Das neue Jahr hat angefangen, ganz ohne, dass etwas Großes passiert ist. Oder ist es das doch? Wir Menschen neigen dazu, den Dingen, die geschehen, eine übergeordnete Bedeutung zuzuschreiben. Vielleicht, weil wir dann die Geschehnisse, die wir nicht kontrollieren können, besser einordnen können. Oder sie besser ertragen. Oder uns überhaupt einen Reim darauf machen können, warum die Dinge im Leben so passieren, wie sie eben passieren. Warum manche Phasen in unseren Leben so soft und leicht verlaufen und andere sich so hart anfühlen.

Neujahrsvorsätze? Ich fange klein an.

Viele Kolleginnen haben auf ihren Blogs oder ihren Social Media-Profilen Neujahrsvorsätze gepostet, einige haben tolle Challenges begonnen oder neue Rubriken angekündigt, und auch hier schwingt diese Idee vom Neuanfang mit: erster Januar, ein neues Jahr beginnt, wir glauben zu spüren, dass jetzt neue Türen sich öffnen könnten, dass wir Dinge ganz anders angehen und uns neue Ziele stecken möchten. Während ich über Weihnachten hier sozusagen Ferien gemacht habe, hatte ich auf Instagram regelmäßig Bilder gepostet und auch kurz vor Silvester etwas zu meinem Umgang mit Neujahrsvorsätzen geschrieben.

Dankbarkeit macht glücklich | berlinmittemom.com

Denn für mich persönlich ist es so: ich finde Neujahrsvorsätze durchaus auch schwierig. Nicht, weil ich Vorsätze grundsätzlich für was Blödes halte, im Gegenteil. Aber an die Idee, dass die Dinge sich vollständig ändern, einfach weil der erste Januar ist, glaube ich nicht. Natürlich ist das immer ein Anlass, sich schöne Dinge vorzunehmen und ich denke, wir sind alle nicht frei davon, Hoffnungen und die Idee von einer Art Neubeginn für uns selbst an ein solches Datum zu knüpfen. Es gehört schließlich auch zu unseren Bräuchen und der Kultur, in der wir aufgewachsen sind. Aber ich kenne mich. Ich weiß, dass ich umso mehr in alte Gewohnheiten zurückfalle, umso höher die Ziele sind, die ich mir stecke. Und ich glaube, damit bin ich nicht allein.

Deshalb beginne ich das neue Jahr auch hier auf dem Blog nicht mit vielen Vorsätzen, nicht mit neuen Ideen, wie ab jetzt alles anders sein wird, besser, cleaner, gesünder, schlauer, mit mehr Tiefgang, optimierter, technisch ausgefeilter, mit besseren Fotos oder gar mit Videocontent, mit einer neuen Challenge oder einem neuen Format. Genauso wenig, wie mein privates Ich eine Liste mit Neujahrsvorsätzen an den Kühlschrank gepinnt hat, die ich jetzt Woche für Woche abarbeite und abhake, wird mein Online-Ich, die Berlinmittemom, das für diesen Ort tun: mein Blog, meine Ecke vom Internet.

Stattdessen fange ich klein an. Vielleicht sogar demütig. Ich möchte nämlich das Blogjahr hier mit Dankbarkeit beginnen.

Gratitude is happiness

Traditionell ist die Vorweihnachtszeit oft die, in der wir zurückschauen und uns besinnen auf die Dinge, die gut waren in unserem aktuellen Jahr. Wir spüren oft genau dann die Dankbarkeit für alles, was uns Gutes widerfahren ist oder was wir Schönes erleben durften. Das ist wunderbar und ich habe das nicht nur schon vor einigen Jahren in einer Art Adventskalender “Dankbarkeit statt Sachen” hier praktiziert, sondern übe das Jahr quasi schon seit langem hier im Kleinen mit den Freitagslieblingen. Der positive Blick zurück ist für mich persönlich ganz wichtig und ich spüre immer wieder, wie mich das auflädt und die schwierigen Aspekte im Alltag relativiert. Daher fange ich das neue Jahr hier mit Dankbarkeit an und möchte euch mitnehmen in das Gefühl und die Idee, dass es nicht das Glück im Leben ist, dass uns dankbar macht, sondern die Dankbarkeit, die uns glücklich macht.

Eisblumen | berlinmittemom.com

Wofür ich dankbar bin

In erster Linie bin ich natürlich dankbar für meine Familie, dafür, dass alle weitgehend gesund geblieben und dass auch meine eigenen gesundheitlichen (Rücken-)Probleme soweit im Griff sind. Ich hatte wundervolle Menschen an meiner Seite in dieser fiesen Phase und wurde auch medizinisch großartig betreut. Das war etwas, das mich nach dem absoluten Tiefpunkt hat Hoffnung schöpfen und das sprichwörtliche Licht am Horizont hat sehen lassen.

