Letzte Woche fuhr ich mit dem Lieblingsbub im Auto vom Fußballtraining nach Hause, nur wir beide. Wir quatschten so über seinen Tag, er aß seinen Obstsnack und das Radio lief. Irgendwann drehte er lauter, weil er einen Song erkannte:

„Ne ganz normale fünfzig Stunden Woche
Heim kommen und erst mal für die Kleinen kochen
Ist für sie ja kein Problem
Weil die Kids für sie an erster Stelle stehen

Sie fragt sich wie es gelaufen wär'
Ohne Kinder
Selber laufen lernen
Aber ihr Tag lässt keine Pause zu
Sie will träumen, macht die Augen zu (…)“

Beim Refrain sang er laut mit und ich fragte mich gerade, woher er den Song kennt, da sagt er:

„Mama, fragen sich alle Mütter, wie es gelaufen wär’, ohne Kinder? Würden sie alle manchmal lieber was anderes machen und doch lieber ohne ihre Kinder sein? Und keine Mütter?“

Und jetzt folgte ein Gespräch zwischen uns, das eigentlich nur ganz kurz dauerte und das mir doch so wichtig war. Denn während ich dem Lied lauschte, ging mir durch den Kopf, dass ich dieses Gefühl nicht kenne: mir zu wünschen, dass mein Leben anders wäre. Dass ich nicht die Mutter meiner Kinder wäre. Dass ich mich ernsthaft wegwünsche in ein kinderloses Leben.

Ja, natürlich gibt es die Momente der absoluten Erschöpfung, in denen ich mir eine Pause herbeisehne, selbst von den entzückendsten Kindern der Welt. Die Momente, in denen ich die Nerven verliere und sie anschreie, weil der Alltag so oft einfach nicht rund läuft. Welche Mutter kennt die nicht? Und ja, ich denke gerne an die Zeiten vor den Kindern zurück, in denen ich nur mir selbst gehörte und auf wenig anderes Rücksicht nehmen musste in meinem täglichen Leben. Ich mochte mich auch ohne Kinder. Ich mag diese Version von mir immer noch: die jüngere, abenteuerlustigere Version, die mit noch weniger Schlaf auskam und Nächte durch lesen, reden, tanzen, trinken, feiern, leben und lieben konnte. Aber ich würde für nichts in der Welt dorthin zurück kehren wollen. Ich hatte diese Zeit, ich hatte all das an Freiheit und Ungebundenheit, das ich mir vorstellen konnte und es war irgendwann einfach – gut.

Ich erinnere mich an den Tag meines ersten positiven Schwangerschaftstests, an meine übersprudelnde aufgeregte Freude, nicht wissend, was es eigentlich bedeutete: ich wurde Mutter. Ich erinnere mich an den Moment, in denen ich meine älteste Tochter das erste Mal in den Armen hielt und mich die Liebe und das Gefühl der grenzenlosen Verantwortung zugleich mit voller Wucht traf. Mit einem Schlag zu wissen, dass ich niemals zuvor mit solcher Intensität gefühlt hatte, irgend etwas, nicht Liebe, nicht Angst, nicht Trauer, nicht Ehrfurcht, kein Gefühl war damit vergleichbar, was ich jetzt empfand.

Ich erinnere mich an die Geburt meines Sohnes, der mir in die Arme gelegt wurde und mit dem dasselbe Gefühl, dieselbe Tiefe der Liebe und Hingabe zugleich viel leichter war, weil ich die Verantwortung längst angenommen hatte und gut und gerne mit ihr lebte, bereits seit vier Jahren. Und an die Geburt meiner Kleinsten, die uns komplettierte und mir mit dem ersten Blick aus ihren dunkelgrauen Augen sagte, dass ich auf nichts mehr wartete, dass sie es war, die in unserem Quartett noch gefehlt hatte und dass sie jetzt da war – und alles war gut.

Aber ich erinnere mich nicht an Momente in denen ich dachte, ich will dieses Leben nicht. Ich will diese Kinder nicht. Ich will etwas anderes, etwas, das ich hätte haben können, erleben können, fühlen können, wenn ich nicht die Mutter meiner Kinder geworden wäre. Seit meine Kinder da sind, gab es für mich nicht mehr das Gefühl, ich würde etwas versäumen. Und diese Erkenntnis erstaunt mich.

Denn vorher, da kannte ich diese Empfindungen. Zweifel, endlose Fragen über die Richtigkeit meiner Entscheidungen, Gefühle von Zerrissenheit und Unsicherheit und so oft die Frage: was wäre, wenn…? Wenn ich diese eine Beziehung beende und fortgehe? Wenn ich mein Studium abbreche und etwas ganz anderes mache? Wenn ich die Wohnung aufgebe und mit dem Rucksack und dem Around-the-World-Ticket in der Tasche ein Jahr auf Reisen gehe? Wenn ich diese eine verrückte Liebe wage und alle Erwartungen enttäusche? Was wäre wenn…?

Mich wegträumen, rumspinnen, mich fortwünschen, mir mich selbst in anderen Leben, Berufen, Ländern und mit anderen Menschen vorstellen – all das kenne ich. Aber nicht mehr, seit ich die Mutter meiner Kinder bin. Nie mehr wieder.

In dem Moment, als ich ihre Mutter wurde, gab es keine Fragen und keine Zweifel mehr über mich selbst. Es war, als hätte ich mein Leben lang darauf gewartet, zu ihnen zu gehören und mit ihnen aus dem Mann und mir, dem Paar, eine Familie zu machen. Nichts war je richtiger in meinem Leben, nicht davor und nicht seitdem.

Ich sitze also im Auto und höre mit dem Bub dieses Lied, „wenn sie tanzt ist sie woanders, für den Moment, dort wo sie will und wenn sie tanzt ist sie wer anders, lässt alles los, nur für das Gefühl, dann geht sie barfuß in New York, trampt alleine durch Alaska, springt vor Bali über Bord und taucht durch das blaue Wasser…“

Neben mir sitzt mein Sohn und singt laut mit und fragt mich, ob alle Mamas sich das wünschen: weg zu sein von ihren Kindern. Und ich sage ihm, es gibt immer Momente, in denen man mal genervt ist, das kennst du doch von mir, mein Süßer, dann platz mir mal die Hutschnur und ich muss mal im Garten tief Luft holen. So geht es vielen Müttern. Und manche wollen vielleicht wirklich mal weg, brauchen vielleicht mal eine größere Pause. Und dann kommen sie wieder.

