Das Herzensmädchen ist ja schon wirklich eine Große, nicht nur weil sie so wahnsinning LANG ist, sondern weil sie auch, typisch große Schwester, so viel Verantwortung übernimmt und mir wirklich in vielen alltäglichen Kleinigkeiten eine große Unterstützung ist.
Aber natürlich ist sie erst 10. Und das heißt, dass sie zwischen Extremen lebt, vor allem gefühlsmäßig und was ihr Selbstbewusstsein angeht. Eigentlich findet sie sich toll: sie steht gerne vor dem Spiegel, sie frisiert an sich herum, sie zieht sich gerne zig mal um und probiert meine (nicht mehr sehr viele Nummern zu große) Schuhe an. Sie traut sich jede Menge zu, sie bewegt sich ziemlich sicher in ihren vertrauten Zusammenhängen und gibt ihren Geschwistern in vielen Situationen eine große Portion Sicherheit. Sie fährt alleine Bus, sie spricht ein wunderbares Englisch, sie ist eine blitzgescheite Kopfrechnerin und hat keine Angst davor, mit einem Erwachsenen in eine sachliche Diskussion ein zu steigen – dass es in ihrer Schule den Schwerpunkt “socratic seminar” im Unterricht gibt, macht sich dabei sehr bemerkbar und lässt uns oft alt aussehen, wenn sie mit wirklich guten Argumenten kommt und uns komplett in Frage stellt.
Aber, wie gesagt, das ist nur die eine Seite. Allzu oft schaut ihr im Spiegel ein anderes Herzensmädchen entgegen: eins, das sich plötzlich nicht traut, bei der Freundin die Nacht zu verbringen und abgeholt werden will. Eins, das panisch wird, wenn die Dinge nicht ihren gewohnten Gang nehmen, sondern abweichen von ihrer kleinen Norm. Eins, das sich manchmal mit viel Fantasie die schlimmsten Szenarien ausmalen kann, wenn es darum geht, sich Unbekanntem zu stellen.
Seit Neuestem geht es dabei um die Schule. Sie geht in die vierte Klasse einer internationalen Schule, das heißt, sie sieht nicht nur am Ende dieses Schuljahres wieder dem gefürchteten “mixing” entgegen (an dieser Schule wird alle 2 Jahre die gesamte Jahrgangsstufe mit Bedacht und System vermischt und zu neuen Klassen zusammengesetzt), sondern das Ende ihrer Zeit in der Primary School steht bevor. Nur noch ein Schuljahr, das fünfte, trennt sie vom Übergang in die Secondary School, der sie mit sehr gemischten Gefühlen entgegen sieht. Denn, und das ist einer der stärksten Aspekte bei den Sorgen, die sie hat: ab der sechsten Klasse gibt es echte, normale Noten. Von 1 bis 6.
Jetzt ist es allerdings mitnichten so, als gäbe es an ihrer Schule kein Bewertungssystem. Auch jetzt werden die Leistungen überprüft, gemessen und verglichen, allerdings ist es eben kein Zahlensystem von 1-6, sondern eben eine andere Einschätzung der Leistung (übrigens viel differenzierter als das klassische Notensystem, aber das nur am Rande) in den verschiedenen Fächern. Dennoch ist es eine standardisierte und vergleichbare Bewertung. In diesem Fall in Buchstaben, nicht in Zahlen. Soweit so gut.
Wie das aber mit Ängsten so ist: sie sind irrational. Und so sehr ich ihr auch erkläre, dass diese gefürchteten “Noten” nichts anderes sind, als eine Übersetzung dessen, was sie jetzt schon hat in ein anderes System – sie hat Angst, die Erwartungen nicht zu erfüllen. “Schlechte Noten” zu bekommen. Oder möglicherweise von der Schule zu müssen und dann an einer anderen Schule mit diesen “Noten” nicht zurecht zu kommen. Überhaupt, wie wolle sie wissen, ob sie vergleichbares Wissen hätte zu einem anderen 10jährigen Mädchen in der vierten Klasse in Berlin, das ginge ja gar nicht, denn ihre Schule hätte ein ganz anderes System und das ließe sich gar nicht vergleichen und deshalb habe sie Angst. Und alles sei dann so schwer ab der 6. Klasse, das wisse man ja. Und dann auch noch Noten! Was ich dann machen wolle, wenn sie schlechte Noten hätte! Was mein Notfallplan wäre, falls das einträfe: schlechte Noten!
