Im Sommer gab es hier mehrere Artikel zu Teenagerthemen, die im Zusammenhang mit der Aktion Mehr Mut zum Ich von Rossmann und Dove entstanden sind. Mehr Mut zum Ich, eine Aktion, die ich schon seit 2013 unterstütze, hat sich schon seit Jahren der Stärkung von Teenager-Töchtern und ihren Müttern verschrieben, und auch in diesem Jahr wurden im Aktionszeitraum vom 22. August bis 11. September 2016 wieder für jedes bei Rossmann gekaufte Dove Produkt 10 Cent an das Deutsche Kinderhilfswerk gespendet. Sagenhafte 200.000€ sind in diesem Jahr durch Mehr Mut zum Ich gesammelt worden, die jetzt ausgewählten Förderprojekten zugute kommen. (Welche Projekte das sein können, könnt ihr hier auf der Seite vom Deutschen Kinderhilfswerk sehen. ) Durch die Projekte werden Mädchen dabei unterstützt, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln, während Mütter sin ihrer Vorbildfunktion gestärkt werden. Wie wichtig es gerade in den anfechtungsreichen Zeiten der Töchterpubertät ist, den Draht zu behalten, Gemeinsamkeiten zu unterstreichen und Dinge zusammen zu unternehmen, stelle ich selbst immer wieder fest. Deshalb werfe ich heute mal einen Blick zurück auf die frühen, innigen Jahre mit meinem großen Mädchen und habe ihr einen Brief geschrieben. Mit einem Wunsch…

"Mein Mädchen,

heute schreibe ich dir einen Brief, weil mir so viel dazu durch den Kopf geht, dass du schon so verdammt groß bist. Ein Teenager! Größer als ich! Wann ist das passiert? Als du geboren wurdest, warst du das hilfloseste und zarteste Geschöpf, das ich je in Händen gehalten hatte. Dein kleiner Körper lag winzig in meinen Armen und wir schauten uns an. Wenn ich heute zurück blicke, habe ich das Gefühl, wir haben uns die ersten Tage nur in die Augen geschaut, aber das kann natürlich gar nicht sein, denn du schliefst viel – du warst ein Neugeborenes.

Seit diesen ersten Tagen wurdest du zum Mittelpunkt meiner Welt. Ich merkte es gar nicht, aber es war so. Mein ganzes Leben veränderte sich um mich her, wir verließen unser geliebtes Rheinland und zogen nach Berlin, Freundschaften entstanden, wieder andere festigten sich und einige zerbrachen. Aber für mich war das alles nicht so wichtig, denn in meinem Herzen gab es über Nacht nur noch einen Platz und der gehörte dir.

Ich erinnere den ersten Sommer mit dir als besonders schön, dein erstes Lächeln erhellte meine Tage, dein erstes „Mama“ war die zauberhafteste Musik, mein ganzes Leben war erfüllt von dir und ich wusste zu jeder schlaflosen, sorgenvollen, Kinderarztwartezimmer-Minute: ich bin glücklich. So glücklich war ich noch nie in meinem Leben. Du und dein Papa, ihr wart meine Welt und mehr als jemals zuvor war mir klar, dass das genau das war, was ich wollte, ohne je gewusst zu haben, dass ich es wollte. Ihr wart mein Ein und Alles, die Liebe meines Lebens, mein Zuhause. Wo ihr wart, war ich froh. Wo wir zusammen waren, konnte mir nichts passieren. Und so blieb es.

Seitdem habe ich zwei weitere Kinder bekommen und verfiel jedes Mal in tiefste Verwunderung, wie sich Glück und Liebe einfach so vermehren können, hatte ich doch vor der Geburt deines Bruders Bedenken gehabt, ich müsse meine unendliche Liebe zu dir jetzt teilen. Ich hatte Angst, ich könnte ein zweites Kind nicht so wahnsinnig lieben, wie dich. Tatsächlich aber liebte ich auch deinen Bruder und deine Schwester vom Fleck weg und vielleicht war diese Liebe sogar ein bisschen leichter, weil sie mich nicht so vollkommen überwältigte. Aber dieser Glitzer, der über unseren ersten, dreisamen Monaten und Jahren lag, den gab es nur mit dir.