Und dieser Moment im letzten Jahr ist auch mein Ausgangspunkt für meine Dankbarkeitsliste, die ich heute hier teilen möchte. Nicht, weil ich aus dem Nähkästchen plaudern will, sondern weil ich glaube, dass viele meiner Themen auf dieser Liste auf ganz viele von euch da draußen zutreffen. Es geht darum, was ich lernen durfte und musste und wieso ich dankbar dafür bin.

Dankbarkeit: Lernen, ertragen, annehmen

Ich bin dankbar für die Dinge, die ich im letzten Jahr lernen durfte. Manche lernte ich schmerzhaft, ich musste sie annehmen, ich musste ihren Sinn erkennen, sie aushalten und dann – danach handeln. Andere kamen ganz von selbst und leicht zu mir. Sie ließen sich einfach so aus der Luft pflücken und ich konnte sie mir zunutze machen.

Ich bin dankbar, dass ich lernen musste, meine Grenzen anzuerkennen.

Das letzte Jahr hat mir auf vielfältige Weise gezeigt, dass ich in vielen Dingen nicht einfach so weitermachen kann, als sei ich unendlich belastbar und meine Ressourcen niemals aufgebraucht. Körperlich war der Tiefpunkt mit der Rückengeschichte zu Ostern erreicht, mental und emotional begleitete mich das Thema “über meine Grenzen gehen” bis zum Jahresende. Ich habe gelernt, dass ich sagen darf und auch muss, wenn ich nicht mehr kann, wenn mir Sachen zu viel werden. Und dass ich auch die Menschen, die sich auf mich stützen oder mir Dinge abverlangen, weil ich eben eine von denen bin, die immer noch eine Schippe mehr vertragen, in ihre Schranken weisen kann. Ich bin dankbar, dass ich gelernt habe, das zu formulieren – auch wenn es ein bisschen gedauert hat und ich noch weiter üben muss, auf meine Grenzen zu achten.

Neujahrsspaziergeng | berlinmittemom.com

Ich bin dankbar, dass ich lernen musste, meinen eigenen Schmerz anzuerkennen und um Hilfe zu bitten.

Puh, das war schwer! Ich bin wirklich schon immer der Typ Mensch gewesen, den andere als belastbar und stark bezeichnen würden und das deckt sich auch mit meinem Bild von mir selbst: i c h kann alles aushalten, ich kann über meinen Schmerz und meine Belastbarkeit hinweggehen und noch jemanden auf meinen Schultern tragen! Aber auch hier, ähnlich wie beim Anerkennen meiner eigenen Grenzen, musste ich dieses Jahr lernen, dass es einen Punkt gibt, an dem ich nicht nur niemanden mehr stützen, sondern tatsächlich auch selbst ohne Unterstützung nicht weiterkann. Dass es ihn gibt, den Moment, in dem ich besser auf meine innere Stimme hören, besser auf meinen Körper hören und eben auch um Hilfe bitten muss. Ich musste lernen, dass Schmerzmittel zu nehmen nötig und berechtigt ist und dass es keinen Preis für Tapferkeit gibt oder für das Überspielen von tagelangen oder wochenlangen Schmerzen. Ich musste lernen, das auch vor meinen Kindern nicht zu verbergen, sondern stattdessen zu sagen: “Ich kann das nicht, ich brauche Hilfe.” Das war eine harte Lektion, aber ich bin dankbar dafür, sie gelernt zu haben. Ich hoffe, ich vergesse sie nie!

Ich bin dankbar, dass ich lernen durfte, wie sich Güte, Großzügigkeit und Nachsicht anfühlen, wenn ich all das für mich selbst aufbringe und nicht nur für andere.

Mit dem Anerkennen von Grenzen, Schmerz und der Bitte um Hilfe, habe ich noch etwas anders Wunderschönes gelernt, nämlich wie es ist, mit mir selbst geduldig, gütig und nachsichtig zu sein, so wie es mir bei anderen Menschen schon lange sehr leicht fällt. Damit will ich nicht sagen, dass ich anderen gegenüber stets geduldig und gütig bin, ich flippe ganz oft aus mit den Kindern oder verliere die Nerven, wenn andere auf ihnen herumtrampeln. Aber ich bin dennoch ein grundsätzlich großzügiger Mensch und kann für andere ohne Probleme viel Geduld und Nachsicht aufbringen. Tatsächlich fällt es mir immer leichter, gütig gegenüber anderen zu sein, als zu mir selbst.

