Ein Blogstöckchen macht die Runde und diesmal ist es eins, das mich wirklich brennend interessiert, weil es  Fragen aufwirft, die man sich selbst so noch nie beantwortet hat. Die liebste Nic von Luzia Pimpinella fragt sich, was in ihrem Leben anders wäre, wenn sie ein Mann wäre – und reicht die Fragen unter anderem weiter an mich. Hochspannend finde ich das ud mache mich deshalb an den Versuch einiger Antworten. Was wäre wenn…?

Was wäre anders in deinem Leben wenn du ein Mann wärst?

Eigentlich kann ich diese Frage nur beantworten, wenn ich mir vorstelle, ich sei ein Mann mit dem Bewusstsein dessen, was es heißt, eine Frau zu sein oder genauer: ich zu sein. Denn wäre ich als Mann geboren, wäre ich sicherlich in sehr vielen Dingen schon zu einem viel früheren Zeitpunkt anders geprägt worden und das würde bestimmen, wie ich heute wäre. Das lässt sich allerdings schlecht simulieren, also versuche ich, die Frage mal aus einer Art fantasiertem Rückblick heraus zu beantworten. Was wäre wenn…

Wäre ich ein Mann und als Sohn meiner Eltern geboren und aufgewachsen, hätten mich sicherlich folgende Dinge geprägt: die sehr klassische Rollenauffassung meines lateinamerikanischen, stark leistungsorienterten Vaters, der viel gearbeitet und sich selbst immer als Ernährer der Familie definiert hat, auch wenn meine Mutter immer berufstätig war. Außerdem meine feministische und intellektuelle Mutter und ihre Versuche, in einer feminismusfernen provinziellen Umgebung so etwas wie Gleichwertigkeit der Geschlechter vorzuleben und weiter zu geben. Und der innige Familiensinn beider, der die Bande zwischen den Familienmitgliedern, den Stellenwert von Kindern und die Verantwortung für dieses Konstrukt "Familie" auf einem hohen Prioritätslevel einsortiert hat. Und natürlich ihre Trennung.

Ich wäre also wahrscheinlich verheiratet und hätte Kinder, wenn ich das Glück hätte, die richtige Partnerin gefunden zu haben. Ich würde all die Dinge tun, die mir jetzt auch wichtig sind und hätte ähnliche Schwerpunkte. Allerdings wäre ich sicherlich beruflich anders aufgestellt, was immer ich tun würde. Vielleicht wäre ich selbständig wie mein Vater? Und meine Kinder wären mein Ein und Alles. Ich wäre wahrscheinlich… wie mein Bruder.

Was tust du nur deshalb, weil du eine Frau bist?

Ich glaube, in den Bereich fällt alles, was mit Schönheit im weitesten Sinn zu tun hat. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich uneitel, das wäre ich als Mann bestimmt auch. Und ich glaube, dann würde ich weder meinen angegrauten Haaransatz färben, noch zur Pediküre gehen oder mir die Nägel so bewusst zurecht machen. Oder Beine und Achseln rasieren – das täte ich mit Sicherheit nicht. Und ich bin mir nicht sicher, wie viel von den Dingen, die ich heute als erfreuliche Nebentätigkeit im großen Themenbereich "Haushalt & Küche" gerne verrichte, ich als Mann auch täte. Also nicht die Hausarbeit ansich, die macht niemandem Spaß und dennoch kann sich keiner vor ihr drücken. Ich meine eher die Kür: aufwendigere Dinner für Freunde zubereiten, backen mit den Kindern, Bentoboxen und so. Dass ich das entwickelt habe, liegt, glaube ich, an meinen Jahren als Stay-at-home-Mom. Die hätte ich als Mann so nicht gehabt. Und natürlich hätte ich nie die Pille genommen, nie einen Schwangerschaftstest gemacht, keine Wehen und keine Kaiserschnitte gehabt und niemals gestillt.

was wäre wenn

Welche Dinge lässt du lieber, weil du eine Frau bist?

Ich bin schon als Mädchen eher vorsichtig und mitunter ängstlich gewesen. Ich wäre nie nachts alleine irgendwo rum gelaufen, immer nur im Pulk oder am liebsten in männlicher Begleitung. Der sichere Abgang nach durchtanzten Nächten war mir wichtig, ich glaube, das ist etwas, das mir leider anerzogen wurde: als Mädchen/Frau musst du besonders gut auf dich aufpassen. Ich jogge nicht alleine im Wald oder in einsamen Parks, ich benutze nachts keine öffentlichen Verkehrsmittel und laufe nachts nicht (oder nur sehr ungern) allein zu Fuß durch die Stadt. Das kriege ich auch nicht mehr raus und überlege schon verzweifelt, was ich mal anstelle, um meine eigene, sorgfältig anerzogene Angst/Vorsicht diesbezüglich nicht auf meine Töchter zu übertragen… Was wäre wenn ich ein Mann wäre? Dann würde ich all diese Gefühle nur vom Hörensagen kennen.

Durch welche Klischees fühlst du dich persönlich beeinträchtigt?