Ich weiß nicht, ob das stimmt oder was Max Giesinger sich in seinem Songtext tatsächlich vorgestellt hat. Und natürlich gibt es Mütter, die nicht wiederkommen und solche, denen alles zu viel wird oder die mehr Hilfe und Unterstützung brauchen und die sich wirklich wegwünschen. Wegträumen. Damit ihr Alltag mit ihren Kindern erträglicher wird, weil es alles zu viel ist. Und das ist okay.

Doch ich fühle das nicht. Nie. Und vielleicht bin ich darin komisch oder eine Ausnahme, ich weiß es nicht. Aber so ist es. Ich bin genau richtig, dort wo ich bin. Mit meinen Kindern. Ich war nie besser, nie richtiger, in meinem ganzen Leben.

Und ich schaue meinen Sohn an, wie er im Takt wippt und mitsingt und aus seiner Sportflasche Wasser trinkt. Und an der roten Ampel lege ich meine Hand auf seine und sage: „Für mich ist das nicht so. Ich will nie weg von euch und ich wünsche mir auch nicht, alleine durch Alaska zu trampen, statt mit euch zu sein. Ich bin eure glückliche Mama, selbst wenn ich mal motze. Ich bin am allerbesten und am allerliebsten mit euch, nicht ohne euch.“

Da schaut er mich an und lächelt still und sagt: „Ich weiß das, Mama.“ Und das war vielleicht der beste Satz an diesem ganzen Tag.

 

56 Kommentare

  1. Es geht mir ganz genauso mit diesem Lied! Danke für den schönen Text ❤️☺

    LG, Steffi 

  2. Ich tanze auch manchmal wild und hemmungslos durch unser Wohnzimmer …. mit meinen Kids! Diese bedingungslose, tiefe Liebe, die du von Ihnen bekommst, können Trips durch Alaska und Bali nie und nimmer ersetzen. 

    Ich liebe deine Texte, sie gehen einem so unter die Haut und dann ganz tief ins Herz hinein. Alles Liebe Kristin

  3. Vielen Dank dafür! Und nein du bist zum Glück nicht allein mit diesem Gefühl.. Mir geht es genau so!!

     

     

  4. Liebe Anna, so ein schöner Text. Ich kann Dich gut nachvollziehen, würde gerne auch aus meiner Erfahrung  berichten, die irgendwo dazwischen liegt. Ich fühle mich auch genau richtig als Mama meiner Kinder und bin glücklich, ihre Mama zu sein. Ich genieße es, mit ihnen zu leben und sie zu begleiten. Ich würde es nicht anders haben wollen. Zugleich stelle ich mir immer wieder vor, wie es wäre, wenn ich nicht früh Mutter geworden wäre, so in der Theorie. Mein älteres Kind kam ungeplant, als ich gerade dabei war, an Schauspielschulen vorzusprechen. Dann klappte Schauspielschule nicht mehr. Ich bin dann einen beruflichen und künstlerischen Weg gegangen, der mich auch erfüllt, aber oft stelle ich mir vor, wie es wäre wenn ich zur Schauspielschule gegangen wäre und Schauspiel mein Hauptberuf geworden wäre. Manchmal werde ich dabei auch traurig und Google zu  lange Schauspielagenturen und andere Schauspieler. Es ist bei mir vielschichtig und nebeneinander existierend: Ich bin so gern Mama, meine Kinder sind mein größtes Geschenk und zugleich ist das "was wäre wenn" ist bei mir Thema. Ich kann mir vorstellen, dass es bei vielen auch so ist, die früh und ungeplant Mutter geworden sind. 

    • Tolle Antwort auf einen wunderschönen Text. Bei mir ist es genau andersherum. Ich bin relativ spät Mutter geworden und ich überlege, ob es besser für mich gewesen wäre, eher Mutter geworden zu sein. Ob ich mehr Nervenstärke hätte oder mein Leben einfach eher sinnvoller gewesen wäre.

  5. Ich liebe deine Texte! Sie berühren mich immer sehr, auch diesmal hab ich Tränchen in den Augenwinkeln. Und genauso fühle ich auch.

    Alles Liebe Birgit

  6. Jetzt muss ich eigentlich arbeiten und heule stattdessen. Deine Texte sind so unfassbar schön. Mit dem Lied geht es mir wie Dir – fast. Denn manchmal wird es mir doch auf eine Art zuviel, die mich dann tagträumen  lässt wie es wohl wäre – ohne Kinder. Allerdings würde ich dann niemals ernsthaft ohne sie sein wollen, es heißt einfach nur, dass ich mal einen Nachmittag ohne sie brauche. Und wenn ich den organisiert hab, ist auch alles wieder gut und ich vermisse sie sowieso wie blöd. :-)

  7. Das ist das schönste, was ich heute gelesen habe und gelesen haben werde. Bei diesem Lied denke ich immer genau das, was Du schreibst (nur nicht so schön formuliert) und Dein Text regt mich dazu an, darüber mit meinen Kindern auch kurz zu sprechen. Denn die beiden singen immer viele Texte mit, die sie hören. Liebe Grüße, Svenja

  8. Liebe Anna,

    schin wieder so ein traumhaft schöner Text von dir…der mich sooo sehr berührt und mir sooooo sehr aus dem Herzen spricht. Nur könnte ich das niemals so wundervoll formulieren;-)

    Aber mir geht es genauso! Für nichts in der Welt würde ich die Zeit auf "vor den Kindern" zurück drehen wollen! Ja, ich erinnere mich gern an zum Beispiel meine Studienzeit, diese unglaubliche Leichtigkeit und Unbeschwertheit. Und ja, auch ich habe Momente, in denen mir alles zuviel ist. Aber NIEMALS würde ich ein Leben ohne meine Kinder haben wollen! Sie sind das beste, was mir je passiert ist und es gibt immer wieder Situationen, in denen mein Herz über läuft vor Liebe und Stolz und auch ein bisschen Staunen darüber, dass ich die Mama von diesen drei Zauberwesen sein darf ❤️! Und das sage ich ihnen dann auch…"ich bin so froh, dass ich eure Mama sein darf"…das sind die schönsten Momente überhaupt.

    Danke!