Mir selbst etwas von Herzen zu gönnen fällt mir schon immer schwer: freie Zeit, einen Moment nur für mich, ohne etwas zu tun. Einfach da sein. Immer ist da die innere Stimme, die flüstert: “Du musst, du musst, aber du musst doch noch…”, so als müsse ich meine eigene Existenz durch ständiges Tun rechtfertigen. Tatsächlich versuche ich schon lange, dieser Stimme zu trotzen, aber Trotz ist kein gutes Gefühl. Er hat nichts mit dem warmen Gefühl zu tun, das sich einstellt, wenn ich es schaffe, mir selbst gegenüber wirklich gütig und großzügig zu sein. Und das habe ich wirklich erst dieses Jahr gelernt. Ich bin dankbar, dass ich jetzt wenigstens ab und zu mal in den Moment finde, in dem ich mir selbst Fehler verzeihen, eine zweite oder dritte Chance für etwas geben und mich einfach i c h sein lassen kann. Ein gutes Gefühl.

Happy me | berlinmittemom.com

Ich bin dankbar, dass ich in diesem Jahr wieder einmal erfahren durfte, was es in Freundschaften bedeutet, wirklich füreinander da zu sein.

Ich hatte meine Tiefpunkte, aber andere hatten noch tiefere. Ich hatte meine persönlichen Kämpfe, aber die von anderen waren noch erschöpfender, noch krasser und teilweise auch aussichtsloser. Was es bedeutet, sich an der Seite einer engen Freundin gemeinsam mit ihr auf ihren Schmerz, ihre Kämpfe und auch Niederlagen einzulassen, habe ich dieses Jahr wieder erlebt. Seit langem habe ich nicht mehr so sehr unter Beweis stellen müssen (und auch dürfen!), was ich für eine Freundin sein möchte. Was es bedeutet, nicht wegzusehen, auch wenn es weh tut, nicht wegzugehen, auch wenn man Angst bekommt und nicht zurück zu weichen, auch wenn man gar nicht weiß, womit genau man es zu tun bekommen wird. Ich bin dankbar dafür, dass ich dieses Jahr erfahren durfte, was hinter dem Schmerz kommt. Was passiert, wenn man gemeinsam der Angst ins Gesicht blickt und wie innig und wunderbar Freundschaften werden, wenn sie weiter gehen, als nur bis zum nächsten Prosecco am Mädelsabend – nicht dass solche Abende nicht ganz großartig wären! Aber die Innigkeit, mit der sich Freundinnen verbinden, die durch die dunkelsten Täler miteinander gehen, ist unauslöschlich und leuchtet hell selbst in der finstersten Nacht. Ich habe so etwas schon mal erlebt, als meine Mutter starb und ich geborgen war in solchen Freundschaften – das habe ich bis heute nicht vergessen und werde es nie. Diese Freundinnen sind noch tiefer in meinem Herzen verankert, als zuvor und werden es ewig sein. Seit letztem Jahr leuchten noch mehr helle Lichter an meinem Freundinnenhimmel und was wir gemeinsam erlebt haben wird uns für immer verbinden.

Ich bin dankbar dafür, dass das letzte Jahr mich daran erinnert hat, wie es ist, verbunden zu sein. Nicht nur mit den eigenen Kindern, dem geliebten Partner und der Herkunftsfamilie – auch das ist ja bei jedem anders. Ich durfte im letzten Jahr noch mal lernen, wie es ist, sich mit anderen verbunden zu fühlen und sie so sehr ins eigene Leben zu lassen, in das der anderen so sehr einzutauchen, dass eigene Sorgen und Ängste leichter und eigene Freude und Liebe größer werden. Dass die Probleme der anderen einen selbst so sehr berühren, dass man an der Lösung derselben beteiligt sein möchte. Und dass die Anteilnahme am Glück der anderen einen selbst glücklich macht.

Neujahrsspaziergang im Winterwald | berlinmittemom.com

Let’s do this, 2019

Das neue Jahr soll mich wieder wunderbare Dinge lehren. Ich möchte alles, was ich im letzten Jahr gelernt habe, manches leicht und manches schwer, weiter entwickeln. Ich will besser auf mich achten und aufpassen und dann auch: besser auf andere. Ich möchte mich nicht selbst optimieren durch die Vorsätze, die mich schneller, stärker, gesünder, leistungsfähiger, erfolgreicher oder attraktiver machen oder was es sonst noch alles für Ziele geben mag. Ich möchte mehr von den Dingen lernen, die mich weicher, gütiger, liebevoller, großzügiger, nachgiebiger, lichter, weiser, durchlässiger und offener machen. Ich möchte die schönen Verbindungen lebendig gestalten und sehen, was alles entstehen kann, wenn ich von Herzen gut zu mir bin und gut zu den Menschen, die ich liebe. Und dann, wer weiß, kommt am Ende noch jede Menge Liebe auf den Weg für noch mehr Menschen, deren Wege ich kreuzen darf.

