Kennen wir sie nicht alle, die Mütter-Vorurteile über Rabenmütter, Glucken, krankhaft karrieresüchtige Mütter und Helicopter-Moms? Es gibt eine Sprüche-Tafel, die seit geraumer Zeit im Social Media-Raum kursiert, und die die gängigsten Mütter-Vorurteile gegenüber stellt, um sie auszuräumen. Als meine Bloggerinnen-Freundin Béa Beste (unter anderem Gründerin der Tollabox) und ich uns  letzte Woche darüber unterhielten, fanden wir, dass es ein Schritt nach vorne für alle Mütter wäre, mal die positiven Antworten darauf aufzuschreiben… Und weil wir beide gerne schnell sind in diesen Dingen, ist dies entstanden:

Vorurteil Nr. 1:

Geben wir unsere Kinder in die Kinderkrippe, sind wir Rabenmütter.
Bleiben wir zu Hause, verkommen wir hinter dem Kochtopf oder sind zu faul zum Arbeiten.

Unsere Antwort:

Geben wir unsere Kinder in die Krippe, geben wir ihnen mehr Raum, im Kontakt mit anderen zu wachsen.
Bleiben wir zu Hause, sind wir Freelancer oder Selbständige. Oder eben Hausfrauen. Was soll sein?

Béa: Diese Rabemutterdiskussion muss endlich aufhören. Die Arbeitswelten verändern sich, die digitalen Möglichkeiten eröffnen Perspektiven… Es gibt drölfzigtausend Zwischenabstufungen zwischen der reinen Hausmami und der Vollprozent-Busy-Businessfrau. Und das ist auch gut so. Hauptsache, jede ist zufrieden, mit dem, was sie macht.

Anna: Es geht doch immer um Selbstbestimmung und die ist so wichtig! Auch wenn wir uns nicht darüber täuschen dürfen, dass Selbstbestimmung auch für viele Mütter in Deutschland ein Luxusgut ist. Aber gerade für die Mütter, die aus einem Sachzwang heraus handeln und gar nicht ihrem Bauchgefühl folgen können, wenn es ums Zuhausebleiben oder Kind-in-die-Kita-Geben geht, ist das so wichtig: wir sind alle Mütter und tun das, was wir müssen und für richtig halten – für unsere Kinder. Das sollte niemand torpedieren, indem er es in Klischees zusammenfasst.

Vorurteil Nr. 2

Verwenden wir Make up, tragen wir Kriegsbemalung.
Verwenden wir keines, vernachlässigen wir unser Äußeres.

Unsere Antwort

Verwenden wir Makeup haben wir Freude an der Veränderung und tun uns selbst etwas Gutes.
Verwenden wir keins sind wir entspannte und lässige Naturschönheiten im Einklang mit uns selbst.

Anna: Wir sind Individuen, immer, egal, was wir tun. Ich zum Beispiel mag Makeup. Ich probiere es gerne aus, ich fühle mich gut mit Makeup, es ist meine “Rüstung”, wenn ich aus dem Haus gehe. Aber es gibt Tage, an denen ich es total genieße, es weg zu lassen. Mehr ist es nicht. Aber auch nicht weniger. Und steht überhaupt nicht zur Diskussion.

Béa: Anna, wir sind beide dunkeläugig und dunkelhaarig… Das macht es schon einfacher, weil wir auch ohne Makeup ganz akzentuierte Gesichtszüge haben. Aber das am Rande. Auch hier: Weg mit dem Clichée. Ich habe sehr bewusst meiner Tochter gezeigt, dass ich mich mit etwas Schminke auch bewusst für bessere Laune für mich selbst  entscheiden kann. Mehr auch nicht. Und auch nicht weniger…

Vorurteil Nr. 3

Zeigen wir Gefühle, sind wir Heulsusen.
Beherrschen wir uns, sind wir Eisberge.

Unsere Antwort:

Zeigen wir Gefühle, sind wir Gefühlskanonen. Ach was, Granaten!
Beherrschen wir uns, sind wir eben cool. Wie ne gesunde Hundeschnauze.