  9. Hallo, ein wunderschöner Text. Wirklich ganz berührend. Ich kann nur schreiben das du und die Vorschreiben_ innen etwas ganz besonderes erleben und das ist, für mich, ein ganz besonderes Geschenk. Dieses bedingungslose Gefühl richtig im und mit dem Leben der Kinder zu sein, behaltet euch das. Ich kann es leider nur bedingt. Meine Kinder sind viel, viel zu früh gekommen, haben einen langen und harten Weg hinter sich und das hat mit uns allen was gemacht. Und ja, manchmal kann ich den Songtext nachvollziehen, dann wenn die Ängste und Sorgen einen überrollen, dann wenn das , was so lebensleicht sein sollte, das schwerste ist. Dann, wenn ich wie in einem paralelluniversum mit den Kids ganz normal bin, um dann doch extra Kurven zu drehen. Dann, wenn das "wäre wenn Spiel …" am schmerzhaftesten ist. Und manchmal auch wenn die Kraft nicht mehr ausreichend ist für uns alle vier, wenn uns gemeinsam auch Mal die Puste ausgeht.

    Und dann lese ich deinen Text, und ja, da finde ich mich auch. Und das ist auch ein Geschenk. Beides zu kennen, die Ambivalenz auszuhalten und gleichzeitig doch glücklich zu sein. Ich habe seit der extremen Zeit ein persönliches "Mantra": Ich wollte euch die Welt zeigen, doch IHR habt sie mir gezeigt.

    Vielen lieben Dank für den tollen Moment, für den tollen Text! LG Heike

  10. Witzigerweise habe ich (24 Jahre) meine Mutter während das Lied im Radio lief genau das gleiche gefragt. Sie hat ähnlichs geantwortet, aber eben auch erzählt das Sie in einem Interview gelesen hat das es in diesem Text um eine Frau geht die viel zu jung Mutter geworden ist und eben auch Alleinerziehend ist. Das heißt im Umkehrschluss natürlich nicht das alle jungen Alleinerziehenden Mütter Ihre Kinder bereuen. Trotzdem ist es denke ich das es eine andere Ausgangslage, als wenn man sich als Familie bewusst für ein Kind entscheidet und sich selber schon viele Wünsche erfüllt hat. Zumal sich das Phänomen "regreeting motherhood" ja durch alle Schichten zieht. 

    In jedem Fall ist der Text (wie alle deine Texte) total schön.

  11. Liebe Anna,

    geht mir genau so, ich habe es auch nie gedacht. (Kenne auch den Song nicht.) Aber manchmal überlegt was hätte man für ein anderes Leben und was würde man wohl so machen mit der vielen Zeit.

    Aber eins hast Du als Freie nicht, was aber eben viele andere haben: Du musst nicht zu einer bestimmten Zeit täglich früh im Büro sein und kommst erst nach 5-8h nach Hause, immer mit ein bisschen mehr oder weniger Zeitdruck, wo in der Zwischenzeit alles auf Stand Frühstück steht und machst dann alles parallel. Also muss man da noch unterscheiden denke ich. Aber das sind wohl nur Nuancen.

    LG Andrea

     

  12. Hab Tränen in den Augen! Es geht mir ganz genauso. Ich war nie glücklicher als heute mit meinen Kids. Unterschreibe jedes Wort.

  13. Was für ein berührender Text, was für ein Bekenntnis! Und einmal mehr triffst Du genau den Punkt und ich möchte das genau so unterschreiben… habe ich doch gestern ähnliches gedacht, als ich dieses Lied im Radio hörte. 

    Was für ein Geschenk, oder? Das man so im Reinen mit sich ist und sein Leben so betrachten und wertschätzen kann! 

    Danke, Anna, für das Teilen dieser wundervollen Gedanken!

  14. Als ich das Lied zum ersten Mal gehört habe, dachte ich, es passt in diese 'Regretting Motherhood Sache', die grade in Buchform so populär ist. Und die ich nie verstanden habe. Natürlich kommt man, alleinerziehend mit Mann und ohne groselterliche Hilfe, nahezu täglich mal an den Punkt, an dem einem alles zuviel wird, aber trotzdem würde ich die Sache an sich, nämlich Mutter zu sein, niemals infrage stellen! Grade in solchen Momenten hilft mir die Erinnerung daran, dass meine Beiden die gewünschesten Wunderkinder der Welt für mich sind. Da gibt es nichts zu bereuen. 

  15. Ich kenne es genauso und bin dafür unglaublich dankbar.

    Auch wenn es wahrlich NICHT immer rund lief/läuft:
    die Ehe ging schief, mindestens eines meiner Kinder passt klar in die Schublade "superanstrengend", ich habe durchaus öfter mal geschrien und tue es heute, da sie 15 und 17 sind, noch immer. Das ganz tief sitzende Gefühl aber, das ich ihnen gegenüber habe, ist eine sehr grundsätzliche Dankbarkeit dafür, dass sie da sind. Ich habe sie mir, recht früh, gewünscht und bekommen. Ich habe sie lieb und sie beide mich. Wir wissen, wie sehr wir uns aufeinander verlassen und wie sicher wir einander sein können, auch wenn's mal knirscht im Gebälk. Kaum vorstellbar, dass diese beiden vollwertigen Menschen in mir herangewachsen sind.  

    Ist das nicht, im allerreinsten Wortsinne, wundervoll?   

  16. Mich hat dieser Post sehr traurig gemacht. Denn es geht hier um ein sehr nachdenkliches, gesellschaftskritisches und, wie ich finde, auch sehr schönes Lied, bei dem ich noch nie darauf gekommen bin, dass man es auch so verstehen könnte, wie ich das hier lese.

    In dem Lied geht es um eine alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern, die neben ihrer Familie auch noch arbeiten geht. Das erschließt sich aus dem Text, aber vor allem auch um das dazugehörige Video. Max Giesinger hat (sagt Wikipedia) dabei an seine alleinerziehende Mutter gedacht. Erst als Erwachsenem ist ihm aufgefallen, was sie da eigentlich geleistet hat.

