

      Ganz liebe Grüße, Anna

  7. Es gibt Leute…und dazu zähle ich mich auch – die haben eine Mutter nur auf dem Papier.

     

  8. Liebe Anna,

     

    ich begebe mich jetzt mal in die Höhle des Löwen. Ich war im letzten Jahr auch an der Diskussion um #regrettingmotherhood beteiligt und habe dazu geschrieben. Der Artikel dazu wird nach wie vor sehr, sehr häufig gelesen – häufiger als viele andere Artikel – und wurde auch rege kommentiert. Mir zeigt das, dass das ein wichtiges Thema ist, über das nach wie vor sehr wenige offen sprechen. Nach wie vor zeigen wenige Mütter den Mut, das Bereuen zu benennen, auch wenn es jetzt schon etliche Bücher dazu gibt. Die Kommentare unter diesem Artikel bei Facebook zeigen mal wieder sehr deutlich, dass Müttern, die das wagen, sehr viel Ablehung entgegenstößt. 

     

    Sicherlich ist es sehr wichtig, zwischen dem Bereuen, was man für sich selbst erkennt und dem Bereuen, das man den Kindern kommuniziert, zu differenzieren und genau zu überlegen, ob man das überhaupt vor den Kindern thematisiert. Dennoch gibt es wenig Raum für Mütter, genau über diese Thematik zu sprechen. Unter Müttern geht das so gut wie gar nicht und es ist auch nicht schick oder modern, wie manche das kommentiert haben. Ich empfinde und erfahre das nicht so. Im Gegenteil kommt in dem Moment sehr häufig das Argument: "Das darfst Du Deinen Kindern nicht antun". Damit findet der innere Konflikt verdeckt statt und wird geschluckt, was auch nicht gut für die Kinder sein kann, denn sie spüren das sowieso.

     

    Deutlich wird über die Diskussion, dass es Müttern scheinbar in nicht unerheblichem Ausmaß schlecht geht mit ihrer Rolle (!). Da hilft auch nicht, den Müttern zu sagen, sie hätten lieber keine Kinder bekommen sollen. Wie es wirklich ist, zeigt sich erst, wenn die Kinder da sind. Und wenn dann noch entsprechende Lebensveränderungen hinzukommen – z.B. eine Trennung mit darauf folgenden kräftezehrenden Familiengerichsstreitigkeiten oder drohender Armut oder allein der Ablehnung als Mutter am Arbeitsmarkt – wird noch deutlicher, wie schwierig die Situation für Mütter ist.

     

    Daher finde ich es nach wie vor sehr wichtig, dass wir über die Mütterrolle und den Stand der Mütter in unserer Gesellschaft sprechen. Denn das ist eigentlich das, was hinter #regrettingmotherhood steckt: Mütter werden zu wenig unterstützt, während gleichzeitig unglaublich viel Leistung von ihnen erwartet wird und sie unter einem hohen Erwartungsdruck stehen. Der wird auch durch den Konkurrenzdruck unter Müttern befeuert und durch die Ge- und Verbote, worüber man als Mutter sprechen darf.

     

    #regrettingmotherhood hat also in meinen Augen nicht die Funktion, Mütter zu egoistischem Jammern zu animieren, sondern gesellschaftliche und politische Missstände deutlich zu benennen. Das Ziel wäre, dass wir wieder aufmerksam darauf werden, dass es erst einmal den Müttern gut gehen muss und die Mütter im Zentrum stehen sollten, damit es dann auch den Kindern besser geht. Es bringt also nichts, den Müttern das Benennen dieser Probleme mit ihrer Mutterrolle zu verbieten, damit es den Kindern gut geht. Den Kindern geht es schlecht, wenn es den Müttern schlecht geht – egal, ob sie das offen kommunizieren oder nicht.

     

    Liebe Grüße

    Rona

    • Hallo Rona, gerade habe ich noch einmal Ihren vielgelesen Artikel überflogen, viel Neues findet sich da nicht. Ja, Kinder, Job und Haushalt unter einen Hut zu bringen ist anstrengend und nein, viel Applaus gibts nicht dafür. Nichts Neues, oder? Das erzeugt Wut, Frust und Resignation? Ja, natürlich, auch Väter kennen diese Gefühle, es gibt hier also auch kein Alleinstellungsmerkmal für Muttis. Ansonsten wird viel ansatzweise rumreflektiert, über die Rolle der Frau (=> schlecht), ihr Chancen auf dem Arbeitsmarkt (=> schlechter) und natürlich all die Dinge, die Frau nicht sofort, jetzt und gleich alle haben kann (=> infantil).