Anna: Das Tolle ist doch –  wir können beides sein, immer, wenn wir es wollen oder brauchen. Ich steh auf Frauen, die zeigen, wer sie sind! Solche, die auch mal ausflippen, die auf den Tisch hauen, wenn es ihnen zu viel wird und die weinen, wenn sie etwas berührt. Und ich mag die Coolness, die wir Mütter brauchen, um immer oben zu schwimmen, wenn wir mit unseren Kindern durch den Alltag schippern.

Béa: Ehrlich: Hier passiert es mir schon, dass ich Situationen anders einschätze, als es passend wäre. D.h. ich zeige genau dann Bomben-Gefühl, wenn Coolness besser wäre. Umgekehrt eher weniger. Hab mich öfters mal in die Nesseln gesetzt. Wichtiger ist: Ich habe auch gelernt, das für mich zu akzeptieren und es nicht als total peinlich zu werten. D.h. mich schon zu entschuldigen, wenn ich damit andere verletzt habe, aber auch zu mir und meiner Art zu stehen und mir und den anderen zu sagen: “So bin ich halt.”

Sei du DU, Mütter-Vorurteile, Tollabox und Berlinmittemom

Vorurteil Nr.4

Sind wir hilfsbereit, werden wir ausgenutzt.
Kümmern wir uns nur um unsere eigene Arbeit, sind wir unkollegial.

Unsere Antwort:

Sind wir hilfsbereit, machen wir die Welt ein Stückchen besser und sorgen für mehr lächelnde Gesichter.
Kümmen wir uns nur um unsere eigenen Angelegenheiten, sind wir eben diskret und respektieren die Grenzen der anderen.

Béa: Ich muss hier von einem wichtigen Erlebnis berichten. Ich bin einer Freundin mit zu viel Hilfbereitschaft wärend eines Wochenendtrip total auf die Nerven gegangen. Als sie mir sagte, dass sie sich “überbemüttert” gefühlt hat, war ich baff. Seitdem versuche ich in der Sache empathischer zu sein, und zwar gegenüber der Person, die es betrifft. Was die anderen dazu sagen, ist mir total schnuppe.
Anna: Hmm. Ich bin wohl auch der Typ, der die Antennen immer überall hat und stets darauf gefasst ist, einzuspringen, falls Not an der Frau ist. Manchmal finde ich das anstrengend, weil ich eigentlich immer mitbekomme, wenn jemand in meiner Umgebung Hilfe braucht, in welcher Form auch immer (sowohl im Reallife als auch in meinem virtuellen Clan übrigens). Ich kann das nicht ausblenden und das möchte ich auch gar nicht. Aber ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, besser zu sortieren. Ich kann nicht für alle da sein. Und nicht jeder möchte auf’n Arm, auch wenn’s grade brennt. Das passt schon immer irgendwie.

Vorurteil Nr.5

Sind wir Powerfrauen, schimpft man uns Emanze.
Sind wir angepasst, fehlt uns der Pfeffer.

Unsere Antwort:

Sind wir Powerfrauen, dann sind wir Powerfrauen. Und das ist gut so.
Sind wir angepasst, dann ist unsere Umgebung genau richtig für uns.

Anna: Emanze ist doch nur ein anderes Wort für Powerfrau und ich bin ganz klar eine. Groß gezogen von einer Feministin und aufgewachsen mit dem Bewusstsein, dass mir nichts weniger zusteht, als ALLES. Nicht obwohl ich eine Frau bin, sondern WEIL ich eine bin. Als Mutter hat sich dieses Bewusstsein geschärft. Ich will eine Welt, in der meine Töchter alles sein dürfen, was sie möchten, genau als die, die sie sind. Wir Mütter sind in diesen Dingen so verschieden, wie alle anderen Menschen auch. Und warum auch nicht?
Béa: Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch, egal ob Mann oder Frau, das Recht hat, so zu sein, wie er wirklich ist. Ändern wir das Grundgesetz! Nicht: “Alle Menschen sind gleich” sondern “Alle Menschen sind unterschiedlich.” Und außerdem: Jede von uns darf auch unterschiedlich sein in unterschiedlichen Situationen.

Vorurteil Nr.6

Sind wir intelligent, dürfen wir es nicht zeigen.
Sind wir es nicht, müssen wir wenigstens attraktiv sein.

Unsere Antwort

Sind wir intelligent, dann genießen wir es, denn schlau zu sein macht uns stark. Und sexy.
Sind wir es nicht, dann haben wir eben ein großes Herz.