    Die Frau in dem Video ist noch sehr jung. Und sehr müde. Sie kommt erschöpft von der Arbeit. Die Kinder toben. Sie kocht das Essen. Die Kinder werfen mit Spaghetti. Ihr Blick fällt auf ein paar Urlaubsfotos, die sie alleine an Stränden und unter Palmen zeigen. Abends probiert sie vorm Spiegel ein schickes Kleid an, legt Ohrringe an – und dann steht hinter ihr das Kind, das schlecht geschlafen hat, mit Teddybär in der Hand. Zu dem sie sich dann – schick angezogen – aufs Bett legt. Weil sie eben bei ihren Kindern ist, und nicht mal mit Gleichaltrigen unterwegs sein kann.

    Meine alleinerziehende Nachbarin, die ebenfalls noch sehr jung ist, hat mir mal erzählt, dass sie sich in diesem Lied 1:1 wieder erkennt und beim ersten Hören fast geheult hat. Daran denke ich, wenn ich morgens um kurz vor sechs höre, wie sie aufsteht, und für ihre kleine Tochter Frühstück macht, bevor sie um viertel vor 7 zur Kita aufbrechen. Damit sie die nötige Umschulung machen kann, weil sie in ihrem alten Job mit Schicht- und Nachtarbeit und am Wochenende nicht mehr arbeiten kannn als alleinerziehende Mutter eines Kita-Kindes.

    In dem Lied geht es ja auch nicht darum, dass die Mutter ihre Kinder nicht will. Nein, die stehen für sie an erster Stelle. Nur, dass sie selbst deshalb eben keinerlei Freiräume hat. Sie hat in ihrem vollen Tag, ihrer vollen Woche, die anscheinend vor allem aus Job, Kindern und Haushalt bestehen, nur wenige Auszeiten für sich alleine. Nämlich dann, wenn sie zu Hause mit Kopfhörern tanzt und sich ein bisschen aus diesem kräftezehrenden Alltag wegträumt. Sie hätte eigentlich auch gerne einen Partner, weiß aber nicht einmal, ob sie sich eine Verabredung überhaupt noch trauen würde – selbst, wenn sie mal die Zeit dafür hätte.

    Ich finde, das ist ein sehr bewegendes und sehr einfühlsames Lied (zudem noch von einem Mann). In dem es nicht um den Wunsch geht, generell lieber kinderlos zu sein. Es geht um kleine Fluchten aus dem erschöpfenden Alleinerziehenden-Alltag.

    Jede/r darf in seinem Blog schreiben, was er/sie will. Aber ich empfinde diesen Text als Schlag in die Magengrube alleinerziehender, arbeitender Eltern, die jeden Abend vor Müdigkeit fast zusammen klappen, keinen Moment für sich haben, deren Geld am Ende des Monats doch nicht reicht und die nicht wissen, wie sie aus dieser Mühle herauskommen sollen. Die täglich bis zu 10 Stunden außer Haus sind, dann aber noch mit voller Kraft alleine ihren Kindern gerecht werden wollen. Gerade aus der Perspektive einer glücklich verheirateten Freiberuflerin ohne existentielle Sorgen.  Vielleicht war er ja gar nicht so gemeint.

     

    • Ich finde Deinen Kommentar sehr spannend. Ich kenne das Lied allerdings auch nicht, vielleicht habe ich den Text daher ganz anders wahrgenommen?
      Zumal Anna schreibt: "(…) und solche, denen alles zu viel wird oder die mehr Hilfe und Unterstützung brauchen und die sich wirklich wegwünschen. Wegträumen. Damit ihr Alltag mit ihren Kindern erträglicher wird, weil es alles zu viel ist. Und das ist okay." Sie schreibt lediglich, dass sie das nie hatte. 

      Ich selbst hatte dieses Gefühl auch nie als ich nur Einfach-Mama war. Seit ich zwei Kinder habe und mir Unterstützung fehlt, das Geld immer knapper wird und damit leider auch manche Möglichkeiten für Erholung, seitdem habe ich oft über dieses Regretting Motherhood nachgedacht.

      Nur ist es so, ich bereue es einfach nicht. Ich wünsche mir mehr Unterstützung, andere Strukturen in unserer Gesellschaft, eine artgerechtere Lebensweise für uns als Familie… Ich wünsche mir viel. Aber meine Kinder, mich als Mutter könnte ich nie und nimmer bereuen. Ich wollte immer Kinder und ich würde mein Leben nicht tauschen. Wenn, dann würde ich mit meinen Kindern am Strand tanzen wollen.

      Liebe Grüße 

      Julia

    • Ich bin seit 6 Jahren alleine mit meinen Kindern und arbeite Vollzeit. Oft 10 oder 12 Stunden am Stück. Ich klappe regelmäßig vor Erschöpfung zusammen. Trotzdem hat mich Annas Text sehr berührt und trotzdem ist mir der Song von Giesinger vom ersten Hören an auf die Nerven gegangen. Es geht mir nicht darum, woanders ohne Kinder zu sein. Ich hab mich nie gefragt, wie es gelaufen wär ohne Kinder. Ich will die Zeit mit meinen Kindern genießen, und ich will eben nicht die Zeit runterzählen bis sie ausziehen oder mir wünschen, ich wäre woanders. Ich hadere oft damit, denn es ist wirklich sauanstrengend, aber ich finde es wichtig, sich auf das Leben und die Liebe mit den Kindern zu besinnen, und daran hat mich Annas Text erinnert. Hier und jetzt zu sein.

      Wenn überhaupt, dann ist der Song ein Schlag für die Kinder, die sich anhören müssen, daß ihre Mutter sich weit weg träumt von ihnen, in eine "bessere" Welt, ohne sie.

      • Genau das denke ich auch immer, wenn ich das höre. Wie ist das für das Kind (also ihn), dessen Mutter sich woandershin wünscht…?

    • Liebe Gaby,

      mir ging es genauso: der Text und die Kommentare haben mich unglaublich verletzt.

      Gibt es da draußen wirklich so viele Menschen, die sich nicht vorstellen können, dass wenn man am Rande der Totalerschöpfung sich natürlich ein anderes Leben wünscht? Das hat nichts mit mangelnder Liebe zu den Kindern zu tun.

      Der Text wirkt auf mich so unwissend wie die Frage, warum afrikanische Kinder so hungrig drein schaun.

      Ich lebe genau das Leben: Alleinerziehend, 2 Kinder, minds. 50h/ Woche (vor 20 min habe ich Feierabend gemacht)… ich hatte vor Erschöpfung Lähmungen, meinen Kindern kann ich nicht im Ansatz das bieten, was andere können (insbesondere Zeit). Morgens übergebe ich mich vor Müdigkeit – prima Diät.