Sprach ich: “Also, mein Kind, erstens sind Noten nicht das Wichtigste im Leben. Lass uns doch erst mal sehen, was für Noten da überhaupt kommen werden, wenn es so weit ist. Und zweitens: wir werden dich immer unterstützen, wenn du mit irgend etwas Schwierigkeiten haben solltest, wovon ich jetzt überhaupt nicht ausgehe. Und wenn ich und dein Vater an unsere Grenzen geraten sollten (ha! Als ob das jemals…!), dann würden wir eine andere Möglichkeit finden, dich zu unterstützen, zum Beispiel…” Wollte sagen: Nachhilfe, Spezialistenwissen, Bibliotheken, was auch immer. Sagt das Kind: “Google! Das Internet! Wir könnten ja immer im Internet nachschauen, wenn wir etwas nicht verstehen!” Mein Herz schlägt höher: ja, sie ist meine Tochter. Aber nein, das war jetzt nicht mein Punkt.
Während ich ihr mehr oder weniger gerade berichtete, was es für analoge Möglichkeiten der Lernhilfen gäbe, kam ein (angekündigtes) Bücherpaket vom Dudenverlag, gefüllt bis zum Rand mit den neuesten Lernhilfen aus der Reihe “Frag dein Team” für die Klassenstufen 5 und 6 in den Hauptfächern: Mathe, Deutsch, Englisch. Tadaaa.
Ich habe nämlich vor einigen Wochen eine Kooperationsanfrage vom Dudenverlag bekommen, die ich aus vollem Herzen beantwortet habe, da Schule, Bildung überhaupt eins der wichtigsten Themen für mich ist. Das Timing war sehr passend und mein Herzensmädchen ganz freiwillig genau die richtige, um das neue Material auszuprobieren.
Außerdem bot sich nun das perfekte Setup, um dem Herzensmädchen erstens zu demonstrieren, was man alles machen könnte, wenn es denn Schwierigkeiten gäbe und um zweitens mit ihr gemeinsam zu überprüfen, ob das, was sie bisher gelernt hat, vergleichbar wäre, mit dem, was andere Kinder an Regel(grund)schulen so gelernt haben sollten vor Eintritt in die fünfte Klasse.
Wir setzten uns also gemeinsam hin und schauten uns zunächst die Lernhilfen für die fünfte Klasse an.
Sie wählte Englisch zum Einstieg, blätterte vor und zurück, las in den Kapiteln, lachte und schüttelte den Kopf. “Mama, was’n Quatsch, so würde das überhaupt niemals jemand in echt sagen!” Und: “Was für ne Unterhaltung soll DAS denn sein, so redet doch niemand!” Tja, ihre Englischkenntnisse hat sie so anders erworben, als ihre Altersgenoss*innen an Regelschulen, dass ihr die Übungen in dem Buch albern vorkamen: wer Englisch als Betriebssprache seit dem 5. Lebensjahr hat und seine gesamte Schulzeit in allen Fächern in Englisch unterrichtet wurde, ist da wohl kein Maßstab. Ein Blick in die Lernhilfe für die 6. Klasse bestätigte das – das hier war nichts für sie. Gleichwohl pushte es das Selbstbewusstsein nach oben: also vor DER Note musste sie keine Angst haben, zumindest nicht im Vergleich mit den Altersgenoss*innen von anderen Schulen. (Ich verschwieg ihr an dieser Stelle mal, dass sie eher wie ein Native Speaker bewertet werden würde und dass ihr Englisch nicht mit dem Schulenglisch auf einer deutschen Regelschule verglichen würde, sondern mit anderen internationalen Schulen weltweit…. Wäre vielleicht in der Situation kontraproduktiv gewesen!)
Also Deutsch. Das passte schon eher. Sie las und löste Aufgaben und stieß auch mal an ihre Grenzen, weil in dem 6.-Klasse-Buch Themen aufkamen, die sie so noch gar nicht hatte. Allein mit den Vokabeln konnte sie nichts anfangen. Aber wir schauten uns das Buch genau an und diskutierten über den Aufbau. Bei der neue Lernhilfe-Reihe “Frag dein Team” im Dudenverlag ist nämlich die Idee aufgegriffen worden, die mein Herzensmädchen früher in der Diskussion gehabt hatte: man könnte das Internet fragen, sprich, man könnte in Nachhilfe-Foren sein Problem diskutieren (lassen).