Heute bist du größer als ich. Ich erkenne noch deine spinnchenhafte Zartheit der ersten Tage, wenn ich deine langen Arme und Beine betrachte, du schaust mich aus denselben Nussaugen an und wenn du schläfst, sehe ich dein Babygesicht noch ganz schwach durchschimmern. Aber Tatsache ist: du bist groß. Ein Teenager. Eine „junge Frau“, wie neulich ein alter Freund sagte, der dich lange nicht gesehen hatte. Deine Welten sind oft weit weg von meiner und so nah wir uns früher immer waren, eine Einheit, so weit entfernt sind wir manchmal heute.

Ich staune so oft darüber, dass wir dieselben beiden Menschen sein sollen, Mutter und Töchterchen, wie vor 13 Jahren. Wir sind es und doch sind wir es nicht. Manchmal liebst du es, zu mir zu kommen, dich in meinen Arm zu kuscheln und Quatsch zu erzählen mit mir. Du warst schon im zarten Alter von zehn Monaten eine Komikerin und bis heute bist du sehr humorvoll, liebst Blödsinn und machst dich gern zum Drops, weil wir alle so furchtbar gerne darüber lachen. Wir teilen diese Art von Humor und ich finde liebe deinen trockenen Witz und deine begabten Imitationen von Dialekten, Menschen, Situationen. Früher war ich die Quatschmacherin für dich, heute ist es oft umgekehrt. Aber neben den lustigen, leichten Momenten stehen die, in denen ich die Entfernung zwischen uns spüre. Du steigst ins Auto nach einem langen Schultag und bist einsilbig. Schaust aus dem Fenster und magst nicht mit mir oder deinen Geschwistern sprechen, interessierst dich nicht für das, was wir besprechen und ziehst dich in dein Zimmer zurück. Manchmal verletzt mich das, auch wenn ich weiß, dass es in der Regel nichts mit mir zu tun hat. Denn wenn wir beide „beef“ haben, bist du offen und konfrontativ. Du hast keine Angst, dich mit mir auseinander zu setzen und ich habe auch keine. Das ist gut, das ist das starke Band zwischen uns, diese große Liebe, die uns auch in diesen Situationen hält, so wie sie es früher getan hat, wenn ich dich nächtelang singend umhertrug, weil du Bauchweh hattest oder dir den Rücken stärkte, wenn du dich durchsetzen musstest. Aber ich mag es nicht, diese Entfernung zu spüren, auch wenn ich sie nicht fürchte.

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Umso schöner ist es, wenn wir Dinge zusammen machen. Wenn wir uns für dieselben Sachen interessieren und denselben Dingen nachspüren. Dein Sensorium für Menschen ist wahnsinnig gut ausgeprägt und oft bewundere ich deine klugen Beobachtungen, die du wunderbar in Worte fassen kannst. Auch das teilen wir: wir interessieren uns für Menschen. Wir hören ihnen gerne zu, wir lassen uns auf sie ein und wir tauchen in ihre Geschichten ein. Vielleicht , mögen wir beide deshalb auch gute Romane so sehr? Möglich, dass die Genres unterschiedlich sind, vielleicht sind Liebesromane einfach auch mehr was für dein Alter und Krimis eher für meins? Aber wir lesen gerne und reden über Bücher, und ich liebe es, wenn ich mich von dir in eine deiner erlesenen Welten entführen lassen kann und du mich erzählend mitnimmst in eine Geschichte, die du gelesen hast.