      Es tut mir unglaublich weh, diese Worte zu lesen.

      Aber eins: das Lied – wir tanzen dazu – meine Kinder und ich. Zusammen. Fast jeden Abend.

       

      • Liebe Jessica, ja, natürlich bin ich unwissend, wenn es um die Alltagsrealität Alleinerziehender geht, denn ich kenne das nicht aus eigener Anschauung. Ich bin allerdings die Tochter einer alleinerziehenden Mutter, also kenne ich es vielleicht doch…? Was mein Text jedenfalls nicht will ist, andere zu verletzen. Und ich würde dich bitten, ihn noch mal zu lesen, denn darin steht wirklich nirgends eine Verurteilung anderer Mütter und ihrer Lebensumstände. Es geht darin nur um meine eigene Perspektive auf mein Muttersein, darauf, dass ich mich damit “richtig” fühle (was für mich übrigens nicht selbstverständlich ist, aber das ist wieder ein anderes Thema). Nirgends schreibe ich: hurra, ich bin richtig und alle anderen nicht! Das schreibe ich nicht nur nicht, so denke und fühle ich auch nicht.
        Es tut mir leid, dass mein Text dir wehtut. Und es tut mir weh über die Anstrengungen deines Alltags mit deinen Kindern zu lesen. Es macht mich wütend, dass Alleinerziehende in diesem Land so wenig Unterstützung erhalten und so viele Frauen, die ich kenne, einen täglichen Kampf mit ihren Lebensumständen ausfechten. Und die Kinder mittendrin. Tatsächlich hat aber mein Artikel damit nichts zu tun, denn ich urteile in meinem Text nicht über dich oder andere Mütter, ich stelle keine Wertekategorien auf und ich erhebe mich nicht über andere. Das tue ich nie und werde es niemals tun, das ist nämlich gegen alles, woran ich glaube.
        Und wie könnte ich darüber urteilen, wie sehr andere Mütter ihre Kinder lieben?
        In meinem Artikel geht es nur um die Frage meines Sohnes und meine Erkenntnis, während ich ihm antwortete. Um nichts mehr und nichts weniger.

        Ich wünsch dir und deinen Kindern alles Liebe, Anna

    • Nein, das war er natürlich nicht, liebe Gaby. Ich habe jetzt den ganzen Tag darüber nachgedacht, wie es sein kann, dass mein Post so bei dir angekommen ist, denn auch nach nochmaligem Lesen kann ich darin nirgends eine Verurteilung oder Unverständnis für alleinerziehende Eltern finden. Nicht nur, weil ich das in diesem Text gar nicht ausdrücken wollte, sondern auch, weil mir nichts ferne läge, als mir ein Urteil über die Lebensrealität von Alleinerziehenden zu erlauben.

      Ich maße mir nicht an, zu wissen, wie es sein muss, alleine zuständig zu sein, immer alleine die Verantwortung zu tragen, für alles und immer immer auf Abruf sein zu müssen für die Kinder, weil niemand anderes da ist. Aber ich schreibe meinen Text auch aus einer sehr subjektiven Erfahrung, die ich mit diesem Lied hatte (dessen Hintergrund ich gar nicht kannte, danke für die Info) bzw. mit meinem Sohn, der aus dem Liedtext seine Frage an mich ableitete. Und ich habe lediglich darüber geschrieben, wie I C H diese Frage für M E I N Kind beantworte und wie ich ihm (und mir) diesen Liedtext erklärt habe. Er fragte sich ein bisschen ängstlich, ob Mütter das heimlich denken, ob Mütter sich insgeheim wegwünschen und vielleicht eines Tages tatsächlich gehen und nicht wiederkommen. Und das ist eine kindliche Urangst, auf die ich ihm, meinem Kind, geantwortet habe: das wird dir nicht passieren, denn für mich ist das nicht so.

      Nicht mehr und nicht weniger steht in diesem Artikel von heute. Nirgends steht, dass niemand das anders empfinden darf, nirgends steht, dass ich über Mütter urteile, die sich wegträumen oder ihnen abspreche, ihre Träume als Alltagsfluchten und Rettungsanker zu benutzen.

      Liebe Gaby, es tut mir leid, dass mein Text da irgend etwas in dir angesprochen hat, das dich traurig macht. Und ich bin dir ehrlich dankbar für deinen Kommentar, weil ich natürlich diese Perspektive in meiner subjektiven Sicht auf den Liedtext gar nicht mitgedacht habe. Aber das, was da schmerzt in dir oder auch in anderen Kommentatorinnen liegt nicht in meinem sehr persönlichen Text. Es liegt nicht in meinem Glück, die Mutter meiner Kinder zu sein, das sich im Gefühl zu meinen Kindern sicher nicht von der Liebe anderer Mütter zu ihren Kindern unterscheidet. Es liegt in den ungerechten Lebensumständen Alleinerziehender in Deutschland, in der mangelnden Unterstützung in diesem System und in den strukturellen Problemen, die zu erschöpften Eltern am Rande ihrer Kraft führen.

      Aber hier, auf diesem Blog und in diesem Text findet keine Wertung statt. Hier geht es nicht um “gute Mutter vs schlechte Mutter” oder darum, dass ich mich moralisch über die Frauen erheben würde, die das Lied anders hören oder deren Gefühle im Alltag sich von meinen unterscheiden. Darum geht es hier niemals.

      Alles Liebe, Anna

  17. Tränen in den Augen beim Satz Deines Sohnes: Ich weiß, Mama!

    Und ja, das Lied habe ich, haben wir -meine Töchter und ich- auch schon oft gehört. Und irgendetwas daran stößt mich ab, ärgert mich- weil es ein leeres Klichee ist, zu eindimensional. Dieses Bild der frustrierten Mutter, das ist es, glaube ich, was mich stört- als sei Mutter-Sein so ein Elend, so ein Gefangensein, so ein Stillstand. Es kommt so opfermäßig rüber, ao ausgeliefert…- für mich hat es etwas sehr Düsteres und Passives.

