Heute ist mein Blogeintrag tatsächlich ein Tagebucheintrag im Sinne von Notizen vom aktuellen Tag. Die Sonne scheint. Die Kinder sind unmotiviert, rebellisch und bockig. Als ich sie heute morgen weckte, blieben die Minions einfach liegen und quatschten noch. Nach etwa zwanzig Minuten rief ich sie dann, ob sie mal aufstehen wollten – Antwort im Chor: “Wofür?!”

Berechtigte Frage. Es fällt uns allen schwer, gerade den Zweck unserer Handlungen zu erkennen, wenn alle täglichen Rituale und Handlungen aus dem Kontext gelöst oder durch andere ersetzt werden. Tatsächlich ist ja nichts wie zuvor. Und das Adaptieren dauert an.

Neue Abläufe, alte Rituale – Was passt zusammen?

Immerhin haben wir ein paar neue Rituale, die uns auch ein bisschen Struktur geben, auch wenn die Sinnhaftigkeit nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Zum Beispiel Aufstehen, um damit anzufangen. Der Mann ist ne Lerche und steht superfrüh auf, damit er noch Zeit für sich hat. Ich bin die Eule und schlafe als Letzte ein, daher stehe ich erst deutlich nach ihm auf. Das ist im Moment meistens so gegen 7h, was mir immerhin 45 Minuten mehr Schlafenszeit gibt, als in meinem “normalen” Alltag.

Die Kinder wecke ich gegen 7:30h, wenn ich schon aus dem Bad bin, aber dann geht mein Karussell schon los. Vor dem Frühstück mache ich Wäsche. Waschen, den Trockner beladen, aufhängen, abnehmen, falten, auf Wäschekörbe verteilen. Außerdem muss ich das Schlafzimmer aufräumen und unser Bett machen, sonst kann ich den Tag nicht anfangen. Tick von mir, immer. Derweil ist der Mann unten, macht das Katzenklo sauber und füttert den Kater, räumt den Geschirrspüler aus und ggf. wieder ein, kocht Tee für alle und saugt in der Regel den Flur, wo der Kater in der Nacht meistens ein kleines Chaos anrichtet.

Die Kinder haben Zeit bis um 8h, sich zu duschen, wenn sie wollen, sich aber auf jeden Fall anzuziehen und ihre Betten zu machen, die Zimmer zu lüften und ihre Klamotten vom Vortag wegzuräumen. Dann frühstücken wir. So der Plan.

Heute hat das alles nicht so gut geklappt – was an der mangelnden Motivation der Kinder und an meinem Unvermögen lag, die Sinnhaftigkeit von “Aufstehen” und “Homeschooling” überzeugend zu vermitteln. Hmmpff.

Homeschooling in Zeiten von Corona | berlinmittemom.com

Eigentlich sitzen wir dann morgens um 9h am Esstisch, jeder hat dort seinen festen Arbeitsplatz und wir checken die Mails mit den  Aufgaben, die jedes Kind aus der Schule täglich bekommt. Heute war es dank dem verzögerten Start in den Tag ein bisschen später und ziemlich genau 50% meiner Homeschoolers haben dann auch weiter in der Verweigerungshaltung verharrt. Schwierig. Dann merke ich immer sehr gut, dass ich eben k e i n e Lehrerin bin, sondern die Mama, die vom Verhalten ihrer Kinder getriggert wird, es wider besseren Wissens persönlich nimmt und dann halt gern mal explodiert. Gar nicht hilfreich.

Der Bub und ich hatten heute genau so einen Tag. Wir kamen nicht zueinander, sind wegen allem aneinandergeraten und schon um 10:35 war die erste familiäre Vollkrise da, die dann natürlich alle anderen mitgerissen hat, denn wer kann sich schon wegducken in so einem Mikrokosmos, wenn ein Wirbelsturm sich immer schneller dreht und seine Kräfte entfaltet? Genau. Keiner. Er hat sich dann in seinem Zimmer ausgetobt und ich bin mal kurz raus vor die Tür. Danach ging es wieder.

Zum Glück drehen hier nicht alle gleichzeitig durch und das Goldkind hatte heute die Ruhe weg und hat sehr selbständig gearbeitet. Dafür bin ich sehr dankbar.

Die neuen Routinen: Lernen, Streiten, Kochen, Atmen – repeat

Der Vormittag ist verflogen wie immer und ab 12h bin ich damit beschäftigt, Mittagessen vorzubereiten. Die Große isst meistens nicht mit und der Mann fastet zur Zeit, so dass ich in der Regel aus den Resten vom Vorabend was für die zwei “Kleinen” und mich vorbereite oder eben eine Kleinigkeit mache. Vom Ratatouille gestern Abend war noch sehr viel Reis übrig, also habe ich Gemüse geschnippelt (Möhren, Porree, Pilze) in die Pfanne geworfen und mit Knobi, Ingwer und scharfem Sesamöl angebraten, dann mit Sojasauce gelöscht, mit Pfeffer und gemahlenem Koriander abgeschmeckt und den übriggebliebenen Reis 5 Minuten mitgebraten. Getoppt hab ich das Ganze mit Cashewkernen und frischer Frühlingszwiebel, fertig war das Mittagessen.