Genau so sind die Kapitel in allen “Frag dein Team”-Bänden aufgebaut. Jedem Themenabschnitt wird eine quasi-Diskussion zwischen Forumsteilnehmern voran gestellt, in der jemand mit Anfängerstatus eine Frage stellt und ein Gespräch zwischen ihm und zwei anderen Forumsteilnehmern entsteht, mindestens einer von ihnen meist ausgestattet mit der richtigen Information zum Thema und dem ein oder anderen Lerntipp. Das Ganze nennt sich das neue Erklärprinzip der Lernhilfen-Reihe: es wird sozusagen simuliert, dass Schüler Schülern ihre Fragen beantworten.
Wir waren uns nicht ganz einig, wie wir das finden.
Ich finde die Idee dieses “Lernchats” ganz gut, das Herzensmädchen konnte der Idee nicht so wahnsinnig viel abgewinnen. Sie meinte, sie persönlich hätte lieber klassisch aufgebaute Lernkapitel, in denen sie vor- und zurück blättern kann und in denen sie sich dank eines vertrauten Systems schnell zurechtfinden könnte. Aber darüber haben wir kein abschließendes Urteil gefällt.
Wir haben ein paar Übungen ausprobiert und uns dann den zwei Bänden “Frag dein Mathe-Team” zugewendet. Hier mussten wir allerdings bei dem Band für die 6. Klasse kapitulieren: zu viel Stoff, den das Herzensmädchen noch gar nicht hatte. Aber mit den Übungen für die 5. Klasse kam sie ganz gut zurecht, was wiederum der Lösung ihres eigentlichen Problems sehr zuträglich war – denn wer Übungen für die 5. Klasse lösen kann, obwohl er erst in der 4. Klasse ist, der muss sich vielleicht vor schlechten Noten doch nicht so sehr fürchten.
Unser Fazit: die neuen Duden-Lernhilfen sind tauglich, sie decken den Stoff ab, der gekonnt werden muss und sind nett aufgemacht. Die Idee mit den Lernchats finden wir ok, mir gefällt sie besser als dem Herzensmädchen, aber sie tut sich ja manchmal schwer mit Neuem. In jedem Fall ist die neue “Frag dein Team”-Reihe aus dem Dudenverlag eine gute Abwechslung zu den üblichen Lernhilfen, die seit gefühlt 100 Jahren denselben Stoff auf dieselbe Weise aufbereiten.
Wir werden zumindest die Mathe- und die Deutsch-Lernhilfen weiter verwenden und uns damit über die Sorgen um potentiell schlechte Noten hinweg trösten. Das Herzensmädchen lässt übrigens an dieser Stelle schön grüßen: sie sagt, in Wirklichkeit freue sie sich auf die Secondary School und sei überhaupt insgesamt ziemlich cool. Wisster Bescheid.
Last Updated on 26. März 2018 by Anna Luz de León
2 Comments
Die Ängste deiner Tochter zeugen auch von Ehrgeiz um das mal positiv zu sehen. Meiner zehnjährigen ist Schule ziemlich egal. Sie geht dahin um ihre Freunde zu sehen, nebenbei ist eben Schule, sie ist nicht sonderlich gut aber auch nicht schlecht. Sie würde nie freiwillig eine Lernhilfe in Anspruch nehmen. Irgendwie find ich es cool, dass sie sich dieser Leistungsgesellschaft entzieht, aber es ist auch etwas besorgnisserregend. Sie will mal Frisörin werden. Mein Mann und ich haben studiert. Na ja mal schauen
Ist wohl immer schwierig, den Kindern zu zu sehen, wie sie ihre Wege wählen und sich so wenig wie möglich einzumischen, ohne den Blick aufs Große Ganze zu verlieren. Das Problem bei meiner ist ja, dass sie zwar alles schön und gut und richtig machen möchte, dass es aber bitte schön von selbst kommen soll. Sich dafür anstrengen zu müssen macht ihr nun nicht gerade Spaß bzw. in diesem Fall: die Aussicht darauf, dass es möglicherweise so sein könnte.
Na, wir werden sehen, was aus den Kindern noch wird. Aussteiger? Siedler und Selbstversorger im Niemandsland auf einer unbwohnten Insel? Frisörinnen? Oder doch was ganz anderes? Bleibt spannend!