      Es ist übrigens ein Privileg und eine Anmaßung zu behaupten, dass man die eigenen real existierenden Kinder getrost mal aus dem Leben streichen könnte. Schön wärs halt auch ohne sie. (An dieser Stelle wäre ein wenig mehr Reflektion durchaus angebracht.)

      Zum Leben eines Erwachsenen gehört es auch rechtzeitig zu bemerken, wenn einem die eigenen Lebensumstände über den Kopf wachsen und eventuell professionelle Hilfe angesagt ist. Es ist ein Märchen, dass es keine Orte gäbe, an denen Frauen ihre Probleme bearbeiten können. Selbst in meiner mittelgroßen Stadt gibt es unzählige Vereine, Initiativen und Selbsthilfegruppen.

      Stattdessen wird der öffentlichkeitswirksamste Weg gewählt, das eigene Leid wird als etwas besonderes dargestellt, heraus gehoben und ausführlich dargestellt, wie immer hoch emotional. Hat diese Debatte irgendetwas gelöst? Irgendein Problem behoben, dass Frauen außerhalb einer privilegierten akademischen Mittelschicht betrifft? (Leider nicht einmal das.) Diese Debatte hat einen Scherbenhaufen hinterlassen und zwar bei den Schwächsten, die sich nicht wehren können, den Kindern. Und sie hat den Profilierungssüchtigen mal wieder eine Bühne geliefert.

      Danke für Nichts! 

      • "Hat diese Debatte irgendetwas gelöst?" … erst einmal hat sie einen Teil von (Mütter-)Wirklichkeit sichtbar gemacht. Und ohne den Artikel von Rona zu kennen oder jetzt noch im Kopf zu haben: Ich finde es sehr unnötig und unfair, hier so angriffig zu werden. Nichts Neues? Sind problematische Situatione, Kontexte oder Systeme weniger problematisch, weil es sie schon lange gibt? Das wäre mir neu..

      • Liebe Flora,

        ich denke, es geht hier nicht um individuelle Probleme von einzelnen Müttern, sondern um ein strukturelles Problem. Mütter stehen anders unter Druck als früher und die veränderten Lebenswelten (mehr Singles, weniger Großfamilien im Zusammenleben, wo man sich gegenseitig helfen oder Wissen weitergeben könnte, schlechte Infrastruktur, zu wenige Kitaplätze etc. – die Liste ist lang) führen durchaus zu mehr Vereinzelung und auch zu mehr Überforderung. Das kann man einfach so anerkennen.

        Inwiefern das mit dem Phänoment #regrettingmotherhood zu tun hat, sei dahin gestellt. Das ursprüngliche Phänomen wurde jedenfalls wissenschaftlich untersucht und definiert, dabei handelt es sich also nicht um eine herbeigeschriebene Einzelsituation oder eine Modeerscheinung.

        Ich finde schon, dass die Debatte wichtig ist für alle. Vielleicht ergeben sich neue Ansatzpunkte, ein besseres Verständnis für die Situation von Müttern und Kindern und auch eine bessere Lobby für die Kinder – denn um die ging es mir ja heute hier. Was allerdings “das Richtige” wäre in einer solchen Situation, wie solche Mütter damit umgehen sollten, damit möglichst wenig Schaden entsteht – ich glaube, das wissen wir alle nicht. Leider.

        Ich habe deinen anderen Kommentar weiter unten gelesen und deine Geschichte ist berührend und traurig. Es tut mir von Herzen leid, dass du eins der Kinder bist, die das erleben mussten und die sich ihre ganze Kindheit hindurch bemüht haben, alles richtig zu machen, um die Liebe der Mutter zu “verdienen”. Das ist furchbar und bricht mir das Herz. Auch für dich hat Karen ihren Text geschrieben und mir meine Fragen beantwortet, denn dieser Aspekt hat mir in der Debatte immer gefehlt: wie geht es den Kindern dieser Mütter? Ich wünsche dir, dass du einen guten Weg findest, für dich damit abzuschließen, auch wenn du es ohne deine Mutter tun musst. Alles Liebe für dich, Anna

         

    • Liebe Rona,

      das ist hier hoffentlich keine Höhle des Löwen! Höchstens der Löwin, wie es auch in meinem Namen steckt, aber die ist ganz friedlich, also alles gut. :-)

      Danke dir für deinen Kommentar. Können wir uns darauf einigen, dass wir uns nicht einig sind? Jedenfalls in Aspekten? Ich sehe das nämlich durchaus anders. Ich denke, das was du als #regrettingmotherhood definierst, hat tatsächlich mit der ursprünglichen Studie nicht mehr viel zu tun und das ist es auch, was ich meinte mit “da wird viel vermischt”, das nicht in einen Topf gehört. Aber von vorne.

