Sonntag. Die Sonne küsst Berlin schon seit Tagen und es wird immer wärmer, es ist wunderbar. Ich habe Posten auf meinem Balkon bezogen, von wo aus ich die spielenden, planschenden, tobenden Kinder (meine und die der Nachbarn) im Blick habe, wie eigentlich immer. Außerdem: Latte Macchiato und ein Stück Erdbeerkuchen von gestern. Ich wiederhole mich gerne: es ist wunderbar.
Heute morgen waren die liebsten Bonner Freunde noch zu Besuch, und wir saßen zusammen im Garten am Frühstückstisch. Die Männer (meiner ein wenig geknickt wegen der Bayern-Schlappe von gestern) haben irgendwann angefangen, das Auto zu packen, die Kinder sind ausgeschwärmt, und meine Freundin und ich haben bei den Kaffeeresten den Garten inspiziert. Wir hatten ein paar schöne und intensive Tage zusammen, wie immer kosten wir die Zeit aus – wir sehen uns so selten.
Vorgestern habe ich einer Berliner Bekannten erklärt, woher wir uns kennen und dabei festgestellt, dass unsere Freundschaft nicht nur schon “alt” ist, sondern auch schon so viele Episoden durchlaufen hat: zuerst kannten wir uns second-hand über eine gemeinsame Freundin. Wie sich das anhört! Unsere Schnittpunktperson kommt heute in unseren jeweiligen Leben entweder gar nicht mehr oder nur noch peripher vor. Wir aber sind noch zusammen. Das hätte ich damals nie für möglich gehalten. Dennoch wurden wir Freundinnen und sind es geblieben. Da gab es Trennungen, Streit mit anderen (einst engen) Freundinnen, Menschen kamen dazu und verschwanden wieder, Kinder wurden geboren und getauft, wir machten uns gegenseitig zu Patinnen diverser Kinder, es wurden Häuser gekauft und gebaut und immer wieder schienen die Konzepte unterschiedlich zu sein. Dabei erweist sich immer wieder, je länger wir befreundet sind, wie wenig verschieden unsere Leben tatsächlich sind. Manchmal frage ich mich, wie ich zu dieser Freundin komme. Sie ist sicherlich diejenige von meinen Freundinnen, die mich in vielen Situationen mit am meisten herausgefordert hat, ohne es zu wissen oder zu wollen. Dennoch sind wir immer weiter zusammen gegangen und kein Ende ist in Sicht. Was für ein ungeplantes und unverhofftes Glück! Selbstverständlich ist es inzwischen viel mehr als das, denn es ist natürlich einigermaßen einfach, eine Person zu wählen, zu mögen, ihre Eigenarten kennenzulernen, manche zu lieben und manche schwierig zu finden, die Freundschaft zu pflegen und neue Phasen im Leben immer wieder mit dieser Person zu verknüpfen. Aber wir haben ja auch Männer. Und Kinder. Insgesamt 5. Und meine Erfahrung hat mir in anderen Freundschaften gezeigt, dass das durchaus erschwerende Faktoren sein können: magst du den Mann deiner Freundin nicht, hast du über kurz oder lang ein ernsthaftes Problem mit ihr. Und können beispielsweise die Kinder nicht miteinander, wird es ebenfalls schwierig. Bei uns ist das nicht so. Die Kinder lieben sich, anders kann man es nicht sagen. Und die Männer sind ebenfalls ernsthaft in love: sie reden und schweigen miteinander, sie verständigen sich wortlos über Frauen und Kinder, sind beide leidenschaftliche Väter und die Meinung des anderen ist ihnen in allen wichtigen Dingen des Lebens sehr wichtig. Was für ein Glück für uns, dass das alles so passt? Obwohl wir beide, die Freundinnen, der Ausgangspunkt dieser Familienbande, einander ursprünglich nicht mal wollten?
Ich glaube nicht. Irgendwie habe ich aufgehört, an Glück oder Zufälle zu glauben. Ich weiß nicht, wieso wir uns irgendwann unterwegs füreinander entschieden haben, aber seitdem gibt es eigentlich nur noch Futter für diese Freundschaft und keine Fragezeichen mehr. Ich kann mit ihr sprechen. Immer. Aber ich muss es nicht. Ich muss ihr (fast) nichts erklären. Wenn wir nicht einer Meinung sind, irritiert das keine von uns. Ich weiß, dass sie bei mir ist, wenn es mir schlecht geht, auch wenn sie es körperlich nicht ist. Ich würde ihr ohne Zögern meine Kinder überlassen und ich würde ihre sofort nehmen, wenn es nötig wäre. Ich kenne sie und ich weiß, was mich bei ihr erwartet. Alles. Ihre Stärken, ihre Schwächen. Wenn sie mich bräuchte, würde ich fliegen. Und sie auch. Trotz Flugangst.
Ich bin eine Frauen-Frau. Ich hatte zeit meines Lebens viele Freundinnen, einige enger, einige weniger eng und immer waren das für mich zentral wichtige Beziehungen. Das ist bis heute so. Einige meiner engsten und über Jahre wichtigsten Kontakte habe ich dennoch verloren, ohne, dass ich genau weiß, wieso. Auch das ist sicher kein Zufall. Aber sie, die Ungeplante, erst Ungewollte, fast Zufällige, ist da. Und das nicht aus Versehen oder aus Glück oder ohne Absicht. Wir kennen uns seit 16 Jahren und wir haben einander sowas von verdient.
Heute denke ich darüber nach, wen ich alles in meinem Leben eng um mich herum habe, außer meiner Familie. Und meine Freundinnen, meine wirklichen, verlässlichen Freundinnen gehören dazu. Manche davon habe ich seit frühester Kindheit, manche habe ich mir erschrieben, manche kenne ich noch gar nicht sehr lang und sie sind dennoch unverzichtbar geworden, Und diese eine habe ich gefunden, ohne sie gesucht zu haben. Warum, weiß ich nicht, aber das spielt auch keine Rolle mehr. Jetzt ist sie meine und bleibt es auch. Und ich kann mir fast nichts auf der Welt vorstellen, was das noch ändern könnte.
Wie wunderbar.
Last Updated on 25. Februar 2013 by Anna Luz de León