Was ist der Unterschied zwischen Flanieren und Bummeln? Ich glaube, das Wort “bummeln” ist fast zu deutsch, um es zu übersetzen. Eigentlich beschreibt es ja, dass man in einem langsamen Tempo geht, genauer gesagt, von Laden zu Laden, Schaufenster zu Schaufenster geht und sich alles anschaut. Flanieren ist damit verwandt. Auch hier bewegt man sich eher langsam fort und schaut sich um, allerdings geht es hierbei auch darum, selbst gesehen zu werden. Beim Flanieren zeigt man sich und betrachtet eher andere Menschen, als andere Dinge, egal, ob sie in Schaufenstern zu sehen sind oder ob es sich um eine Aussicht oder Sehenswürdigkeit handelt.

Flanieren oder Bummeln | berlinmittemom.com

In Biarritz, so ist mein Eindruck, ist das Flanieren ein Thema. Wenn ich die Stadt charakterisieren müsste, würde ich sagen, dass ihr Flair mich eher an Orte an der Côte d’Azur erinnert, als an die Orte entlang der Atlantikküste, die mir aus der Vergangenheit so vertraut sind; dabei ist es egal, ob ich mich dabei an die Sommer in der Bretagne erinnere oder an die in der Region um Bordeaux oder La Rochelle. Es geht mondän zu in Biarritz. Nirgends an der Atlantikküste habe ich bisher diesen Aspekt des “Flanierens” so gesehen, wie hier.

Biarritz 2022 | berlinmittemom.com

Bei unserem zweiten Ausflug ins Zentrum dieser so hübschen und vielseitigen Stadt, fallen mir zwei Dinge besonders auf: die Stadt ist lebhaft und gut gefüllt, es bewegen sich hier lässige Surfer und eher junge Menschen neben den teuer angezogenen und offenbar gut betuchten älteren Menschen durch die Stadt. Es herrscht eine entspannte und freundliche Atmosphäre, Cafés und Restaurants sind gut gefüllt, es gibt viel Musik und auch Straßenkunst. Aber während die Surfer ganz klar eine Erscheinung sind, die man an der Mittelmeerküste Frankreichs quasi nirgends findet, erinnert mich die andere Kohorte Personen, die ich hier beobachte, an die Flaneure an der Côte d’Azur – mit einem ganz signifikanten Unterschied: hier scheinen fast ausschließlich Französ*innen unterwegs zu sein.

Ich erinnere mich daran, dass man selbst in den 90ern schon z.B. in St Tropéz oder Ste Maxime, in Cannes, Nizza und Antibes, zu einem gigantisch hohen Anteil auf ausländische Tourist*innen traf. Man hörte auf den Straßen und an den Stränden, in den Geschäften, Clubs und Restaurants viel englisch, oft deutsch, später auch viel russisch, je nach dem, wo man war. Auch in den Strandorten der Gironde, in Cap Ferret, in Lacanau, in Carcans Plage, in Biscarosse, Mimizan und Maubuisson, überall erinnere ich mich an ein spürbares Aufkommen ausländischer Urlauber*innen, in den späten 80ern oft aus Deutschland. Dabei waren all diese Orte eben reine Strandorte, es war in keiner Weise “städtisch”.

Flanieren in Biarritz | berlinmittemom.com

Hier im Baskenland habe ich bisher kaum deutsch oder englisch gehört, ein paar mal spanisch, ansonsten nur französisch. Biarritz scheint ein Ort zu sein, an dem vor allem Französ*innen ihren Urlaub verbringen, denn an den Stränden und in den Geschäften, auf den Märkten und in den Restaurants sehe und höre ich hauptsächlich französische Familien mit ihren Kindern, sehe Paare und Cliquen von Freund*innen – alles Französ*innen. Und das unterscheidet diese Stadt signifikant von allen oben genannten Orten an der Côte d’Azur, wo in den Sommermonaten überwiegend ausländische Urlauber*innen das Stadt- und Straßenbild bestimmen.

Das macht das Flanieren übrigens zu etwas gänzlich anderem, als zB in St. Tropéz. Dort geht und ging es schon immer darum, sich zu zeigen als jemand, der dazugehört. Der es sich leisten kann. Europäischer Jetset. Leute mit Geld wie Heu oder solche, die diesen Eindruck erwecken wollen;  die zum Frühstück schon Champagner trinken, deren Yacht irgendwo in der Marina liegt, die in den angesagten (teuren) Restaurants essen und in den It-Boutiquen einkaufen. Die auf eine bestimmte (irgendwann auch wieder genormte) Art und Weise gekleidet sind und sich stylen. Die die Beach Clubs am Pampelonne bevölkern, Nikki Beach, Les Palmieres, Club 55, wo sie Valet Parkservice und Shuttleservice von der Yacht zum Beachclub in Anspruch nehmen und darauf Wert legen, “unter sich” zu sein.

Mit Teenagern in Biarritz | berlinmittemom.com

In Biarritz gibt es ganz klar Menschen mit Geld, Biarritz selbst scheint eine nicht gerade arme Stadt zu sein. Alles ist schön, alles ist gepflegt und in Schuss, aber in allem steckt eine große Gelassenheit. Hier wird sich nicht herausgeputzt, um anderen zu zeigen, was man hat. Hier wird das Leben gelebt – und genossen. Die Gleichzeitigkeit vom Surferleben in den wilden Wellen, das hoch geschätzt, bewundert und kultiviert wird und dem Leben der gut Betuchten, die das Stadtbild ebenso prägen, macht einen ganz besonderen Reiz aus.

Foccacia in Biarritz | berlinmittemom.com

Wir sind also mehr gebummelt als flaniert, haben Geschäfte besucht und ein bisschen eingekauft, haben von oben die Surfer an der Grande Plage bewundert und in einem Straßencafé köstliche Foccacia gegessen. Wir mögen Biarritz!

1 Kommentar

  1. Liebe Anna,
    durch Zufall habe ich vor einiger Zeit Deinen Blog entdeckt und bin seitdem entzückt! Fast jeden Tag lese ich voller Freude Deine Berichte aus Eurem Frankreich-Urlaub oder stöbere in älteren Beiträgen. Gerade die liebevollen und detaillierten Reiseberichte haben es mir angetan und versetzen mich täglich in Urlaubsstimmung. Ich lese gerne und viele Blogs, aber selten habe ich etwas so liebevolles “Tagebuch” entdeckt. Schön, dass Du uns daran so teilhaben lässt.
    Ich selbst habe zwar keine Kinder, finde aber die Berichte über Glück und Sorgen aus dem Familienalltag absolut interessant, zum Nachdenken anregend und äußerst unterhaltsam.
    Viele Grüße von einer gebürtigen Berlinerin (und auch immer noch dort Lebenden)!
    Yvonne

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