Mittendrin hat das Goldkind unterstützt vom Mann noch ein Experiment für die Schule durchgeführt: wenn man vier gleich große Eiswürfel unter gleichen Bedingungen in Gläser gibt, den ersten mit Salz, den zweiten mit Zucker, den dritten mit Backpulver und den vierten mit gar nichts bestreut, welcher schmilzt dann als Erstes? Der Versuchsaufbau war einfach, aber dann musste alle fünf Minuten die Größe der Eiswürfel gemessen und notiert werden und das Ganze über zwanzig Minuten beobachtet werden. Die Küche war also die ganze Zeit in Betrieb.

Experiment fürs Homeschooling | berlinmittemom.com

Zum Glück ist das Wetter wunderbar, die Sonne knallte mittags in den Garten und so konnten alle nach dem Essen gleich ein bisschen lüften. Zum Ausgleich für das Dringehocke haben wir ein kleines Trampolin* gekauft und gestern aufgestellt, erst drinnen und heute dann im Garten. Es ist wirklich befreiend, darauf zu springen, den Kopf mal abzuschalten und ein bisschen rumzuspacken. Am besten mit Musik! Der Kater fand’s auch gut.

Und jetzt ist es kurz nach 15h. Seit einer knappen Stunde sitzt der Bub in der Küche wieder an Matheaufgaben und stöhnt, die Große backt Haferkekse und betreut ihn nebenher. Die Kleine sitzt mir hier gegenüber, hat meinen Kopfhörer aufgesetzt und schreibt ihren Versuchsverlauf genau auf, fügt Fotos ein, die sie davon gemacht hat und lädt das Ganze dann gleich auf die Plattform hoch, wo die Lehrerin die Aufgaben für den Tag einstellt. Bei ihr läuft das Ganze wirklich ziemlich gut und auch weitgehend störungsfrei. Beim Bub sieht das leider anders aus…

Die Abende laufen hier seit zehn Tagen fast immer gleich ab: ich koche und wir essen alle gemeinsam, dann suchen wir einen Film aus und schauen ihn gemeinsam. Im Moment arbeiten wir uns durch unsere ganzen alten Lieblingsdisneyfilme, das ist nostalgisch und schön. So etwas wie die Rückbesinnung auf uns selbst, einen Teil unserer Familienkultur, so lächerlich sich das anhört. Aber ich bin schon mit Disneyfilmen aufgewachsen (Cinderella, Schneewittchen, Robin Hood und Merlin&Mim zum Beispiel), ganz viele Lieder und Zitate aus diesen Filmen sind zwischen meinen Geschwistern und mir wie ein Geheimcode. Und mit meinen Kindern ist es nicht anders. Daher ist dieses “alte Lieblingsfilme schauen” etwas ganz Besonderes für uns, etwas, das uns verbindet und uns Nähe und Zugehörigkeit spüren lässt auf eine ganz direkte, emotionale und dennoch unkomplizierte Art und Weise. So gehen wir abends zu Bett und haben uns als letzte Tat des Tages noch mal etwas Gemeinsames spüren lassen.

Die Gefühlslage: Rückbesinnung auf den inneren Kompass

Heute bin ich im Gegensatz zu gestern nicht so ängstlich und traurig. Ich glaube, das liegt am wunderschönen blauen Himmel über uns und dem zauberhaften Vogelgezwitscher, das sich heute früh um fünf schon durch das geöffnete Schlafzimmerfenster in meine Träume geschlichen hat. Der Frühling gibt mir Zuversicht, irgendwie fühlt es sich so an, als müsste alles so sein, als wäre alles richtig, als gäbe es eben doch etwas, das Sinn ergibt und verlässlich ist. Die Traurigkeit ist fürs Erste von mir gewichen und ich bin dankbar dafür.

Mir ist gestern im Laufe des Tages wieder eingefallen, dass ich fast vergessen habe, täglich zu beten. Das hört sich komisch an, zumal ich hier auf dem Blog so gut wie nie über meinen christlichen Glauben oder seine Aspekte schreibe. Aber ja, ich bin tatsächlich gläubig, nicht religiös im klassischen Sinn, aber gläubig definitiv. Katholisch getauft, rheinisch-katholisch aufgewachsen (meint für alle Nichtrheinländer folgende Geisteshaltung: Gottvertrauen gepaart mit der Überzeugung, dass Lebensfreude mit allem, was dazu gehört, garantiert gottgewollt ist) und absolut von christlichen Grundwerten wie (Nächsten)Liebe, Barmherzigkeit, Großzügigkeit und Vergebung geprägt. Ganz viel meiner Grundüberzeugungen wurzeln in meinem Glauben, je älter ich werde, umso mehr stelle ich das fest.

