Ich liebe mein Leben, so wie es ist. Und ich liebe meine Familie, mit all ihrer Energie, der Lautstärke und unser turbulentes Alltagsleben. Aber sehr oft während all unserer routinierten Abläufe fehlt mir die Ruhe im Alltag. Ich meine nicht so sehr die bewusst herbei geführten Pausen und Auszeiten, die ich mir während des Alltags schaffe, nur um mal durchzuatmen. Nein, ich meine die pure Stille.

Wie sehr mir diese Stille fehlt, merke ich im täglichen Leben vor allem in den Momenten, in denen sie plötzlich einsetzt und es um mich herum ruhig wird. Wenn beispielsweise die Kinder morgens das Haus verlassen haben und die Tür ins Schloss fällt und ich einfach nur da stehe, ohne mich zu rühren. Dann ist die Stille da und umfängt mich. Und ich lasse sie, wie sie ist, ich bewege mich nicht, um sie nicht zu stören und atme tief ein und aus, während sie mich einhüllt, wie eine kühle, wohltuende Morgenwolke.

In solchen Momenten wird mir wieder klar, dass S T I L L E nicht nur das Fehlen von Geräuschen oder Lärm ist. Stille ist die Bereitschaft, Ruhe im Alltag zu spüren. Ihr den Raum zu geben. Dieser Ruhe im Alltag die Möglichkeit geben, überhaupt erst stattzufinden. Die wohltuende Stille, die ich oben beschrieben habe, kann mich nur dann einhüllen und mich entspannen, wenn ich dafür offen bin und sie zulasse.

Mir gelingt das längst nicht immer, im Gegenteil. Aber ich habe mal versucht aufzuschreiben, was so meine Gedanken rund um die Stille im Alltag sind. 

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5 Ideen für mehr Ruhe im Alltag

1. Entspannen: Stille als Geschenk

Ich stelle fest, dass je dringender ich die Stille aktiv suche, umso geringer scheint meine Chance zu sein, sie zu finden. Ich schließe Türen zwischen mir und der Welt, mache die Fenster zu, weil draußen ein Nachbar Rasen mäht und ärgere mich, weil schon wieder so viele Geräusche mich stören. Aber jedes Mal wenn ich mich so einstelle, kommt die Stille nicht zu mir. Je weiter ich mich abwende und mir die Ohren zuhalte, umso lauter wird das Walla meines Alltags um mich her.

Also versuche ich, mich zu entspannen. Ich habe gelernt: meine Sehnsucht nach der Stille darf nicht selbst zu laut werden, sonst kann ich sie nicht spüren. Doch in den unerwarteten Augenblicken kommt sie zu mir und hüllt mich ein. Wenn ich diesem ganzen lauten "Außen" nicht mehr so viel Beachtunt schenke, sondern dieses Abwehrgefühl loslasse, mit dem ich meine, mich dagegen abschotten zu müssen, ist sie plötzlich da und schenkt mir einen ruhigen Moment. Ganz konkret bedeutet das, dass ich mich in Entspannung übe. Mich bewusst bemühe, mich nicht von Dingen aus der Ruhe bringen zu lassen. Oder von kleinen oder großen Menschen. Geht mal besser und mal schlechter, aber das ist für mich tatsächlich der Schlüssel zu geschenkten Momenten der Stille, nach denen ich mich manchmal so sehne.

2. Ausatmen: Stille zulassen

Aber dann ist sie da, die kleine kühle Morgenwolke, die mich ein bisschen runterholt und mir die Ruhe im Alltag schenkt – die Stille. Und noch während ich merke, wie ich ausatmen will, mahnt ein kleines Stimmchen in meinem Hinterkopf: "Du hast keine Zeit! Steh da nicht rum! Die To-Do-Liste! Das Telefon! Der Wocheneinkauf! Das Skype-Interview! Du musst das noch vorbereiten! Die Betten sind nicht gemacht! Die Fotos sind nicht fertig bearbeitet! Hörst du?! Der Trockner piepst! " Wenn ich nicht aufpasse, wird das Stimmchen lauter und mein stiller Moment löst sich in Luft auf…!

Ich habe gelernt, mir das Ausatmen zu gestatten. Mir zu erlauben, auch mal loszulassen. Dann sind die Betten grade halt mal nicht gemacht oder der Wäschekorb nicht ausgeräumt – für diesen kleinen ruhigen Moment, der zu mir kommt wie ein Geschenk, spielt das keine Rolle. Im Gegenteil. Ich lasse die Dreckwäsche und die To-Do-Liste los, ich lasse die unfertige Kolumne und die ungeschriebenen Rechnungen los und dafür die Ruhe hinein. Es ist ja nur für einen Augenblick, aber der ist wichtig.

3. Hierbleiben: Stille aushalten

Die Stille ist da und ich lasse mich von ihr umarmen. Für einen Moment bin ich entspannt und genieße. Aber ich freue mich so über den Augenblick, dass ich schon wieder ängstlich darüber nachdenke, wie lange er wohl bleiben wird. Wie lange habe ich, um mich anzulehnen? Wie viel Pause bekomme ich in diesem ruhigen Moment, bevor sich alles blitzschnell und geräuschvoll weiterdreht? Vor dem nächsten Anruf, der nächsten Aufgabe, dem nächsten "Mama!"?