Unsere Liebe zum Meer verbindet uns ebenfalls und ich habe das Gefühl, du kannst mir in die Seele schauen, wenn ich an unserem ersten Tag an der See tief einatme und am liebsten all das in mich aufnehmen würde, was da zu meinen Füßen rollt: die See, der Wind, die wilde Natur. Du lachst mich an und rennst in die Wellen und stürzt dich ins Meer, der körperliche Ausdruck all der Freude, die ich gerade empfinde.

Aber trotz aller Gemeinsamkeiten vermisse ich oft diese ersten Jahre. Nicht, dass ich wollte, du solltest wieder klein sein, nein. Du bist unfassbar wunderbar, genauso, wie du jetzt bist und ich kann kaum erwarten, zuzuschauen, wie du dich weiter entwickelst und deine Persönlichkeit weiter schärfst. Ich vermisse diese Verbundenheit, die so leicht war. Dieses Einssein mit dir, das das Grundgefühl unserer ersten Jahre bestimmte. Und ich tue mich immer noch schwer damit, dass du mich nicht mehr so brauchst, nicht mehr ständig bei mir bist, nicht mehr so sehr körperlich wie ein Teil von mir. Dieses Gefühl vermisse ich: Einssein mit dir. Zeit nur mit dir.

Ich habe heute einen Wunsch an dich: ich möchte mehr mit dir machen. Mehr Exklusivzeit mit dir verbringen. Wieder länger und intensiver in deine Nussaugen schauen und mitkriegen, was bei dir los ist. Wenigstens ein bisschen. Keine Angst, ich werde nicht da abhängen, wo du hingehen willst oder dir hinterher spionieren und „ganz zufällig“ dort auftauchen, wo du gerade bist. Ich werde nicht deine Unabhängigkeitsbestrebungen sabotieren, im Gegenteil. Ich will nicht deine Freundin sein, aber ich bin deine Mama. Und wir brauchen Mama-Tochter-Sachen, weil sie nicht mehr so ohne weiteres von selber kommen, wie früher. Und weil zusammen-auf-den-Spielplatz-gehen nicht mehr funktioniert. Wollen wir mal zusammen überlegen, was wir machen könnten? Mein Mädchen? Ja?

Ich freu mich drauf, deine Mama"

In diesem Jahr gab es übrigens parallel zur Spendenaktion einen Fotowettbewerb zu Mehr Mut zum Ich mit dem Thema #wirgewinnt – weil das Mama-Tochter-WIR so wichtig ist! Über 700 Bewerbungen mit Fotos von #wirgewinnt-Momenten hat es gegeben und ich freue mich sehr, dass inzwischen 15 glückliche Mutter-Tochter-Paare ermitteln werden konnten, die vom 28. – 30. Oktober ein Wochenende mit vielen spannenden Aktivitäten im Camp Reinsehlen in der Lüneburger Heide verbringen werden. Ich hoffe, alle Gewinnerinnen genießen die Exklusivzeit mit ihren Müttern bzw. Töchtern und können die zweisamen Tage dazu nutzen, ihre Bindung zueinander zu stärken. Ich gratuliere zum tollen Gewinn!

Ich persönlich glaube: unsere Teenagertöchter brauchen uns noch genauso sehr wie früher. Wir müssen uns nur die Zeit und die Ruhe nehmen, zu entdecken, wie wir diese Phase unserer Beziehung mit Leben füllen und gestalten können.

Wie geht's euch mit euren (Teenie-)Töchtern so bei dem Thema Gemeinsamkeiten?

signatur

 

Last Updated on 15. November 2018 by Anna Luz de León

9 Kommentare

  1. Ooooh, das hast du so schön geschrieben!!! <3

    Meine kleine little Ne ist gerade mal 5 und dennoch bemerke ich, wie sie sich jeden Tag verändert. Ich kann es mir noch gar nicht vorstellen, wie es mal sein wird, wenn sie ins Teenageralter kommt. Wenn ich sie nicht mehr mit kleinen Geschichten zum Staunen bringen kann….