Anna: Liebe Mütter, liebe Frauen – nutzt eure Köpfe und Herzen, um mit euren kognitiven und emotionalen Energien zu erreichen, was ihr wollt. Zeig euren Kindern, was ihr könnt und wer ihr seid. Eure Klugheit und eure Liebe machen euch einzigartig, egal, wie oder wo ihr lebt. Lasst euch nie, wirklich NIE dazu bringen, eure Energien einzudämmen. Never let anyone dull your sparkle!
Béa: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Vorurteil Nr.7

Leisten wir viel, verlieren wir unseren Charme.
Leisten wir wenig, verlieren wir die Stellung.

Unsere Antwort:

Leisten wir viel, dann machen wir das mit Charme.
Leisten wir wenig, dann leisten wir uns Schuhe. Oder Handtaschen. Oder ne App.

Béa: Genauso wie Erfolg sollte auch Leistung langsam mal differenzierte Indikatoren bekommen. Ich halte viel von Arianna Huffington’s Idee vom “Third Metric”, also eine neue Maßeinheit dafür jenseits von Macht und Erfolg – hin zu mehr sozialer Wirkung, eigenes Wohlfühlen, Einklang mit Natur und Gesellschaft … na halt alles. Ich habe Spaß am Leisten und mir etwas leisten, wenn ich weiß, dass das große Ganze stimmt. Und ja, ich liebe Schuhe und Apps. Und tolle Lebensmittel übrigens auch.

Anna: Ich sehe diese Leistungsgedanken grundsätzlich ein bisschen ambivalent. Es gibt leider in unserer Gesellschaft viel zu viele Leistungen, die nicht anständig bezahlt und damit auch gesellschaftlich nicht entsprechend anerkannt werden. Der Beruf der Erzieherin gehört beispielsweise dazu, der wird einfach unanständig gering entlohnt. Aber es gibt viele Berufsgruppen, übrigens oft typischerweise klassische Frauenberufe, in denen das so ist. Ich finde den Aspekt schwierig, dass gesellschaftliche Anerkennung an Lohn gekoppelt ist und damit automatisch eine Bewertung der dahintersteckenden Leistung einhergeht. Mütter haben da zusätzlich irgendwie eine Sonderposition. Unsere Leistung wird nicht entlohnt, jedenfalls nicht der Teil, der eigentlich das Muttersein ausmacht: ein Kind bekommen und in Liebe aufziehen.
Liegt es daran, dass wir Mütter in unserer Gesellschaft so eine schlechte Lobby haben? Dass es so viele Mütter-Vorurteile und überhaupt Urteile gibt über Mütter? Wie wir zu sein haben und wie nicht? Was wir können sollen und was nicht? Wer wir sind und wer wir bitte lieber nicht sein sollen? Meine größte Lebensleistung sind jedenfalls meine drei Kinder. Und ob ich das gut mache oder nicht – das können nur diese drei mir sagen. Niemand sonst kann es sich leisten, diesbezüglich über mich zu urteilen.

Béa und ich haben unseren Dialog an dieser Stelle sicher noch lange nicht beendet, wir wollten aber schon mal unsere Plattformen nutzen, um unsere Antworten auf die gängigen Mütter-Vorurteile ins Mütter-Universum zu streuen. Denn wichtig ist für uns diese Botschaft:

Sei du DU! Begegne jedem Vorurteil mit einer charmanten Antwort und einem Schulterzucken. Bleib, wer du bist und lebe wie es dir gefällt!

In diesem Sinne ihr Lieben, bleibt fröhlich und bleibt ihr selbst. Ich bin sicher, ihr seid genau richtig, wie ihr seid und eure Kinder lieben euch dafür. Tut ihr das auch! Und falls ihr noch mehr Vorurteile gegen Mütter kennt, die wir unbedingt beantworten müssen: die Kommentarfunktion ist ganz für euch da!

signatur

 

P.S.: Wer das Ganze in komprimierter Form herunterladen möchte, kann sich die Statements mit diesem Download-Link als Plakat holen.

