Irgendwie kommt bei doch immer die Mädchenmutter durch, und ich stelle fest, dass die meisten meiner Titel auf den Lieblingslisten, die ich hier heimlich anlege, Mädchenbücher sind. Also gibt es heute ganz bewusst wieder einen Jungstitel, ganz passend zur gerade gestarteten EM: die wunderbaren Fußballgeschichten vom Franz.
Franz ist eine Figur der großartigen österreichischen Kinder- und Jugendbuchautorin Christine Nöstlinger, die bereits seit den 70er Jahren zahlreiche Bücher für Kinder und Jugendliche veröffentlicht und mit so gut wie allen renommierten Preisen in der Branche ausgezeichnet wurde. Und Franz ist ihr sympathischer Kinderbuchheld, über den es eine ganze Serie bei Oetinger in der Erstleserreihe Sonne-Mond-und-Sterne gibt: Schulgeschichten vom Franz, Freundschaftsgeschichten vom Franz, Hundegeschichten vom Franz, Detektivgeschichten vom Franz usw. Franz ist kein typischer Jungs-Junge und gerade das macht ihn so glaubwürdig: er ist eben nicht immer mutig und frech, sondern er hat auch mal Angst und traut sich nicht gleich alles. Manchmal wird er wegen seiner blonden Locken und seiner hellen Stimme für ein Mädchen gehalten oder von anderen Kindern deswegen aufgezogen. Das macht ihm natürlich zu schaffen und gerade diese Szenen, in denen er sich auseinandersetzen muss, in denen er sich Rat beim großen Bruder holt oder von seiner Mama getröstet werden muss sind die, die jedem Kind bekannt vorkommen werden und in die sich jedes Kind gut einfühlen kann.
In den Fußballgeschichten wird Franz beim Fußballspielen mit seinen Freunden (und vor den Augen seines Helden Josef!) eines Tages von einem Ball so hart getroffen, dass er in Ohnmacht fällt. Die anderen nennen ihn daraufhin ein “Weichei” und wollen ihn nicht mehr mitspielen lassen. Franz ist gekränkt und traurig, außerdem möchte er natürlich weiterhin fußballspielen. Seine Freundin Gabi, die beschlossen hat, mit ihren Freundinnen eine Mädchenfußballmannschaft zu gründen, lädt ihn ein, mitzuspielen, weil sie nicht genug Spielerinnen hat. Nach anfänglichem Zögern macht Franz mit und genießt es: hier ist er plötzlich der Beste! Aber dann steht ein Match an, Jungen gegen Mädchen. Und Franz gerät in den größten inneren Konflikt: spielt er mit den loyalen Mädchen, die zu ihm gehalten haben und setzt sich der Gefahr aus, von den anderen Jungs weiterhin ausgelacht zu werden?
Wie immer gelingt es Christine Nöstlinger, die Seelenlage eines Kinder, hier des Zweitklässlers Franz, feinfühlig und authentisch darzustellen. Keine gefühlig-blöden “Jungs dürfen auch weinen”-Parolen und auch keine Ratschläge à la “gelobtseiwashartmacht”. Hier geht es nicht nur um Fußball sondern um die ganz alltäglichen Konflikte eines Kindes: es geht um Freundschaft, um Loyalität, um den eigenen Stolz und die große Herausforderung, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Die Fußballgeschichten vom Franz sind ein rundherum empfehlenswertes Buch für kleine Jungs und Mädchen ab 5 zum Vorlesen oder für Größere (bis ca. 2. Klasse) zum Selberlesen. Schön illustriert von Erhard Dietl und größer gedruckt für die Leseanfänger, bewegt es sich mit der behandelten komplexen Thematik weit vor den konkurrierenden, eher genre-typischen Sammlungen von Fußballgeschichten, die es von anderen Autoren und Verlagen für Leseanfänger sonst noch so gibt.
Nöstlinger ist für mich immer schon eine der großen Könnerinnen des Fachs, ich habe sie als Kind und Jugendliche selbst gelesen und geliebt. Und wenn ich sie heute meinen Kindern vorlese, bin ich immer wieder bestätigt in meinem Urteil von damals: gute Kinderbücher zu schreiben, ist die Königsdisziplin. Es gilt, Kinder anzunehmen, sie ernst zu nehmen, ihnen etwas zuzutrauen, ihre Welt authentisch und realistisch darzustellen, mit allem Schönen und Schwierigen. Christine Nöstlinger kann’s einfach.
Volle Punktzahl für Franz und seine Schöpferin!
1 Comment
Alle Franzgeschichten sind super!! Charlotte hat gerade Liebesgeschichten vom Franz gelesen… Also manche aus der Serie auch für Mädels geeignet.