Ehrlich gesagt nerven mich alle Genderklischees, selbst wenn sie mich nicht persönlich betreffen. Mich nervt es, wenn im Supermarkt in pastellfarbenen Flaschen Grillsaucen "Für Sie" angepriesen werden, während daneben die mit Bullenköpfen versehenen Männersaucen in Schwarz und Braun sich stapeln. Mich nervt es, wenn meinen Töchtern ein Interesse an Ballett und Puppenspielen angedichtet wird, wenn sie vielleicht genauso gerne Kampfsport machen oder Skateboard fahren. Und mich nervt es, wenn im Autohaus/beim Anwalt/random jemand in  plump vertraulichem Ton zu mir sagt: "Das Verhandeln überlassen wir doch lieber den Männern." Aber mich ganz persönlich betreffen sicherlich am meisten die klassischen Mutterklischees. Ich bin der mütterliche Typ, allein schon wegen meines Übergewichts, oder etwa nicht? Ich koche doch bestimmt fantastisch und kann ganz kreativ handarbeiten? Ich bin die überbehütende Glucke und kann so schwer loslassen, das kennt man ja bei diesen "Muttertieren"? Und ich kenne das doch bestimmt auch, das Männer nie was finden und beim Einkaufen zwanzig Mal anrufen, diese hilflosen Exemplare von Mensch? Ich hasse das. Und ich finde es oft ganz schwer, mich dagegen zu wehren oder abzugrenzen.

In welcher Situation war es von Vorteil, zur Gruppe von Frauen zu gehören?

Ich liebe Frauen. Ich bin eine Frauen-Frau und ich habe es tatsächlich schon immer gut gefunden, dass ich selbst eine bin. Ich mochte es, in meiner Mutter, ihren Schwestern und meiner Großmutter starke Frauengenerationen zu sehen, die vor mir da waren und mir Wege geebnet haben und ich mag es, dass ich Töchter habe und hoffenlich dazu beitragen kann, dass sie ihre Wege als Frauen sicher und gut gehen können. Ich fühle mich wohl in der Gesellschaft von Frauen, sei es im beruflichen oder im privaten Umfeld und ich empfinde es tatsächlich immer als Vorteil, auf eine bestimmte Art verbindlicher Netzwerke und Unterstützung setzen zu können, die ich so nur unter Frauen kennen gelernt habe. 

Gibt es Situationen in denen das Geschlecht keine Rolle spielt?

Liebe. Ganz gleich, wem gegenüber. Sei es die Liebe zu einem Partner oder einer Partnerin, sei es die Liebe zu den eigenen Kindern, Eltern oder Geschwistern. Leidenschaft. Für andere Menschen, für eine Sache, für eine Tätigkeit, einen Job. Geboren werden und Sterben. Die großen Gleichmacher am Anfang und am Ende. Wahrscheinlich gibt es noch viel mehr, aber in diesen Dingen gibt es das "Was wäre wenn…?" meiner Meinung nach nicht.

Was wäre, wenn ich ein Mann wäre? Wie würde ich diese Fragen dann wohl beantworten? Ich möchte die Fragen gerne weiterreichen an folgende Kolleginnen und bin gespannt auf ihre Antworten:

Ladies, it's your turn!

Und ihr? Was wäre wenn ihr Männer wärt, meine lieben Leserinnen?

signatur

8 Comments

  1. Hat Spaß gemacht zu lesen! Danke für die ehrlichen und spannenden Antworten!

  2. Sehr gerne gelesen! Danke fürs Mitmachen. Hier geht’s zum Startpunkt und zur Liste derer, die mitgemacht haben: ich-mach-mir-die-welt.de/2015/05/blogstoeckchen/

  3. wundervolle Antworten. Vor allem die letzte Antwort – in der Liebe sind wir alle gleich – mag ich sehr!

  4. liebe anna,
    ich wusste, dass es bei dir nichts nur spannendes, sondern auch tiefgründiges über diese frage zu lesen geben würde.

    am meisten berührt hat mich deine antwort zu no. 3:

    “Was wäre wenn ich ein Mann wäre? Dann würde ich all diese Gefühle nur vom Hörensagen kennen.”

    das ist tasächlich wahr und gleichzeitig so traurig…. dass wir frauen uns selbst in einer zivilisierten gesellschaft immer noch bei so vielen gelegenheiten um unsere versehrtheit sorgen müssen.

    liebe grüße und danke!
    nic

  5. Liebe Anna,

    mit großem Interesse habe ich Deinen Text gelesen, denn Du hast eine wirklich um- und gleichzeitig weitsichtige Art, mit Worten umzugehen!

    Welche Frage mich umtreibt ist die, was Du als Mann nicht kennen würdest: die Angst um die eigene Unversehrtheit (die ich teile!). Ich frage mich, ob das wirklich anerzogene Tradition ist, diese Angst. Denn dazu würde die ebenso anerzogene Arroganz der Männer gehören, dass sie stärker sind und das Recht haben, sich zu nehmen, was sie wollen (denn zumindest ich für meinen Teil würde behaupten, dass die Angst vor dunklen Straßen, leeren Plätzen oder dem nächtlichen Wald sich im Wesentlichen auf Männer bezieht, die mir etwas anhaben könnten) – im idealen Umkehrschluss müsste es also auch beides nicht geben, oder?

    Ich werde das Stöckchen morgen auffangen und die Fragen beantworten und bin selbst noch gespannt, was dabei heraus kommen wird.

    Liebe Grüße,
    Carolin

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