Last Updated on 25. November 2014 by Anna Luz de León

8 Kommentare

  1. Liebe Anna, liebe Béa,
    gute Antworten, wertvolle Gedanken sind Euch eingefallen und es ist wunderbar, dass Ihr sie teilt. Bestimmt ist Inspiration und Rückversicherung für viele dabei, die sich bewußt oder unbewußt durch die Wertungen ihrer Umwelt in die Enge getrieben fühlen.
    Jedoch verbleibt zu sagen, der Trend der Bewertung betrifft nicht nur das Muttersein. Er ist allgegenwärtig und vielleicht ist es kein Fehler, sich generell zu wappnen. Nicht immer mit den richtigen Worten, wie sollte das möglich sein, aber mit der allseits gepriesenen Authentizität plus einer Portion Phlegma / Gelassenheit / Gleichmut. Wer darf urteilen? Wessen Urteil ist interessant? Diskreditieren sich die Menschen, die bewerten und ungefragt Negatives absondern, nicht automatisch selbst?
    Ich selbst bin ein freundlicher Mensch, man mag es nach diesen Zeilen kaum glauben, und werde dennoch regelmäßig von fremden Personen angegangen, die etwas zu einer banalen und sie nicht betreffenden Alltagssituation beizutragen haben. Ungefragt und natürlich abwertend. Je nach Tagesform bin ich dann entweder zu der angestrebten Nonchanlance in der Lage (“Es freut mich, Ihnen als Prellbock für Ihren schlechten Tag zur Verfügung zu stehen, möchten Sie noch etwas sagen?”), aber es ist mir auch schon ein “Halt die Klappe” entfahren.
    Ganz sicher interessiert mich aber nicht, was inhaltlich vorgetragen wird, mich interessiert hingegen sehr, wie wenig Respekt heutzutage selbstverständlich geworden ist. Das ist ein Mißstand und den sollten wir deutlich anprangern. Nicht nur Mütter und die vielen Nebenkriegsschauplätze des Mutterseins sind betroffen.
    Herzliche Grüße und entschuldigt diesen Sermon, irgendwo mußte er ja mal hin. :-)
    Nina

  2. Was für ein toller Post! Wie immer sehr ehrlich offen inspirierend und gut geschrieben. Aber diesmal besonders! Ich liebe deinen Blog!!!!

  3. Hallo ihr beiden,

    das finde ich ganz wunderbar und wichtig. Besonders die Sache mit den “Antennen, die überall sind” und die Mischung zu finden zwischen Hilfsbereitschaft und gesundem (!) Egoismus.

    Ich beobachte, dass viele dieser Fragen aus einer eigenen Unsicherheit heraus gestellt werden, um sich immer wieder selber zu versichern, dass man alles richtig macht. Denn sonst macht es ja keiner. Vielleicht liegt es auch daran, dass viele ihren Weg noch gar nicht gefunden haben. Und woran das wiederum liegt, wissen wir angesichts der öffentlichen Debatten ja auch: Es ist eben nicht immer und für jeden so einfach.

    Fragen positiv zu beantworten nimmt sicher schonmal Druck aus vielen Segeln und macht das Miteinander ein Stück schöner und einfacher.
    Und was die Lobby angeht, ich glaube, Mütter haben keine, weil Lobby Arbeit sehr zeitaufwändig und anstrengend ist – und welche Mutter hat schon viel Zeit? Das geht wohl nur gemeinsam und vielleicht ist das hier ein Teilschritt.

    Danke für euren schönen Beitrag – und jetzt muss ich “rüber” zu MomPower, die Message teilen ;-)

    Herzliche Grüße
    Cathrin

  4. Daaanke für diese Gedanken!!!!
    Durch Zufall seit gestern auf deinen wundervollen Blog gestossen, verschlinge deine tollen Post.
    Seit gestern Abend zu dem Thema Krieg unter Müttern gelesen und das erste mal seit vielen Monaten wieder beruhigt geschlafen, mit dem Bewusstsein: es liegt nicht an mir !!! Habe auch das Problem mit Stutenbissigkeit, Bewertungen, blöden Kommentaren etc in meiner Kindergruppe. Das hat mich immer mehr verunsichert und auch zweifeln lassen, ob ich da noch weiter hingehen soll. Meiner Tochter zuliebe so lange ausgehalten und heute morgen mit aufrechtem Gang, gestählter Brust und innerlichem Lächeln seit langem wieder einen schönen Kurs gehabt. Ich danke dir/euch für eure Zeilen und hoffe ihr wisst, was sie bewirken.
    Fühlt euch ganz herzlich gedrückt :-))

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