Auf viele Begegnungen und immer genug Liebe für alle in 2019!

18 Comments

  1. Du bist so toll und ich liebe Deine so berührenden Texte. Danke für diesen schönen Start in den Tag!

  2. Liebe Anna, ein wundervoller Text, der mir richtig zu Herzen geht. Ich bin gerade vom Leben mit drei (noch relativ) kleinen Kindern so wahnsinnig erschöpft und möchte auch versuchen, bewusst mehr auf mich zu schauen.. Vielen Dank für diesen tollen Denkanstoss und Deinen Blog insgesamt!

    • Liebe Eva, danke dir für deine Worte. Es ist für mich unendlich wertvoll, solches Feedback zu bekommen, denn natürlich zweifle ich nicht zu selten auch an all dem hier: dem Blog, der Kurzlebigkeit der Gedanken und Texte hier, den vielen Anforderungen der Welt um mich her und meine kleine Ecke vom Internet… Da tut es unwahrscheinlich gut, von so vielen hier so eine schöne Rückmeldung zu bekommen. Danke dir dafür. Und was das erschöpfende Leben mit drei kleinen Kindern angeht: es wird besser, auf jeden Fall. Auf uns aufpassen müssen wir dennoch. Ich wünsch dir alles Liebe!

  3. Wow…was für ein Tex!!! Auch ich bin unendlich dankbar für jeden einzelnen (leichten oder anstrengenden) Tag im letzten Jahr und freue mich auf viele schöne Augenblicke in 2019. Dir und Deiner Familie einen tollen Start in das Jahr, möglichst viel Gesundheit, weiterhin so viel Energie, Euphorie und Begeisterungsfähigkeit und vor allem gaaanz viel Zufriedenheit. Danke für Deine Texte, die oft Balsam für die Seele sind.

    • Danke für die schönen Worte, liebe Tini. Ich wünsche dir auch ein zauberhaftes neues Jahr. Möge es dir all das bringen, was du lernen, erfahren und lieben sollst. Und all das, was dich wachsen lässt. Liebste Grüße!

  4. Ich schließe mich meiner Vorkommentatorin an, Balsam für die Seele! So ein schöner Text, der mich gerade durchatmen lässt. Dankeschön dafür!

  5. Ich bin so dankbar dafür, das ich dich habe! <3 Danke das du meine Freundin bist!

  6. Liebe Anna,
    wie wunderbar, diese Zeilen. Mir kamen fast die Tränen. Ich sitze in meiner Küche, neben mir auf dem Stuhl liegt meine Hündin und schläft. Sie ist seit längerer Zeit immer wieder mal krank und ich bin oft so traurig und ängstlich. Und doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß sich alles zum Guten wendet. Ein paar Straßen weiter wohnt mein Sohn mit seiner Familie. Mein Enkelkind Luise ist jetzt 7 Monate alt und das Glück unseren ganzen Familie. Dieses kleine, wunderbare Lebewesen zeigt mir, wie wichtig es ist gesund zu sein, Glück zu empfinden und unendlich viel
    Liebe zu geben… In diesem Sinne wünsche ich dir und allen anderen ein friedvolles, gesundes und glückliches Miteinander.
    Herzlich Romy :)!

  7. Liebe Anna, danke dir für diese wundervollen und berührenden Worte! Hinter mir liegt ein in jeder Hinsicht extremes Jahr – mit unfassbarer Trauer und Leid, aber auch wahnsinnigem Glück. Und auch ich bin dankbar für die Erfahrungen, die mir dieses Jahr gebracht hat, die mich herausgefordert und mich wachsen lassen haben, die mir in den dunkelsten Stunden herzerwärmende Begegnungen geschickt haben.
    Ich lese so ubglaublich gerne bei dir! Du schaffst es immer wieder, deine Gedanken so wunderbar in Worte zu fassen. Du lässt mich inne halten, reflektieren, die Perspektuve wechseln und bereicherst so oft meinen Alltag! Hab von Herzen Dank dafür! Ich wünsche dir ein zauberhaftes Jahr 2019

    • Was soll ich darauf antworten? So schöne Worte, so wertschätzend und wertvoll, ich danke dir von Herzen. Wie schön ist es für mich, zu wissen, dass ich solche Leserinnen habe wie dich! Das gibt mir ganz viel Auftrieb und beflügelt mich – ein wunderbarer Start ins Blogjahr 2019. Ich wünsch dir alles Liebe fürs neue Jahr, wir lesen uns hier!

  8. Pingback: Hello, 2021 | Neujahrsvorsätze und Erwartungshaltung vs Selbstwirksamkeit | berlinmittemom

Write A Comment