November ist Laternenzeit. Für mich, die ich im Rheinland geboren und aufgewachsen bin, hieß das in meiner Kindheit immer, dass eins meiner liebsten Feste vor der Tür stand: Sankt Martin. Das bedeutete Laternenbasteln und Runkelrüben schnitzen, Laternenlieder singen und mindestens zwei Martinsumzüge in den ersten zwei Novemberwochen: mit Spielmannszug, Sankt Martin auf dem Pferd, Weckmännern oder Zuckerbrezeln und einem riesigen Martinsfeuer. Außerdem gab es natürlich das obligatorische Martinssingen in der Nachbarschaft. Wir gingen mit unseren Laternen von Haus zu Haus und sangen Martinslieder, wenn die Türen geöffnet wurden. Dafür bekamen wir Mandarinen und Süßigkeiten, die wir in unsere Beutel sammelten und zu Hause zusammen schütteten.

Sankt Martin in Berlin, Schattentheater, Sophienkirche

Sankt Martin in Berlin, Feuer, Sophienkirche

In meiner Heimatstadt Koblenz gibt es Martinsumzüge in jedem Stadtteil und jeder hat seine Besonderheiten und seinen eigenen Charme. Hier in Berlin ist es mühsam, überhaupt einen Umzug zu finden, der auch nur in Ansätzen an die Martinsfeste meiner Kindheit erinnert. Und weil meine Kinder, vor allem mein großes Herzensmädchen, ebenfalls einige Martinsfeste im Rheinland mitgefeiert haben, sind ihre Erwartungen entsprechend.

Sankt Martin in Berlin, Martinslied, Martinsandacht

Sankt Martin in Berlin zu feiern ist nämlich eine Herausforderung. Wir haben in Mitte in der Sophienkirche eine schöne Martinstradition gefunden, in denen es wenigstens Elemente von dem gibt, womit ich groß geworden bin und wovon auch meine Kinder schon eine Ahnung erhascht haben, als sie noch nicht zur Schule gingen und wir zu Sankt Martin immer ins Rheinland fuhren. In der Sophiengemeinde wird gesungen, es gibt viele Kinder und eine sehr engagierte Pastorin, es gibt eine “Martina” auf einem Pferd und einen Laternenumzug, leider in diesem Jahr nicht mit Musik, was das Ganze sehr entzaubert. Dafür gibt es danach ein kleines Feuerchen im Kirchgarten und es werden Martins- und Laternenlieder mit Gitarre gesungen. Eine schöne Atmosphäre, ganz anders, aber schön. Mit Kinderpunsch und Grillwürstchen wird das Ganze abgerundet und in der Tradition von Sankt Martin wird geteilt. Aber es ist halt nicht wie früher…

Sankt Martin in Berlin, Sophienkirche, Familie

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Und weil das Herzensmädchen immer darüber mault, dass Sankt Martin in Berlin nicht funktioniert, weil “die hier in Berlin keine Ahnung haben von Martinszügen”, dass es keine großen Feuer und keine anständige Musik gäbe, keine Martins mit roten Mänteln und keine echten Weckmänner, wollte ich zumindest an diesem einen Punkt vorbeugen und habe erstmalig Stutenkerle aus Hefeteig gebacken.

Das Rezept ist einfach, ein Hefeteig mit wenig Zucker, der überwältigend aufging, so dass meine Weckmänner oder  Stutenkerle eher Stutenklopper geworden sind. Aber lecker waren sie, ganz locker und frisch und erinnerten mich im Geschmack an frische Brioche. Einen haben wir gleich noch warm aus dem Ofen verputzt und mit Butter und Himbeermarmelade genossen. Die anderen haben wir mit zum Martinsumzug genommen und sie am Feuer in der Sophienkirche geteilt, wie es sich gehört. Auch an Sankt Martin in Berlin.

Für 4 dicke Stutenkerle braucht man:

  • 1 kg Mehl
  • 2 Päckchen Trockenhefe
  • 1 TL Salz
  • 2 EL Zucker
  • 1 Päckchen Vanillin-Zucker
  • abgeriebene Schale von 1 unbehandelten Zitrone
  • 120 g Butter oder Margarine
  • 550 ml Milch
  • 2 Eier (Größe M)
  • 12 Rosinen
  • 20 g geschälte Mandeln (TIPP: Mandeln mit kochendem Wasser überbrühen und ein paar Minuten ziehen lassen – die Kerne lassen sich dann ganz leicht aus der Schale drücken)
  • 4 kleine Tonpfeifen (gibt`s beim Bäcker oder im Bastelgeschäft)
  • Backpapier

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Und so geht’s:

1. Mehl, Hefe, Zucker, Salz und Vanillezucker sowie den Abrieb der Zitrone in einer großen Rührschüssel miteinander vermischen, dann eine Mulde in das Gemisch drücken.