    Vermutlich kennen alle Mütter diese Momente der Überforderung- aber nie, niemals habe ich mich gefragt, was ohne meine Kinder wäre. Laufen lernen geht auch mit Kindern, das Leben ist nicht vorbei, auch Mütter sind noch da, anwesend, nicht ein Schatten ihrer selbst, die sich in ein anderes Leben wünschen…

    Naja, vielleicht gehts ja auch um eine ganz konkrete Geschichte, die der Sänger im Sinn hatte. Ich persönlich stoße mich jedesnmal an diesem Text, an diesem tristen Bild einer Frau, die sich aus ihrem Leben wegwünscht. Wegen der Kinder, die sie am Laufen lernen hindern….- einfach traurig.

     

  18. Oooh super schöner Text zu diesem Lied das sicher nicht nur deinen Buben zum Nachdenken bringt. 

    <3

  19. Es geht mir ganz genauso Anna, danke für diesen wichtigen Text! Mein Sohn steht auch total auf dieses Lied….:))

    LG Carola

  20. Ich wusste schon vor deinem Text, dass es um dieses Lied und genau diese Zeile gehen wird (bin von Twitter hierher gekommen) ich kommentiere jetzt, weil ich sehr gut verstehe, dass du natürlich keine Alleinerziehende bashst (es ist eindeutig ein ICH-Text). Ich weiß, dass du diese Zeile im Lied nicht nachvollziehen kannst, und ich sehe es auch als schwierig an, wenn Kinder darauf aufmerksam werden und sich auf einmal fragen, ob man sie bereut. Aber wie so vieles im Leben gibt es hier nicht eindeutiges Richtige oder Falsche, sondern ganz viel dazwischen. 

    Ich habe meine Kinder ungewollt von Anfang an alles n erzogen. Mittlerweile sind sie fast erwachsen. Ich kann die Stimmung und die Aussage des Songs nachvollziehen. Ich bin zutiefst dankbar,TROTZDEM sagen zu können, dass ich nichts bereue. Aber ich weiß auch, wie schmal der Grad ist und gestehe allen Menschen auch ambivalente Gefühle zu. 

    Musik ist ein Stück Kunst. Sicher ist der Song nicht hochkünstlerisch, aber er macht mit Menschen, was Kunst eben macht: er spricht sie an,auf einer Gefühlsebene, die in einem selbst schwingt und die zutiefst individuell ist. 

    So, wie ich respektiere, dass du auf deine Weise den Song fühlst, respektiere ich, dass andere anders fühlen. Ich finde, dein Text ist sehr schön, ganz auf DEIN Empfinden bezogen. Die Kommentare beziehen sich zum Teil auf gegensätzliches Enpfinden, es völlig in Ordnung und nachvollziehbar ist. Die Diskrepanz zwischen eigenen Empfinden und deinem darf auch traurig machen, finde ich. Aber ich hoffe doch, du schreibst nicht nur, um ANDERE glücklich zu machen? Das würde dir nämlich einen permanenten Maulkorb verpassen, weil es eben immer Nenschwn geben wird, die die selbe Situation aufgrund ihrer eigenen Geschichte aus einem anderen Blickwinkel sehen. Bemühen um Verständnis füreinander finde ich wichtig – von allen Seiten. 

  21. Nicht mal die Frau aus dem Song möchte ihr Leben ernsthaft auf die Zeit vor den Kindern zurückdrehen. Seht Euch mal das Video an, es ist toll gemacht! <3
    Dass man sich zwischendurch in Gedanken aus der Verantwortung ausklinken möchte und Sehnsucht hat nach diesem Gefühl der Unbeschwertheit, das mit 20 noch vorherrschte, finde ich normal.

    • Das Video sehe ich mir definitiv noch an, das kenne ich nämlich nicht. Ich kannte auch den Song nur am Rande und ich habe den Liedtext tatsächlich nicht auf die Lebenssituation einer Alleinerziehenden bezogen (oder gar darauf, dass da ein Sohn seine alleinerziehende Mutter würdigt), sondern hörte eher einen Mann, der ein Klischee “denkt” nach dem Motto, ach die Mütter, ewig an die Kinder gefesselt, das wollen die doch alle wegtanzen. Der Anlass für den Artikel war aber ja tatsächlich die Frage meines Sohnes danach, ob alle Mütter das in Wirklichkeit denken und ob sie sich möglicherweise nicht nur wegdenken sondern tatsächlich weggehen würden.

      Meine Antwort für ihn war vollkommen subjektiv und bezieht sich nur auf diese eine Mutter mit ihrem Kind, das eine Frage stellt: auf meinen Sohn und mich. Nicht mehr und nicht weniger. Und ja, natürlich ist die Sehnsucht nach Unbeschwertheit normal und auch das Gefühl, dass Verantwortung erdrückend sein kann. Aber darüber schreibe ich ja gar nicht. Ich schreibe nur darüber, dass ich mich nicht zurücksehne. Dass ich glücklich bin. Dass ich richtig bin, so wie ich jetzt bin.

      Und übrigens: bis dahin war es ein langer Weg. Aber das nur am Rande.

  22. ich habe den song immer (wirklich vom ersten hören – vielleicht wurde er auch so vorgestellt) als ein lied über eine alleinerziehende frau verstanden.

    "sie fragt sich, wie's gelaufen wär,

    ohne kinder, selber laufen lern"

    genau da liegt für mich der knackpunkt. diese frau träumt nicht von zurückliegenden reisen – sie träumt von einer freiheit, die sie nie hatte. von reisen, die sie nie erleben konnte. 

    und obwohl ich weder allein erziehend bin noch auf das reisen verzichten musste, kann ich diese gedanken bestens nachvollziehen. wäre das nicht schön, statt im grauen dorf an einem sonnigen strand zu sitzen? die wellen zu hören, den wind zu spüren?

    und während ich mir vorstelle, dort zu sitzen, höre ich kinderlachen. denn meine familie wäre mit mir dort.

    ich denke, von einer pause, einer flucht aus dem grauen alltag zu träumen, sagt nichts darüber, dass man das unter allen umständen allein tun würde. :)

    • So versteht eben jeder diesen Liedtext auf seine Weise. Ich hatte das Lied übrigens zuvor kaum auf dem Schirm und habe mich mit dem Text genau in dem Moment zum ersten Mal befasst, als mein Sohn mich danach fragte, ob alle Mütter sich insgeheim wegträumen würden. Ich las den Text später nach (ohne den Hintergrund zur Entstehung des Liedes zu kennen) und las: ein Klischee, gedacht von einem Mann, der sich vorstellt, dass Mütter so denken. Das steht zur Diskussion, aber das ist die Grundlage, auf der ich den Artikel geschrieben habe bzw die meine Gedanken darüber ausgelöst hat: wie empfinde ich das eigentlich? Wieso habe ich diese Abwehrreaktion, wenn ich das Lied höre? Und was ist eigentlich mit mir im Mutteralltag? Was macht das mit mir? Davon handelt mein Artikel. 

