Ich bin seit fünfzehneinhalb Jahren Mutter. Plus die Zeit mit Baby im Bauch davor, also alles in allem schon ganz schön lang. Was hat sich eigentlich verändert, seit ich Mutter bin? Es ist ja nicht so, als hätte ich nicht genug Zeit gehabt, darüber mal nachzudenken. Aber tatsächlich könnte ich jetzt keine Liste erstellen mit beispielsweise den 10 Dingen, die sich in meinem Leben verändert haben, seit ich Mutter bin. Oder vielleicht will ich es nicht? Vielleicht ist es für mich einfach viel mehr als das? Möglicherweise bilden nämlich die Dinge, die auf dieser Liste landen würden, gar nicht das ab, was es für mich bedeutet – dieses Muttersein.
Mombie oder die Mama aus Bullerbü: wer bin ich, seit ich Mutter bin?
Auf meiner Liste stünden sicherlich Dinge wie: “Ich habe gefühlt seit fünfzehn Jahren nicht mehr durch-/ausgeschlafen” oder “Ich kann keinen Satz mehr beenden, der nicht mindestens einmal durch ein lautes “Mamaaaaa!” unterbrochen wird” oder “Mein Bauch ist nie mehr derselbe, seit ich drei Kinder bekommen habe”. Und ganz bestimmt auch “Ich bin meine eigene Mutter geworden (wenn ich meine Kinder ermahne)”! Diese Art Veränderungen kennen wir alle,
Aber wie habe i c h mich verändert, seit ich Mutter bin? Hat das Muttersein wirklich mein Leben komplett auf den Kopf gestellt?
Bin ich ein anderer Mensch, nur weil ich Kinder bekommen habe?
Gestern habe ich mich darüber mit einer anderen Mutter unterhalten, deren beide Kinder noch sehr viel kleiner sind, als meine. Sie steht noch am Anfang dieses Mutterseins, auch wenn sie natürlich bereits sehr viel eigene Erfahrung gesammelt hat, individuelle Erfahrungen, die sich von meinen durchaus unterscheiden. Denn jedes Kind ist anders, jede Mutter ist anders. Sie sagte, sie hätte niemals damit gerechnet, wie heftig dieser Schritt sei: vom Leben als kinderloser Mensch auf das Leben als Eltern. Als Mutter. Das ändert a l l e s. Und das ist so richtig, wie wenig sonst, das ich im Leben gelernt habe.
Ja, wir sind anders. Es gibt viele Metaphern, die ausdrücken, was es bedeutet: Mutter zu sein. Vom eigenen Herz, das man außerhalb des Körpers herumlaufen sieht, wenn man seine Kinder anschaut, ist da die Rede. Aber eben auch vom “Mombie”, der Mischung aus Mom + Zombie, ein Wesen, das nur noch dank starkem Kaffee und geheimen Superkräften funktioniert, das aber ansonsten eine Art Schattendasein führt. Es wird von der plötzlichen Fähigkeit berichtet, die eigenen Bedürfnisse komplett hinten anzustellen. Von der Verzweiflung darüber, vom vorherigen Leben abgeschnitten zu sein. Von Kommunikationsschwierigkeiten mit kinderlosen Menschen. Vom nicht mehr existenten Sexleben. Von den Legosteinen, die wie eine Ursuppe über Nacht den kompletten Fußboden der Wohnung bedecken und sich wie kleine Waffen in die nackte Fußsohle bohren – ein nie zuvor gekannter Schmerz.
Auch mit diesen Anekdoten zwischen Verzweiflung und bitterbösem Humor ließen sich endlose Listen anfertigen, sie füllen (Mamablogger-)Bücher und Blogs, Magazine und die Sozialen Netzwerke. Und sie haben alle ihre Berechtigung, denn natürlich steckt in allen auch sehr viel Wahrheit darüber, wie das Leben mit Kindern wirklich ist.
Für mich ist aber etwas anderes viel wichtiger, wenn ich mich anschaue und mich frage, was sich verändert hat, seit ich Mutter bin. Was würde ich meinen Kindern antworten, wenn sie mich fragen würden: Was ist an dir anders, seit du unsere Mama bist?
Seit ich Mutter bin…
Seit ihr da seid, bin ich anders. Nicht besser oder schlechter: anders. Seit ihr da seid und ich eure Mama bin, ist mein Mittelpunkt der Welt genau dort, wo ihr seid. Sei es Tag oder Nacht, ganz gleich, ob ich bei euch bin oder wir nicht zusammen sind. Was ihr erlebt, bewegt mein Herz, was euch widerfährt, widerfährt auch mir.