2. Butter/Margarine schmelzen und in die Mulde geben, das Ei und die Milch (bis auf 1-2 EL) dazu geben und alles mit den Knethaken eines Handrührers zu einem glatten Teig verarbeiten. Dann den Teig in der Rührschüssel mit einem sauberen Küchenhandtuch bedecken und im Ofen (Ober- und Unterhitze, Umluft trocknet den Teig eher aus) bei maximal 40° für 30 – 40 Minuten gehen lassen.

3. Den aufgegangenen Teig auf bemehlter Arbeitsplatte kräftig durchkneten und in vier Stücke teilen. Von jedem Stück ca. ein Drittel des Teiges abnehmen und daraus jeweils 1 Kopf und die Arme formen. Aus dem restlichen Stück eine Art dicke, flache Rolle formen und mit einem Messer unten längs einschneiden und die so entstandenen Beine nach außen biegen.

4. Das zweite Ei trennen und das Eiweiß als Klebstoff für Kopf und Arme benutzen. Rosinenaugen und -nase werden eingesetzt und die Pfeife in einen Arm gesteckt. Die Mandeln werden die Knöpfe auf dem Weckmannbauch. Auf diese Weise die Weckmänner zusammensetzen und mit einer Mischung aus dem Eigelb und der Milch bestreichen, bevor sie zum Backen in den Ofen (vorgeheizt auf 200° Umluft) gehen. Nach ca. 20 Minuten sind die Stutenklopper… äähh, Stutenkerle fertig.

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Sankt Martin in Berlin war schön, auch wenn die neuen Rituale nicht an meine Kindheitserinnerungen heranreichen. Aber vielleicht ist das mit Kindheitserinnerungen ja immer so. Und wenn meine Kinder mal erwachsen sind, erinnern sie sich vielleicht genauso liebevoll und ein bisschen wehmütig an die Feuerchen im Sophiengarten in Berlin Mitte. An die Schattenspiele in der Kirche und die Lieder, die wir gesungen haben. Vielleicht ja auch an die Stutenklopper, wer weiß? Ich bin dann hoffentlich noch da und kann sie fragen.

Was sind eure liebsten Bräuche in dieser Jahreszeit? Feiert ihr Sankt Martin? Oder freut ihr euch jetzt schon auf die Adventszeit und auf Nikolaus? Was immer ihr feiert, genießt es!

signatur

Last Updated on 19. Oktober 2014 by Anna Luz de León

9 Kommentare

  1. Liebe Luzie, du sprichst mir aus der Seele! St. Martin ist ein Fest, an das ich neben Weihnachten die schönsten Kindheitserinnerungen und -stimmungen habe. Leider sehen das andere offenbar nicht so: Unser Großer hat sich darüber beklagt, dass sie in der Schule nicht die Martinslieder geübt haben. So gehen diese schönen Traditionen allmählich leider verloren…

  2. Manuela Stratmann Antworten

    Hallo… hier ist es auch nicht so, wie in meiner Kindheit in Koblenz Metternich… alle Kinder von dem Stadtteil sind mit Laternen hinter einem Reiter zu einem riesigen Martinsfeuer gelaufen.. alle haben gesungen und da gab es Weckmänner mit Pfeife.. ich weiß das noch wie heute.Heute abend ist hier von unserem Kindergarten Treffen am Kirchplatz, singen und Brezeln teilen… bin mal gespannt … um 18 Uhr gehts los. Brezeln das ist für mich das Unding schlechthin.

  3. Och. wie toll. Ich kenne Sant Martin auch nur als Laternenlaufen. Hier und da gibt es noch ein Feuer. Aber die von dir beschriebene Art klingt wirklich toll <3

  4. Hallo, jetzt habe ich schon so viel vom Sakt Martin Fest, dass es mich ganz neugierig macht. Ich als Urberlinerin hab nämlich von dem Brauch und was sich dahinter verbirgt überhaupt keine Ahnung.
    Eine gute Freundin, die seit einigen Jahren nun in Berlin lebt, hat in unseren Freundeskreis das Thanksgiving Fest eingeführt und es ist jetzt eine wunderbare Tradition geworden, zu welcher wir alle etwas zu essen mitbringen und einen tollen Nachmittag/Abend verbringen. Das Wochenende steht für uns wie Weihnachten fest im Kalender!
    Aber ich würde mich freuen mehr über das Sankt Martin Fest zu erfahren!
    LG

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