      Ich sehe auf der einen Seite das, was du beschreibst: Mütter, die von der Gesellschaft und in allen sozialen Zusammenhängen vernachlässigt, allein gelassen und benachteiligt sind, die zu wenig Unterstützung und Anerkennung bekommen, alleinerziehende Mütter, denen nicht nur die Last der Erziehung und Sorge um die Kinder sondern auch noch die Schuld an ihrer eigenen situationsbezogenen Überforderung gegeben wird, Mütter, die nicht zurück in ihre Jobs können oder gar nicht erst welche finden usw… Das ist alles nicht gut, ganz im Gegenteil, da sind wir uns einig. Und auch darin, dass diese Mütter sagen können müssen, wie es ihnen geht, dass sie Solidarität brauchen und nicht Verurteilung.

      Aber. Ich sehe in dem, was meine Gastautorin und Interviewpartnerin heute hier beschreibt etwas durchaus anderes und ich finde es schwierig, das so in einen Topf zu werfen. Natürlich gibt es mit Sicherheit eine Schnittmenge zwischen den “überforderten” (stark verkürzt, siehe oben) Müttern und denen, die von vorne herein ihre Mutterrolle nicht annehmen können, aber ich denke, hier geht es gerade um die, die ihre Mutterrolle unabhängig von äußeren Umständen ablehnen – und damit auf eine Weise auch ihre Kinder.

      Karen beschreibt hier nicht eine überforderte, von der Gesellschaft im Stich gelassene Mutter, die unter der Last nicht die Mutter sein konnte, wie sie sich ein Kind vielleicht wünscht. Sie beschreibt eine Mutter, die eine ganze Kindheit hindurch distanziert und auf gewisse Weise kühl zu ihren Kindern war und das auch nicht ins Verhältnis setzen konnte, im Gegenteil. Ich glaube, da muss man stark differenzieren.

      Was die gesellschaftliche Norm der “guten Mutter” angeht, bin ich völlig bei dir. Wir helfen niemandem, schon gar nicht “uns Müttern”, wenn wir solche Normen festlege, formulieren und uns oder anderen überstülpen, statt solidarisch zu sein. Ich denke auch, dass wir einander da nicht oft genug stützen und auch schützen können, nein, müssen! Vor Mütter-Stereotypen und -Idealen, die unrealistisch sind, Druck erzeugen und uns das Leben schwer machen.

      Aber heute, hier, möchte ich einfach das Leid derer anerkennen, die so wie Karen und einige der Kommentatorinnen hier unter einer fehlenden Bindung zu ihrer Mutter gelitten haben oder noch leiden. Das ist auch ein Aspekt von Regretting Motherhood und ich möchte ihn nicht relativieren.

      Liebe Grüße, Anna

  9. Ganz schwieriges Thema. Generell wundert mich nicht, dass es viele Frauen gibt, die das Muttersein bereuen, und ich finde es sehr wichtig, das auszusprechen. Zwischen der Generation meiner Eltern und meiner eigenen kippte das Eltern-Selbstverständnis von "Natürlich kriegt man Kinder" auf "Du hast eine Wahl". Unausgesprochen oder nicht, ich denke, ein Kind spürt, ob es erwünscht ist oder nicht. Ich habe es gespürt, habe das ungelebte Leben meiner Mutter als volle Breitseite verpasster Chancen und unpassender Rollen erlebt. Und das ist doch, worum es eigentlich geht. Um unpassende Rollen. Ich bin inzwischen 40 und spüre immer noch sehr deutlich, als wie "abnorm" eine Frau ohne Kinderwunsch gilt. Es bedeutet ständiges Hinterfragen eigener Haltungen und Motivationen, nicht doch irgendwann zu sagen: "Dann krieg ich halt eins, schließlich ist das ja normal, und die Mutterliebe wird sich schon einstellen." Die Gegenposition bedeutet Rudern gegen den Strom, Rechtfertigung, Normdruck.

    Und ja, es gibt Frauen, die nicht automatisch (ihre) Kinder lieben. Darüber zu schweigen macht vieles noch schlimmer. Vor allem für die Kinder. Nichts fühlt sich schlimmer an, als nicht existieren zu dürfen und zugleich die Lüge von einer liebenden Mutter zu spüren, die man nicht benennen kann und darf.