Euer Lachen ist meine Sonne, eure Trauer meine Nacht. Wenn ihr glücklich seid, geht ein Stern an meinem Himmel auf, jedes Mal aufs Neue. Und wenn ihr traurig seid, wenn jemand euch wehtut oder wenn ihr an Herausforderungen zu verzweifeln droht, zerreißt es mir das Herz. Ich weiß, dass alle Erfahrungen euch wachsen lassen, die guten wie die schlechten, aber ich wachse immerzu mit euch – ich habe zuvor nicht einmal ahnen können, was das bedeutet. Viele Dinge durchlebe ich mit euch erneut, denn auch ich habe als Kind diese Dinge erfahren. Jetzt stehe ich in der zweiten Reihe, ich sehe euch durch all das gehen, ich sehe euch eure Wege gehen und begreife, dass all meine Erfahrung euch nichts ersparen und euch auch nichts leichter machen kann. Seit ihr da seid habe ich gelernt, mich zurück zu nehmen und euch den Weg alleine finden und gehen zu lassen. Ich lerne es jeden Tag aufs Neue. Und wachse wieder ein Stückchen mit euch mit.
Ich habe nicht gewusst, wie unerschütterlich, unzweifelhaft und absolut ich lieben kann. Seit ihr da seid weiß ich, dass die Liebe, die ich zuvor für die größte hielt, noch steigerungsfähig ist. Da ist kein Kribbeln oder Flattern im Bauch, nein, wenn ich euch anschaue, spüre ich einen starken, warmen und unbeirrbaren Strom der Liebe – seine Quelle ist ewig und wird nie versiegen. Denn ihr speist die Quelle jeden Tag, seit ihr zu mir gekommen, mein Leben bereichert und meinen Horizont erweitert habt. Und auch wenn wir manchmal darum kämpfen müssen, unsere individuellen Verbindungen zu spüren, wir finden sie immer, jeden Tag. Das ist das unzerstörbare Band zwischen uns.
Seit ihr da seid, bin ich anders, denn ich trage die Verantwortung für euer Werden in mir. Das macht mich schwach und stark zugleich, denn nichts ist ein stärkerer Antrieb für mich, als euer Glück. Und nichts motiviert mich mehr, als der Wunsch danach, bei euch zu sein, euch begleiten zu dürfen und mitzuerleben, wie ihr euch jeden Tag ein Stückchen weiter zu der Person entwickelt, die in euch angelegt ist und die es euch bestimmt ist, zu sein.
Seit ihr da seid, habe ich gelernt, was es bedeutet, die Menschen loszulassen, die ich am meisten liebe. Denn das ist die ultimative Aufgabe, die ihr mir jeden Tag stellt. Diese Aufgabe ist an mein Muttersein gekoppelt wie keine andere und ich glaube, dass ist die eigentliche, die größte Herausforderung, der ich mich als eure Mama jeden Tag stellen muss: die kleinen Menschen, mir als hilflose Winzlinge anvertraut, jeden Tag ins Leben zu begleiten – weg von mir. Auf einen ganz individuellen und eigenen Weg, auf dem ich nur die Besucherin, die Begleiterin, manchmal vielleicht auch nur die Zuschauerin sein darf. Denn es sind eure Wege.
Seit ihr da seid, ist mein Schlaf leichter, meine eigene Zeit im Alltag kürzer und meine Nerven dünner. Ich habe erfahren, was Angst wirklich ist, kämpfe mit euch gegen Dämonen und bringe euch durch eure schweren Tage. Wenn ihr leidet, bricht mein Herz. Manchmal erscheint es mir, als sei ich empfindlicher, dünnhäutiger, verletzlicher, seit ich Mutter bin. Und gleichzeitig weiß ich: bin ich die reichste Frau der Welt. Denn ich bin dankbarer, wertschätzender, liebender als zuvor.
Und ich stelle mir nicht mehr die Frage, was der Sinn meiner Existenz ist. Denn ihr seid da.
Was würdet ihr euren Kindern antworten, wenn sie euch fragen würden? Wie habt ihr euch verändert, seit ihr Mütter geworden seid?
15 Comments
Mal wieder so schön geschrieben! ❤️ Vielen Dank dafür! Zu den von dir genannten Dingen – die ich auch so (oder ähnlich) empfinde – verstehe ich meine eigene Mutter ganz anders – besser irgendwie! Bin rückblickend viel „nachsichtiger“ mit ihr und (noch) wertschätzender dem gegenüber , wie sie es bei mir und meinen Schwestern gemacht hat!
Das stimmt, das geht mir ganz ähnlich. Das Verständnis gegenüber den eigenen Eltern wächst bei mir auch. Die eigene Rolle hat sich einfach verändert, das macht einen großen Unterschied. Liebe Grüße!
Wow. Anna. Einfach nur JA.
Und genau dieses Gefühl ist es, das deine Texte für mich immer noch so etwas anders, etwas schöner, etwas treffender macht als alle anderen Mombie-etc-Texte.