  23. Pingback: Freitagslieblinge 4/2/2017 – Glücksmomente in B

  24. ich finde es schön und wichtig von menschen wie dir, die ich als differenziert und reflektiert und kritisch in sachen mutter(glück)mythos kennen gelernt habe (also indirekt übers lesen :) ), solche texte zu lesen. und zwar aus der situation heraus oder eine situation beschreibend. weil mit so allgemeinen liebeserklärungen, wie man sie hie und da auch findet, tu ich persönlich mir immer schwer. das kratzt wieder nur so nah an norm-erzählungen. lg und danke <3

  25. Liebe Anna,

    vielen Dank für diesen tollen Text und deine Antworten auf die Kommentare. Ich kann die verschiedenen Sichtweisen zu diesem Lied und die unterschiedlichen Interpretationsweisen gut verstehen.

    Ich habe das Lied schon ein paarmal gehört und empfinde es auch immer als sehr traurig (und darf es sein, das Leben ist auch oft traurig), eben auch deshalb weil es eigene Gefühle anspricht und weil das Ideal der glücklichen Familie leider im realen Leben nicht immer möglich ist.

    Einmal saß meine Tochter im Kindergartenalter mit im Auto, als das Lied lief und da fragte ich mich ebenfalls: wie empfinden Kinder dieses Lied? Sie fragen sich vielleicht "Wünscht sich meine Mama auch weg?" Und ich glaube jede Mama kennt diese Gefühl der Überforderung, und den Wunsch danach, es möge anders laufen.

    Bei mir ist es vor allem oft darin bedingt, dass ich die hohen Ideale (geduldig und einfühlsam sein, etc) nicht erreiche. Wenn aber die Lebensumstände noch zusätzlich schwierig sind bekommt das Lied sicher nochmal eine andere Perspektive.

    Warum viele Leserinnen einen inneren Schmerz emfpinden kann ich mir eventuell dadurch erklären, dass es mir beim Lesen deiner Texte oft so geht, dass ich mir denke. "Oh, ich wünschte mir ich könnte auch so eindeutig positiv, so überglücklich empfinden." Dieses Bild, das ich dann im Kopf habe von dir und deiner  Familie kommt meinem Idealbild sehr nahe und dadurch wird der Schmerz, dass dieses Ideal in meinem Leben oft nicht erreicht wird gleichzeitig auch sichtbar. Das soll keineswegs heißen, dass du diesen Schmerz verursachst, oder anders schreiben solltest. Denn ich spüre beim Lesen genauso, dass es deine authentische Sichtweise und dein Erleben abbildet. Ich glaube die Kluft zwischen dem, was man sich im tiefsten Inneren wünscht, und der Realtiät, die man schaffen kann, wo man eben auf gewisse Grenzen (seien es Rahmenbedingungen von Außen, innere Blockaden, oä) stösst ist oft schmerzhaft. Trotzdem oder gerade deshalb liebe ich deine Texte. Weil ich spüre: es ist möglich diesem Ideal sehr nahe zu kommen. Danke dafür.

    • Liebe Isabell,

      ich danke dir von Herzen für deinen ausführlichen, differnzierten und fast liebevollen Kommentar. Dass du mir deinen Blick auf meine Texte sehen lässt, ist wie ein Geschenk für mich und erweitert mein “Sichtfeld” für meine Leserinnen immens. <3
      Natürlich schreibe ich immer nur über mich und bemühe mich, niemals Standards zu setzen und keine allgemeingültigen Wahrheiten zu verkünden. Das steht mir nicht zu und ist auch nicht meine Intention, wenn ich hier schreibe. Ich erlebe aber immer wieder, dass andere Mütter sich bei bestimmten Texten/Themen reflexartig abgrenzen und eine Art Gegenposition konstruieren bzw einnehmen, als hätte ich sie persönlich angegriffen. Es fällt mir oft schwer zu sehen, was in meinen Posts andere so triggern kann, dass sie so reagieren, aber dein Kommentar gibt mir noch mal eine neue Sicht darauf.
      Was das von dir beschriebene Ideal angeht: ich schreie auch. Und werde Türen. Hier wird auch viel gestritten und ausgefochten und selbstverständlich ruhe ich nicht wie die fleischgewordene Zen-Mom 24/7 in mir selbst. Vielleicht schreibe ich mal wieder mehr über meine eigenen Grenzen, die Kämpfe hier zu Hause und die Schwierigkeiten, sie ich mit meinem Mamasein durchaus auch habe... ich glaube aber an das Ideal und setze es um, so gut ich kann. Aber ich bin mir auch sehr bewusst, dass ich verdammt viel Glück (gehabt) habe bisher. Wenn man sich "heil" fühlt, fällt es leichter, die eigenen Ideale zu verfolgen.

      Danke dir noch mal für's Kommentieren. Und dafür, dass du meine Leserin bist.

      <3

  26. Ein wunderschöner, berührender Text. Ich danke dir dafür. Das Lied konnte ich auch nie nachvollziehen und hab es immer eher stirnrunzelnd gehört. An meinen Kindern stört mich nur, daß ich mich so spät entschieden habe welche zu bekommen. Auch wenn es oft anstrengend ist, ich ständig so müde bin. Aber ernsthaft ohne sie zu sein? Das Leben wünsche ich mir keine Sekunde.

    Und zu der ganzen Kritik: Wenn einem der Schuh nicht passt, sollte man ihn auch nicht anziehen. Ich habe darauf geachtet und konnte die Kurve zum "Aleinerziehende bashen" nicht kriegen.

    ❤  LG Simona 

  27. Petra Gartlinger Antworten

    Er hat das Lied ja FÜR seine alleinerziehende Mutter geschrieben. Insofern geht deine Interpretation, liebe Anna, komplett am wirklichen Thema vorbei. Du hast das Lied einfach nicht richtig verstanden.

