Es ist Sonntag in Berlin. Ein (zunächst) sonniger Aprilsonntag, der gut beginnt, weil die Kinder wider ihre Gewohnheiten lange schlafen und die Eltern somit den Rausch der letzten Nacht ein bisschen besser verkraften können, bevor der Tag mit Kickstart beginnt: „Mama, ich möchte einen Kakao. Mit Sssstrohhalm!“ Und: „Mama, wusstest du, dass der Saturn viele hunderttausend Ringe hat, die aus kleinen Teilchen bestehen? Und nur von weitem sieht das aus wie ein paar große!“ Gefolgt von: „Mama, ich habe eben gespielt, dass ich Obi Wan Knobi bin und mein Esel wäre Han Solo. Und Darth Mauel, den gab’s gar nicht. Und ich muss Pipi!“
Spätestens in diesem Moment ist der nette Crémentrausch, der eigentlich erst 7 Stunden her ist, unendliche Weiten weit weg.
Und dann plätschert der Sonntag so vor sich hin mit Dingen, die man immer schon mal machen wollte und die auf der zigsten To-Do-Liste stehen, wie die Schränke der Kinder durchsehen und aussortieren, die zu kleinen Schuhe im Keller weggeben, die Sachen für Ebay endlich fotografieren und einstellen, die arme Hortensie in einen größeren Topf pflanzen, die Fotos vom letzten Familienshooting rahmen… und mit den Dingen, die wirklich dringend sind: Überweisungen machen, Hausaufgaben kontrollieren, Zöpfe flechten, Popos abputzen, Essen machen, verabreichen und die Reste wieder wegräumen (mehrfach), Fahrradhelme auf Kinderköpfe applizieren, regelmäßig aus dem Fenster schreien und die Kinder ermahnen, die Helme bitte wieder aufzusetzen und auch die Jacken wieder anzuziehen, überhaupt allerhand anmahnen…
Die ganze Zeit über denke ich: gleich setze ich mich mit meinem Laptop auf den Balkon. Ich räume nur noch schnell die Spülmaschine aus und mache mir einen Latte, dann nehme ich meine Notizen und setze mich raus. Aber dann kommt der Fahrradhelm und der Popo und der Zopf und das Telefon klingelt und der Nachbar kommt vorbei und es fängt an zu schütten und die Kinder kommen tropfnass reingerannt und die Sonne kommt raus und alle Kinder ziehen sich an und gehen wieder raus und mein Mann will, das ich im Keller mal gucke ob das weg kann undsoweiterundsoweiter. Plötzlich ist es 17:30 und ich muss Spargel schälen, wenn es heute die tolle Spargelsuppe mit Mettklößchen geben soll, wie ich es geplant habe, dann muss ich jetzt mal anfangen. Mein Latte steht immerhin da, den trinke ich nebenher und kriege ein bisschen schlechte Laune, als die Kleinste sich in die Hosen pieselt, weil sie zu spät reingekommen ist, um aufs Klo zu gehen.
Dann überschlägt sich die Zeit irgendwie, das ist das Sonntagsphänomen, denn mit einem Mal ist es Abend, die Kinder sitzen am Tisch und customizen ihre Suppen (die Große klaubt den Spargel raus, der Bub auch, außerdem rollt der noch die Erbsen an den Rand, nimmt sich aber vier Mettklößchen und die Kleinste isst alles, es darf aber nicht zu viel auf dem Teller sein, sondern muss sich gut verteilen, sonst ist es zu heiiiiiß, Mama!), mein Mann hat eine Flasche Weißwein aufgemacht, was heißt, dass es mindestens schon 19h ist und die Großeltern rufen an und wollen noch schnell skypen, bevor die Kinder ins Bett müssen.
Was ist mit unseren Sonntagen passiert? Als wir bis 11h schliefen, stundenlang irgendwo brunchen und über Flohmärkte laufen konnten und dann immer noch Zeit hatten, mit Freunden toll zu kochen oder ins Kino zu gehen. Das Wochenende war doch erst zu Ende, wenn montags morgens der Wecker klingelte. Und es gab zu allem einen supercoolen Soundtrack, es gab ständig Musik und Zigaretten und Kaffee und wahnsinnig wichtige Gespräche. Und gerne den ersten Wein oder was auch immer signifikant vor 19h. Ich hab sowas wie ein Sekunden-Flashback mit Musik.
Aber als ich meinen Sohn nochmal zudecke auf dem Weg nach unten, nachdem alle Kinder ins Bett gebracht wurden, vorgelesen bekommen haben und ich die Klamotten für Schul- und Kitakind rausgelegt habe, da hab ich etwas anderes im Ohr. Er schläft schon, zum Einschlafen braucht er stets nur Augenblicke, anders als seine Schwestern. Ich decke ihn zu und küsse seine feste kleine Hand, da schlägt er schläfrig die Augen auf und lächelt mich an: „Eine süße Mama bist du“, schläft sofort weiter.
Und ich weiß genau, was mein Soundtrack ist, nicht nur sonntags: ein remix aus „Love of my Life“ und „Twinkle twinkle, little Star“. Ich brauche keinen sophisticated Brunch, wenn ich mein Frühstückschaos habe und keinen Flohmarkt-Spaziergang, wenn ich die Schiedsrichterin beim Bobbycar-Rennen sein kann. Denn das ist der beste Sonntag, an dem ich die Mutter meiner Kinder bin.
Last Updated on 16. Oktober 2013 by Anna Luz de León
3 Comments
Oh Anna, genial und wahr! Mehr ist nicht dazu zu sagen.
Alles Liebe, Angelika
love it……
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