Love
Danke dir, liebe Sophie. Von Herzen. <3
Ich bin schon einen Schritt weiter, mein Sohn ist 18 fertig mit der Schule und fängt im Januar an zu studieren, meine Tochter 15 in der Oberstufe.
Wie habe ich mich verändert, ganz und gar nicht ;) Ich bin immer noch die die du aus Studienzeiten kennst. Ich bin immer noch & wieder ich. Durch die Kinder habe ich viel über mich gelernt, was in mir steckt : Ich kann alles durchhalten, ich kann alles durchsetzten, ich kann alles aushalten, ich bin bissig ohne ende. Ich bin ein Fighter…wenn ich sein muss/te für meine Kinder. Wenn alles läuft bin ich wieder der tiefenentspannte/faule Mensch der ich vorher war und ich liebe meine Zeit nur mit mir und die Zeit mit meinem Mann und mit unseren Kindern, die so cool sind. Nur noch selten muss ich die LöwenMama auspacken (nur noch wenn meine Tochter die Erlaubnis dazu gibt) . Werde ich traurig sein wenn mein Sohn im Januar auszieht, ja vielleicht andererseits bin ich so unendlich stolz auf ihn. Trotz allem Schwerbehindert (diagnose vor der Geburt) , dumm, Autist, sprachgestört, verhaltensauffällig, schlecht erzogen, wohrnehmungsgestört, ads……) “dank” noch mal dafür an Frauenarzt, Kinderarzt, Sozialpädagogen, Grundschullehrern, Ergotherapeuten für die vielen Vermutungen … . Ich sehe gerade, ich muss da noch was aufarbeiten :)
Herzfehler und Epilepsie waren real und andere Hebammen, Ärzte, Sozialpädagogen, Grundschullehrer, Therapeuten haben wirklich geholfen .
Fazit ist Muttersein hat mich verändert in der Rückblende zum Besseren und ich bin dankbar für die Erfahrung. Die Zeit mit den Kindern und gerade einem Kind, dass häufig auf dem dem Absprung war, hat mir gezeigt JETZT is wichtig, nicht das Morgen, nicht das Gestern… manchmal übertreibe ich dass aber auch.
…und Anna manchmal muss ich schmunzeln, wenn ich deinen Blog lese, jedesmal wenn die Anna aus Studientagen wieder durchblitzt, das ist gar nicht so selten ;)
Liebe Gudrun…! Danke dir für deinen Kommentar hier in meiner Ecke vom Internet. Wenn ich manchmal deine Bilder sehe, frage ich mich das auch: hast du dich verändert, seit wir uns nicht mehr gesehen haben? Wie lange ist das her? Unglaubliche 22 (?) Jahre? Irgendwie sowas, schätze ich. Ich glaube in deinen Fotos, dich zu sehen, wie du immer warst, wie ich dich kannte und natürlich auch deinen Mann: ihr seht einfach immer noch genau aus wie IHR. Das finde ich schön. Und ich hoffe doch sehr, dass die Anna aus Studientagen hier auch durchblitzt! ;-) Ich glaube auch, als der Mensch, der wir sind, verändern wir uns nicht wirklich. Aber unser Spektrum erweitert sich, wenn wir Mütter werden. Wie du es geschrieben hast – da sind Kräfte und Fähigkeiten, von denen wir nichts wussten. Und ich finde es ein großartiges Gefühl, dass sie uns dann zur Verfügung stehen, wenn wir sie brauchen. Liebste Grüße, auch an L.!
Anna… Anna… was für ein wundervoller Text. Seit ich Mama bin, bin ich nicht nur emotionaler geworden sondern auch durchaus stärker und ein besserer Mensch. Was heisst besser. Anders.. immer in dem Bewusstsein, dass ich an meinem Handeln gemessen werde und ich ihr Vorbild bin. Ihnen Flügel zu verleihen fällt mir schwer, auch wenn ich schweren Herzens sie immer und immer wieder bestärke … alleine das Highschool Jahr das vor uns liegt…kaum vorstellbar für mich.
Ängste die man nicht kannte hat man die Jahre erfahren und Glücksgefühle die man so sich nicht hätte vorstellen können. Aber auch Momente wo man sie nur noch an die Wand klatschen möchte…Man glaubt es nicht, bevor man diese gottverdammte Pubertät miterleben muss.
Auf jeden Fall hat mich die drei hier ganz schön verändert. In eine gute Richtung. Mit 25 hätte ich das nie und nimmer gedacht…
Ein sehr schöner Einblick, vielen Dank! Ich finde den Gedanken der Reflexion wundervoll & kann mir ähnliches für mich aus der Papa-Perspektive auch vorstellen. So in 10 – 15 Jahren, wenn wir wesentlich reicher an Erfahrungen des Eltern seins sind. :-)
LG, Richard (vom vatersohn.blog).