Ich merke, dass ich ab und zu die Stille schlecht aushalten kann. Verwandt dem Stimmchen im Hinterkopf, das mich an meine Aufgaben erinnert, ist das wibbelige Gefühl, sofort wieder los zu wollen, der Ruhe nicht zu trauen, sondern stattdessen im vertrauten Trott Bestätigung zu suchen. Ich habe zu tun! Ich habe keine Zeit dafür! Aber tatsächlich ist es unendlich wichtig, das auszuhalten. Die Ruhe anzunehmen, nicht gleich wieder dem dringenden Wunsch nachzugeben, weiter zu machen, das Rädchen anzuschubsen, los zu rennen, weiter, weiter, weiter! Für meine Kinder bin ich oft "im Moment", nur für mich fällt mir das schwerer. Deshalb ist das bewusste Dableiben auch so wichtig für mich: ohne Ablenkung das eigene Still-Sein aushalten, kein Radio einschalten, nicht aufs Handy schauen, nicht schon das Ende der Stille vorwegnehmen.

4. Bin ich noch da? Stille herstellen

Die kleinen Momente der Ruhe sind die Akkus, an denen ich mich wieder auflade, aber viel häufiger ist ja die Kunst, damit klar zu kommen, dass um mich herum ganz und gar keine Stille herrscht. Die Kinder wirbeln, der Alltag dreht sich und ich bin mittendrin – im Auge des Sturms. Wir brauchen viel Kraft für unsere täglichen Aufgaben, aber wir brauchen sie nicht nur für unsere Kinder und ihre Bedürfnisse, sondern auch für uns selbst.

Wie finde ich die Ruhe und die Kraft für meinen Alltag, wenn es gar keine Stille um mich her gibt, in die ich mich einschmiegen kann? Die Antwort liegt in mir allein, denn im Auge des Sturms bin nur ich. Deshalb tut es mir manchmal so gut, mich selbst zu fragen: Wie sieht es da aus? Bin ich noch da? Habe ich noch genügend Luft da drinnen? 

Ich bin so selten allein, so selten für mich, dass ich das Gefühl mitunter kaum wiedererkannt habe – da bin nur ich. Und ich weiß nicht mehr, wie oft ich dieses Gefühl schon gesucht habe in all dem "WIR" des Alltags. Wahrscheinlich kennt jeder Mensch dieses Gefühl, aber ich glaube, Mütter kennen es besonders gut. Es gibt nie den Moment, in dem man nicht "in charge" ist und dabei verliert man leicht das Gespür für sich selbst.

Deshalb finde ich es für mich so wichtig, regelmäßig in mich hinein zu horchen und mir damit selbst einen Moment der Ruhe zu verschaffen. Bin ich okay? Gut, dann kann es weiter gehen. Brauche ich eine Pause? Dann her damit, aber flott.

5. Aufeinander aufpassen: gemeinsame Stille

Und dann sind da ja noch die Kinder und der Mann, die ich liebe und mit denen ich den Hauptanteil meiner Zeit verbringe. Es wirbelt und lärmt und lacht und rennt und schlägt Saltos. So ist das Leben mit meinen Liebsten – mit meiner Familie. Und ich sehe so oft, dass auch sie die Stille suchen und brauchen und wie jeder einzelne von ihnen sich darum bemüht, mal Ruhe zu finden im Alltag.

Für alle zusammen ist es gar nicht so leicht, Momente der Stille zu finden oder herzustellen. Aber wir versuchen es immer wieder, in dem Bemühen, aufeinander aufzupassen. Da sind die kleinen Augenblicke, wenn ich auf den Schulhof komme und mir die Kinder in die Arme fliegen. Jedes einzelne hat den Moment verdient, fest umarmt zu werden und den ganz und gar aufmerksamen Blick ins Gesicht mit der Frage: "Wie war dein Tag?" Dabei spüre ich ganz oft schon das erste Loslassen und Ausatmen bei den Kindern. Da ist der Moment der gemeinsamen Mahlzeit am Abend, der oft auch chaotisch und laut ist, manchmal aber auch ein Augenblick der Stille. Gestern hat die Große am Abendbrottisch auf der Terrasse angefangen zu singen, weil sie ihr Babysitterbaby auf dem Schoß hielt, und die seligen Gesichter der Minions waren wunderbar! Sie haben sich in das einfache Lied hineingelegt und ganz still gelauscht. Beim Mitsingen und dem Kanonversuch war's dann wieder wuselig, aber der Moment war für uns alle ruhig und erholsam. Und der beste Moment ist das Aufwachen am Wochenende. Ein Kind nach dem anderen kommt in unser Bett und bevor alle richtig wach werden, liegen wir da zusammen, ganz still. Wir sind einfach nur da und wir sind zusammen und spüren das ganz und gar.

Das ist gemeinsame Stille, die kleine Ruhe im Alltag, der Versuch, als Familie bewusst zusammen und füreinander da zu sein.

Was macht ihr um im Alltag mehr Ruhe zu finden? Meditiert ihr? Macht ihr Yoga? Trinkt ihr Schnaps? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen und Tipps.

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4 Kommentare

  1. in die Natur eintauchen, Pflanzen und Vögel beobachten, im Zwiegespräch mit mir und Gott sein, tief durchatmen, schweigen….

  2. Hallo Anna Luz,

    das gibt es ja nicht! Ich will einen Artikel zum Thema Stille im Alltag schreiben. Und bei der Recherche finde ich deinen Blog. Ok, das alleine ist ja noch nicht erstaunlinch. Aber der Zufall ist, dass ich deinen Blog gerade heute finde, wo ich dich gestern noch im Fernsehen bei Anne Will gesehen habe. Das warst du doch, oder?
    Zufälle gibt’s!

    Liebe Grüße aus dem relativ lauten Bonn!
    Sonja

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