    Gruß Petra

    • Liebe Petra, es spielt ehrlich gesagt für meinen Post überhaupt keine Rolle, wie das Lied gemeint ist (abgesehen davon, dass ich hier schon lang und breit erklärt habe, dass ich diese Hintergrundinfo beim Schreiben des Artikels nicht hatte). Denn ich habe lediglich darüber geschrieben, wie mein Sohn es gehört, was er mich gefragt, was ich ihm geantwortet und wie ich mich dabei gefühlt habe. Alles höchst subjektiv und mit keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Steht auch nirgends "Interpretation des Liedtextes von Max Giesinger" dran. Und übrigens steht auch nirgends: "Alleinerziehende sind schlechtere Mütter, dürfen sich nicht aus ihrem erschöpfenden Alltag wegwünschen und lieben ihre Kinder weniger als ich ." Aber auch wirklich nirgends. Nicht in diesem Post und auch in keinem anderen Post auf diesem Blog. Gruß, Anna

  28. Pingback: übers tanzen, das da sein und den frühling ::: 5 freitagslieblinge am 24. februar 2017

  29. Vielen Dank für den schönen Text, Anna!

    Jedes Mal, wenn wir das Lied hören, kann ich aus voller Überzeugung sagen, dass ich mich noch nie im Leben gefragt habe, wie es ohne diese beiden Wunder an meiner Seite gewesen wäre. Und das macht mich dann unheimlich glücklich. 

    Aber ich habe damals, als das Lied neu in's Radio kam, ein Interview von Max gehört. Er hat sich wohl bei seinen Konzerten viel mit ganz jungen Müttern unterhalten, viele davon ganz alleine. Wenn sie dann mal einen freien Abend hatten, auf sein Konzert konnten, dann war das etwas ganz besonderes. Sie haben sich für das Kind entschieden, aber fragen sich manchmal eben auch, wie ihr Leben ohne diese Entscheidung gelaufen wäre… 

    Wir können uns wohl sehr glücklich schätzen, wenn wir jedes Mal bei diesem Lied sagen, "Nein, das frage  ich mich nicht. Genau so wollte ich das und nicht anders. Egal wie schwer es manchmal auch ist".

     

    tanja 

     

  30. Liebe Anna,

    ein sehr schöner Text und eine sehr aufschlussreiche Diskussion.

    Ich fand Deinen Text in erster Linie berührend, obwohl er mich auch traurig gemacht hat.
    Ich habe zwei Kinder, die mittlerweile erwachsen sind und die ich allein aufgezogen habe.
    Traurig gemacht hat mich vor allem das Gefühl, dass ich Zeiten hatte, in denen ich überfordert war, durch Arbeit und nicht genug Zeit für die beiden, dem Wunsch nach einer neuen Partnerschaft und dass es verschiedener Anläufe bedurfte, um sich da wieder glücklich zu fühlen, gleichzeitig aber das Gefühl, dass die Kinder vielleicht dachten, sie würden mir nicht genügen, weil ich doch Sehnsucht hatte nach einem Partner an meiner Seite. usw. usf.

    Ich denke, als alleinerziehende Mutter mache ich mir zu vielen Dingen Vorwürfe, ich bedaure vieles, aber nie, dass ich die Kinder überhaupt habe.

    All das kommt immer wieder in mir hoch, aber nicht nur, wenn ich einen Text wie den Deinen lese. Es geht mir immer so, z.B. dann, wenn ich (auch im Bekanntenkreis) “komplette Familien” sehe, deren Kinder immer beide Eltern hatten und die nicht wie die meinen einem Mangel ausgesetzt waren.

    Aber vor Kurzem hat mir mein ältester Sohn, der auch der schwierigere von beiden war, ein Geschenk in Form eines Liedes gemacht, das er gehört hat und er meinte, er hätte dabei an mich gedacht. Ich musste weinen und ich kann es bis heute nicht hören, ohne dass mir die Tränen in die Augen steigen. Vielleicht kennst Du es, es heißt “Oft gefragt” von Annen May Kantereit, der Sänger hat es für seine alleinerziehende Mutter geschrieben:

    http://www.songtexte.com/songtext/annenmaykantereit/oft-gefragt-1b5b4510.html

    https://www.youtube.com/watch?v=KG9-jSqXz4U

    Liebe Grüße von M.

    • Dieses Lied von Annenmaykantereit kenne ich gut und ich liebe es. Es wirft in meinen Augen einen ganz anderen Blick auf die (alleinerziehende) Mutter und versucht nicht, ihr Verhalten/Gefühle zu konstruieren. Hier spricht nur der Sohn und schaut liebevoll auf seine Mutter, er bleibt bei s e i n e n Gefühlen. Das mag ich und es ist mir viel näher als der Giesinger-Song, der in meiner Wahrnehmung sehr vereinnahmend ist. Liebe Grüße an dich und danke dir für deine Gedanken!

  31. Wow, so viele Kommentare! :D Jetzt hab' ich's auch geschafft, den Beitrag zu lesen und kann den voll unterschreiben :) Es ist alles gut, so wie es ist… klar hätte auch ich gerne mehr Freizeit, Zeit, Dinge zu tun, die ich gern tue, aber ich kann keinen Tag ohne meine Kinder sein und bin ich es doch mal, dann fehlt was… ich weiss gar nicht, wie ich das einst machen werde, wenn sie grösser werden und irgendwann nicht mehr (so oft) bei mir/zuhause sind… 

  32. Danke, für diesen wundervollen Text. Ich habe ihn mit Tränen in den Augen gelesen, einfach wunderbar, und wahr.

  33. Ich bewundere dich, dass du sagen kannst, ich verschwende keinen Gedanken daran, wie es ohne Kinder wäre. Ich habe meinen Sohn relativ jung im Studium bekommen, das ich hoffentlich sehr bald abschließen werden. Ich frage mich jeden einzelnen Tag, wie es ohne ihn wäre. Natürlich liebe ich ihn über alles und jetzt kann ich nicht mehr ohne ihn sein. Trotzdem gibt es in meinen Gedanken eine Alternativwelt, in der ich schneller mit meiner Abschlussarbeit voran komme, weil ich den Großteil meiner Zeit ihr, statt meinem Kind widmen kann, eine Welt in der die Jobsuche jetzt nach dem Studium einfacher ist, weil ich mich nicht nach einer Familie richten muss und so weiter.

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