Liebe Anna,
So ein schöner Text. Sentimental, na logisch, aber das passt. Weil diese ganze Elternschaft so viel mit Gefühl zu tun hat. Eben fiel es mir beim Lesen des Textes und der Kommentare wie Schuppen von den Augen, was die größte und bedeutsame Veränderung in meinem Leben ist: ich bin so viel stärker geworden, seit ich Mutter bin. Viel stärker, als ich das für möglich gehalten hätte. Und nach drei Kindern und bald vierzehn Jahren Mutterschaft weiß ich auch um diese Stärke. Das ist fabelhaft! Ein großartiger Zuwachs!!
In meinem Gospel-Chor singen wir manchmal die Zeile “make me smooth and strong” und dann muss ich jedes mal an Mütter denken. So ist das mit uns: wir sind stark und weich gleichzeitig. Eine Mischung, die die Welt braucht.
Danke für Deine Texte und die Gedankenanstöße. Ich bin Fan :-)
Allerbeste Grüße,
Ingrid
Wunderschön und mitten ins (Mama-)Herz.
Das Lesen war wie immer ein Fest. Das Taschentuch lag aus Erfahrung schon vorher bereit ;-)
Das fällt mir gerade noch zum Muttersein ein: die Tränenkanäle sind ein ganzes Stück offener als vorher.
Danke,
Barbara
Dieser Text ist der Hammer. Danke dafür. Natürlich haben wir uns sicherlich alle verändert…durch all die Erfahrungen, die wir durchlaufen – die schönen und auch die, die wir vielleicht noch nicht machen wollten. Und obwohl ich Veränderungen nicht allzu sehr mag, ist die Verwandlung zur Mama wohl die Schönste und Wertvollste. Denn hätten wir sonst erfahren, wie bedingungslos man lieben kann, wie Sorgen einen wirklich kaputt machen können, wie ein einziges “Ich-liebe-Dich-Mama” ein Gefühl auslöst, als würde man die Welt um einen herum nicht mehr merken.
Dieser Text ist so schön und wird mich wohl noch über Tage begleiten. Kennst Du den Spruch: “Erst wenn man eigene Kinder hat, weiß man, wie groß die Liebe der Eltern war.” Da ist so viel Wahres dran. Natürlich wussten auch wir immer, dass wir von unseren Eltern geliebt werden, aber wahrscheinlich waren es nur Bruchteile von der Intensität, wie es meine Mutti empfand.
Ich liebe es einfach, Mama zu sein. Mit allen positiven und negativen Veränderungen, die das mit sich bringt.
LIebe Anna, danke für diesen wundervollen Text. Ich persönlich habe mich sehr verändert, seit ich Mutter bin. Mein Löwenjunge mit Behinderung hat mir beigebracht, die Welt mit anderen Augen zu sehen, die Werte, die ich schon immer auf der Zunge trug, auch wirklich zu leben – und vor allem hat er mir beigebracht, mutig zu sein, für seine und meine Rechte zu kämpfen und auch unbeqem zu sein (unser langwieriger Kampf um Inklusion im letzten Jahr haben mir das noch einmal ganz deutlich gezeigt). Und mein wunderbares Löwenmädchen hat mir beigebracht, nachsichtig zu sein – mit ihr, unserer Umgebung und vor allem auch mit mir selbst. Sie hat mich daran erinnert, was für eine Kindheit ich meinen Kindern bieten will – nämlich eine geborgene – und hat mir den Weg gezeigt, der dahin führt. Ich könnte nicht dankbarer sein für diese beiden wunderbaren Kinder, durch die ich so wachsen durfte!
Liebe Anna, ich kenne dich nicht von Angesicht zu Angesicht aber deine Worte bewegen mich schon so lange und immer wieder…..du schreibst unsere Gefühle….die Gefühle derer die fühlen aber nicht ausdrücken können. Vielen vielen Dank für jeden deiner Artikel. Ich liebe es dich zu lesen.
„Ich habe nicht gewusst, wie unerschütterlich, unzweifelhaft und absolut ich lieben kann. Seit ihr da seid weiß ich, dass die Liebe, die ich zuvor für die größte hielt, noch steigerungsfähig ist. Da ist kein Kribbeln oder Flattern im Bauch, nein, wenn ich euch anschaue, spüre ich einen starken, warmen und unbeirrbaren Strom der Liebe – seine Quelle ist ewig und wird nie versiegen. Denn ihr speist die Quelle jeden Tag, seit ihr zu mir gekommen, mein Leben bereichert und meinen Horizont erweitert habt.„
Einfach nur schön, Danke!
wunderschön ausgedrückt, danke!