Also: ich bete. Ich flehe nicht um Gnade oder Gesundheit oder Beistand, jedenfalls nicht als Grundhaltung im Gebet. Beten ist für mich die Rückversicherung meiner Verbindung zu Gott, so etwas wie die Rückkopplung zu meinen spirituellen Wurzeln. Darin enthalten ist immer Dankbarkeit und Liebe und natürlich die Besinnung auf das Vertrauen, das ich in Gott haben darf. Genug Religions- und Glaubenstalk, nur so viel: beten hilft mir. Ich bete und meditiere, das ist meine Art, mich zu erden, meinen Ängsten zu begegnen und wieder zu meiner positiven Grundhaltung zu finden. Mich darauf zu besinnen, hat mich gestern gerettet.

Tagebuchbloggen aus der Quarantäne | berlinmittemom.com

Wir planen nichts, wir bleiben einfach da

So gehen wir in die nächsten Tage und versuchen, uns zu rüsten. In der Spur zu bleiben, aber nicht zum Selbstzweck. Unseren inneren Kompass nicht nicht aus dem Blick zu verlieren. Uns aneinander zu halten und zu versuchen, wir selbst zu bleiben. Verbunden zu bleiben: mit der Welt, mit uns selbst, miteinander und auch mit allen, mit denen wir jetzt nicht zusammensein können.

Wir versuchen, das Beste draus zu machen.

 

 

12 Kommentare

  1. Ich bete auch jeden Abend, mitterweile wohl ungefähr aus ähnlichen Gründen wie du. Seit ich etwa 13, 14 bin und der damaligen Entwicklungsphase entsprechend wahnsinnige Zukunfts- und Sozialängste hatte. Jetzt bin ich Ende 30 und niemand weiß das über mich und es würde bestimmt auch niemand von mir vermuten. Damals hat es mir sehr geholfen und mitterweile ist es ein festes, kurzes (und tief persönliches) Ritual vorm Einschlafen. Schön, dass du sowas intimes teilst!

    • Ja, es ist wohl intim, da hast du recht. Auf der anderen Seite finde ich, dass es so hilfreich ist, so gut tut und so eine heilsame Wirkung auf mich hat, dass ich denke, ich sollte es teilen. Es ist ja auch im Grunde egal, wie wir es nennen: Meditation, Gebet, innere Einkehr… das ist einfach was Gutes. Die Verbindung zu Gott dabei zu spüren ist das Sahnehäubchen auf dem Kuchenstück für mich. Alles Liebe!

  2. Hallo Anna, danke für Deine Ehrlichkeit. Ich finde es gerade recht anstrengend, mich in die Schulaufgaben der Kinder voll mit reinzuhängen.. Nichtsdestotrotz habe ich das Gefühl, daß meiner Tochter so viel Zeit mit mir richtig gut tut. Der normal getaktete Alltag lässt manchmal nur wenig Zeit für solche Dinge wie etwas Aufwändiges zusammen nähen oder komplizirtere Kuchen herstellen. Sie ist gerade fröhlich und unbeschwert und wir sind uns gerade sehr nah. So schön wieder mehr von Dir zu lesen ! Ich schaue fast täglich auf Deinem Blog und bei Instagram nach neuem Input :-)
    Viele Grüße aus Schwaben,
    Petra

    • Liebe Petra, das hört sich schön und gut an. Wie toll, dass ihr dieser Zeit so viel Positives abgewinnen könnt, das freut mich so für euch. Und ich freue mich sehr, dass du gerne hier liest und auch das dir gut tut. Ganz liebe Grüße!

  3. Petra Häußermann Antworten

    Hallo Anna, ab und zu habe ich schon kommentiert. Leider war mein Kommentar nie zu sehen, warum ? Mache ich technisch etwas falsch oder ist inhaltlich etwas nicht in Ordnung?
    Viele Grüße, Petra

    • Liebe Petra, du machst alles richtig, das liegt nur an der Technik hier hinter den Kulissen. Jetzt sollte es aber klappen. Liebe Grüße!

  4. Vielen Dank für deine Worte in diesen unruhigen Zeiten. Ich lese immer gern bei dir und wollte dir Grüße da lassen!
    Im Moment sitze ich mit meinem 7 Wochen alten Baby zu Hause und darf keinen Besuch empfangen und niemanden sehen, das ist schwer für alle. Hoffentlich kommen wir alle gut wieder aus dieser Situation.

    • Liebe Caroline, erstmal herzlichen Glückwunsch zum Baby! Sowas Schönes! Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist, jetzt niemanden sehen zu dürfen, aber wir müssen uns alle daran festhalten, dass das ein vorübergehender Zustand ist. Versuch, die Zeit in Ruhe mit deinem Baby zu genießen, mach Facetime und Videocalls so viele du kannst und freu dich darauf, dass es bald soweit sein wird, dein Kindchen allen deinen Liebsten in die Arme zu legen. Wenn es wieder sicher ist für alle. Alles Liebe für euch!

      • Ja genau so handhaben wir es auch. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viel telefoniert und ‘gefacetimed’ wie zur Zeit :-)
        Euch auch alles Liebe, haltet durch (ich finde die “Daheim-Perspektive” des Homeschooling super interessant als Lehrerin) und bleibt gesund!

      • Und vielen Dank für die Glückwünsche!

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