  10. Regretting mom Antworten

    Ich bin eine Regretting Mutter.

    Zuerst einmal ist es mir wichtig zu sagen, das es keinesfalls so ist, das man seine Kinder bereut….

    Das Regretting bezieht sich lediglich auf das Mutter sein…

    Ich bereue es Mutter geworden zu sein, aber ich bereue nicht meine Kinder…

    Ich bereue es Kinder bekommen zu haben, aber ich liebe die Kinder die ich bekommen habe…

    Ich wünsche mir nicht, das sie nicht hier wären – ich möchte einfach nur keine Mutter sein…

    Oben in dem Bericht die Mutter, hat so viele gemeinheiten von sich gelassen, die hat ihr Kind gedemütigt und kritisiert, wo es nur geht. Da liegen mit Sicherheit noch viel mehr Probleme, als das regretten allein im argen.

    Beispielsweise hat meine Mutter auch Sätze zu mir gesagt wie “bei dir hab ich doch die nachgeburt großgezogen“ und noch viele andere unmögliche Dinge…

    Sie ist narzisstin – das regretten bringt ihr psychischer Zustand mit sich…

    Wie gesagt, ich bin auch eine Regretting Mama – aber niemals würde ich mein Kind abwerten…

  11. Liebe Karen, 

    dein Beitrag hat mich sehr berührt, obwohl oder gerade weil ich selber als Kind immer das Gefühl hatte, geliebt und angenommen zu sein. Toll, dass du diesen Teil deines Lebens preisgegeben hast, um vielleicht an anderer Stelle Gutes damit zu bewirken oder Ungutes zu verhindern. Es ist bestimmt nicht leicht, solche traurigen Erinnerungen zuzulassen, einzuordnen und dann auch noch in Worte zu fassen. Umso wunderschöner ist es für mich, dass du es schaffst, diesem Aspekt bei deinen eigenen Kindern so viel Bedeutung beizumessen und es so viel empathischer und liebevoller anzugehen. Es ist eine Gabe, aus negativen Erfahrungen positive Energie zu gewinnen. Ich wünsche dir dabei weiterhin viel Kraft und Freude… 

     

  12. Ich verstehe nicht, wie man etwas bereuen kann, das noch "in vollem Gange" ist, von dem man das Ausmaß und die Folgen noch nicht abschätzen kann. Außerdem weiß man doch gar nicht, wie die Alternative ausgesehen hätte. Da sitzt man vielleicht mit 40 Jahren und zwei Kindern und bereut es, weil das Leben sehr anstrengend ist, weil sehr viele Türen für einen zugefallen sind, weil man finanziell am Ende ist oder weil die Verantwortung und Sorge so schwer wiegt. Aber wie hätte das Leben ohne Kinder ausgesehen? Man hätte ja nicht gewusst, wie schwer es ist und dass man es bereuen würde. Man würde also in diesem Parallelleben mit 40 Freunde treffen, die schon Kinder haben, reisen, manchmal auf dem Sofa sitzen und weinen, weil man nicht den richtigen Partner findet und die biologische Uhr laut und lauter tickt. Woher wisse die Regretting Mothers, dass sie nicht kinderlos unglücklich geworden wären?

    Ich habe eine Kollegin, die ein sehr wildes Leben in den 20ern geführt hat. Mit wechselnden Partnern und auch einer Abtreibung. Dann mit 30 lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen. Nach der Hochzeit dauerte es sieben Jahre mit vielen künstlichen Befruchtungsversuchen, nicht zugelassenen Medikamenten aus Griechenland, viel Einsatz von Geld und letztentlich einer medizinischen Behandlung in Spanien und die beiden wurden endlich Eltern von Zwillingen. Als sie noch in der Phase der Fruchtbarkeitsbehandlung war sagte sie: "Hätte ich nur in meiner wilden Zeit von irgendeinem Typen ein Kind bekommen. Dann hätte ich jetzt wenigstens eins. Auch wenn die Umstände nicht gepasst hätten."

    Nach drei Jahren mit ihren Zwillingen sagte sie: "Warum habe ich das gemacht. Es ist so anders, als ich es mir vorgestellt habe. Es hat soviel Zeit, Gesundheit, Mühe und Geld gekostet. Und jetzt bin ich ausgelaugt, habe kein Leben mehr. Alles dreht sich nur um die Kinder, Verfügbarkeit Tag und Nacht. Warum habe ich mich damals nicht mit meiner Kinderlosigkeit abgefunden und mein Leben genossen?"