    Aber ich finde, du hast die richtigen Worte gefunden, wenn du sagst: "Ich will nicht deine Freundin sein, aber ich bin deine Mama. Und wir brauchen Mama-Tochter-Sachen, weil sie nicht mehr so ohne weiteres von selber kommen, wie früher." 

    Im Grunde ist auch eine Tochter-Mutter Beziehung, eine Beziehung wie jede andere auch, die gepflegt werden will. Ich wünsche euch viel Glück und viel Liebe auf eurem weiteren gemeinsamen Weg :-)

     

    Liebe Grüße

    Kerstin

  2. Ich muss weinen. Das ist sehr berührend zu lesen. Meine Tochter wird im Januar zwei. 

    Ich wünsche euch viele tolle Mutter Tochter Momente <3 die Liebe quillt aus jeder Pore, schön!

  3. Ach Anna, das ist einfach mal wieder zu schön geschrieben! Ich danke dir dafür von Herzen und staune immer wieder darüber, wie wunderbar DU meine Gedanken, die so sehr ähnlich sind, in Worte fassen kannst;-)

  4. Hach! Wieder so ein toller Anna-Text, aus dem so gigantisch viel Liebe spricht. So schön!

    Briefe schreiben ist gut, wenn die Komunikation mal stagniert. Eine Zeit lang hatte ich das schreckliche Gefühl, mich von meiner Tochter zu entfremden. Mit 14 haben sie einfach mal andere Prios und sind mit dem Köpfchen weniger in der Familie als vielmehr bei ihren Freunden, der nächsten Party, … Gerade wenn die Bindung einfach tief und gut ist, glaube ich, braucht es kleine Brüche. Sonst würden die Kids wahrscheinlich niemals ausziehen und einfach immer bei Mama bleiben ;-). Aber es ist hart.

    Meine Tochter und ich haben uns in der Zeit Briefe geschrieben. In Briefen kann man sorgsam abwägen, was man sagt (und sagt nicht im Zorn etwas verletzendes, was man dann bereut), man kann sich sammeln, kann kritisch sein und dennoch liebevoll. Für uns war das sehr gut. Es hat uns heil durch die schwierige Phase gehen lassen. Es hat einen Komunikationsabbruch verhindert. Es war schön.

    Ich denke das Gröbste ist bei uns nun überstanden. Sie ist jetzt 17. Wir sind uns sehr nah, ich kann sie aber auch gut gehen lassen, wenn sie das braucht. 

    Als nächstes kommt dann die Jungs-Pubertät…

    Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht – bei uns und bei euch.

    Liebe Grüße

    • Ach, liebe Jana, das klingt aber sehr schön und macht mir Mut, dass man die Nähe und die Bindung irgendwie halten kann, auch wenn die Kinder so verrückt GROß sind! Ich drück dich aus der Ferne und hoffe, wir sehen uns bald mal wieder. Liebste Grüße!

  5. Liebe Anna

    soo schön geschrieben. Deine Texte treffen mich immer mitten ins Herz. Soo viel Liebe! Ich habe 3 Söhne (5,3 und 1 Jahr alt). Ich weiss nicht, ob das da auch so ähnlich wird im Teeniealter aber ich kann mir so einwenig vorstellen wie es sein könnte mit dem Mamaherzteil… Ich bin gespannt auf die vielen spannenden Entwicklungen in denen ich meine 3 Jungs begleiten darf; mit deinen Texten  

    Liebi Grüess, Ahu 

     

  6. Das ist ein sehr schöner, aber sehr persönlicher Text. Ist das nicht etwas, was zwischen Dir und Deiner Tochter bleiben sollte? 

  7. Da kommen mir ein bißchen die Tränen. Meine kleine Sonne ist grade 2 geworden und ich frag mich auch wie es später mal wird… wohlwissend, dass alles was wir grade tun, alles was wir ihr über das Leben beibringen, darauf hinausläuft, dass sie uns irgendwann verlassen können, sollen und werden. Hach. 

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