    An alle Regretting Mothers: Woher wisst ihr, dass ihr die Kinderlosigkeit nicht bereut hättet?? Kann man etwas nicht erst am Lebensende bereuen, wenn man es bis zum Ende durchlebt hat? Vielleicht kümmern sich euer Kinder im Alter um euch, oder ihr blüht mit euren Enkeln auf? Vielleicht freut ihr euch mit 80 auf den wöchentlichen Anruf eures Kindes. Vielleicht passiert das alles auch nicht, aber das weiss man doch erst hinterher?

  13. Ich kann nichts Falsches daran finden, regretting mother zu sein – es muss ja logischerweise eine Gruppe Mütter (und sicher auch Väter, aber denen verzeiht man das anscheinend leichter) geben, die Mutterschaft als nicht erfüllend erleben und im Nachhinein wünschen, sie hätten keine Kinder gehabt. Von diesen Müttern tragen sicherlich viele schwer an diesem Makel – die wissen ja genau, wie und was sie fühlen müssten und sollten; dass sie das nicht fühlen, dafür können sie nichts. Der Knackpunkt ist: wie geht man mit so einer schwierigen Situation um?

    Und hier fängt für mich das "falsch" an: Falsch wird es da, wo so eine Erkenntnis den Kindern um die Ohren gehauen wird. Das geht einfach GAR nicht, auch als regretting mother müsste ich zu grundlegendster Höflichkeit gegenüber meinen Kindern in der Lage sein, als da wäre: "Wir erzählen nicht anderen Menschen, wie bäh wir finden, dass sie da sind."

    Ich selbst bereue es heute (!) sehr, viel zu jung und viel zu dumm ein Kind bekommen zu haben. Nicht, weil ich diverse Freiheiten vermisst hätte , nicht, weil ich das Kind nicht geliebt hätte – nein. Ich habe durch meine Unerfahrenheit und die generelle Beschissenheit der Situation dem Kind unwissentlich und unwillentlich viele Wege verbaut. Ich habe dem Kind unwissentlich und unwillentlich ein Päckchen aufgeladen, das es im schlimmsten Fall ein Leben lang tragen wird müssen. Ich hatte dieses Gefühl des Bereuens gar nicht, während ich das Kind noch großzog (vielleicht deutet das auf einen Mangel an Selbstreflexion hin, den ich weißgott hatte, vielleicht hatte ich auch gar keine Zeit dazu), aber jetzt im Rückblick wird mir klar, was für ein Desaster wir da jahrelang gelebt haben. Dem erwachsenen Kind würde ich nie sagen, dass ich bereue, es bekommen zu haben, und so ist es ja auch eigentlich nicht. Ich bereue nicht, dass das Kind DA ist, ich bereue, dass ich ihm keine gute Mutter sein konnte, und dass ich ihm seinen Weg so erschwert habe.

     

     

  14. Ach kommt schon, Leute, jetzt tut mal nicht so, als würden alle Kinder, die das von ihren Müttern erfahren haben, deswegen todunglücklich sein.
    Meine Eltern haben meine Schwester und mich zu einer Zeit in einem Land bekommen, wo Verhütung und Abtreibung verboten war.
    Sie hat mir auch in der Pubertät reinen Wein eingeschenkt und gesagt, sie wollte nie Kinder.
    Das ist voll in Ordnung. Denn sie hat uns auch oft gesagt, dass sie uns dennoch lieb hat und das haben wir auch gespürt. Wie bei allen anderen Säugetieren auch sorgen die Hormone nach der Geburt für natürliche Mutterliebe, ob geplant oder nicht.
    Letztendlich kann niemand von uns etwas dafür. Wir sind nicht schuld an ihrem verpassten Leben, sie ist auch nicht Schuld daran. Ich schätze Ehrlichkeit mehr als jede Heuchelei, und das ist auch die Art, wie wir aufgezogen wurden. Dafür bin ich meiner Mutter mehr als dankbar.
    Ich sehe es tatsächlich so wie meine Mutter und bin auch sehr dankbar dafür, hier mein Leben selbstbestimmt führen zu können und keine Kinder bekommen zu müssen. Ich verstehe nur zu gut, dass Kinder einen fertig machen. Ich hätte mich als Kind gehasst, und das sage ich ohne jeden Selbsthass. Zum Glück wird man erwachsen und entwickelt sich weiter zu einem erträglicheren und selbstständigerem Individuum.
    Also Fazit für alle hoffnungslosen Romantiker und Anti-Realisten hier: In der Natur ist eben nicht immer alles eitel Sonnenschein, und auch wir Menschen sind Teil der Natur.

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