Der große Regen ist da. Die ganze Nacht hat es geschüttet und hört wohl erst gegen Mittag auf. Nicht, dass wir das nicht schon hätten kommen sehen. Schließlich verfolgen wir täglich den Wetterbericht. Immer. Also nicht nur im Urlaub. Nein, wir sind vom Wetter besessen. Es beherrscht unser Dasein, als ob es nichts Wichtigeres gäbe.

Ich habe den Verdacht, das ist eine Alterserscheinung. Ich kann mich nicht entsinnen, dass mir das Wetter früher so wichtig gewesen wäre. Und ich meine außerdem, mich daran zu erinnern, eine ähnliche Fokussierung auf das Wetterthema bei meiner Mutter in einem bestimmten Alter und früher auch bei meinen Großeltern beobachtet zu haben.

Ist es das jetzt? Der ultimative Beweis dafür, dass wir unwiderruflich A L T werden? Werde ich jetzt zu einer von diesen Frauen, die sich am liebsten über die Niederschlagsdauer und die genaue Uhrzeit von Sonnenauf- und -untergang unterhalten? Und als direkte Reaktion auf den Wetterbericht dann noch über Sonnenschutzfluids und Miniregenschirme, die super in die Handtasche passen?

Zum Glück werde ich da nicht alleine wunderlich. Die Besessenheit beim Thema Wetter fällt mir auch bei (gleichaltrigen) Freund*innen auf, und auch der Mann ist definitiv von dieser Schrulligkeit betroffen. Was sind also die Anzeichen dieser altersbedingten Leidenschaft für Wetterthemen?

  • Wir vergleichen die Anzeigen unserer Wetterapps auf den Handys und sprechen darüber, welche App genauer ist.
  • Wir checken tagsüber mehrfach, ob die Anzeige der Apps mit dem tatsächlich stattfindenden Wetter draußen übereinstimmt.
  • Wir reden darüber, wie das Wetter um diese Zeit früher war, als wir jung waren. Immer häufiger fallen Sätze wie “Also ich erinnere mich an richtig viel Schnee in meiner Kindheit” oder “Wisst ihr noch, wie unfassbar heiß dieser Sommer 2003 war?”
  • Wir reden darüber, wie das Wetter um diese Zeit letztes Jahr war. Und vorletztes Jahr
  • Wir haben Wetterstationen auf der Terrasse, die uns quasi zusätzlich zur App und dem Blick aus dem Fenster wichtige ergänzende Daten zum Wetter liefern, wie die Niederschlagsmenge pro qm oder die Windgeschwindigkeit und -richtung.
  • Wir schauen uns auf entsprechenden Seiten im Internet durch Webcams das Wetter an unseren Urlaubsorten an.
  • In unseren Wetterapps haben wir die für uns wichtigsten (Urlaubs-)Orte unter Favoriten gespeichert, so dass wir nicht immer nur überprüfen können, wie das Wetter an unserem aktuellen Standort ist, sondern auch in Lissabon, Koblenz, San Salvador, Wellington und Sagres usw.
  • Der erste Kommentar beim Öffnen der Rollos am Morgen gilt dem Wetter. “Oh, es regnet! Meine App hat das gar nicht angesagt!”
  • Wir betrachten ungläubig das tatsächliche Wetter vor dem Fenster, wenn die App abweicht. Wie kann die App sich irren?!
  • Den Regenradar auf dem Handy zu überprüfen, gehört zu den Wetterritualen, die wir mehrfach täglich vollziehen.

Die Liste lässt sich beliebig erweitern, aber die Grundsituation wird auch mit diesem Ausschnitt schon klar. Wir sind besessen! Mir fällt das tatsächlich vor allem am Mann immer auf, bevor mir klar wird, dass ich genauso bin. Gemeinsam werden wir also wetterwunderlich, haben immer die richtigen Schuhe an und im Zweifel einen Schirm dabei. Lediglich die Funktionsjacken im Partnerlook fehlen uns noch, damit wir auch äußerlich dem entsprechen, was wir offenbar dabei sind zu werden: alte Leute mit nem Wettertick!

Wenn ich mich allerdings jemals selbst sagen höre: “Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung!”, dann soll der Blitz mich auf der Stelle treffen! Allerdings… nur, wenn die Wetterapp das vorher auch angesagt hat.

6 Comments

  1. Ich musste so lachen. Habe einen Abschnitt gleich meinem Mann vorgelesen.
    Ich bin dann wohl die Älteste in der Familie und was ich mich aufregen kann.
    So ungenau wie in den letzten Monaten waren Apps und Stationen doch noch nie.
    Wir haben auch verschiedene Orte gespeichert und zurzeit beneide ich ja die Skandinavier um ihren wundervollen Sommer ;-)

    LG Tanja

  2. Herrlich , dein Text , liebe Anna! Ich musste laut loslachen und erkenne mich in jedem einzelnen
    Satz wieder !

    LG vom Bodensee (Dauerregen aktuell für 3 Tage unterbrochen ;) )

  3. Liebe Anna,
    heute muß ich tatsächlich herzlich Lachen anstatt der sonstigen Tränen :-) Ab welchem Alter geht das denn so los? Ich habe eine Wetterapp, schaue häufig, aber Vergleiche stelle ich (noch) nicht an. Tatsächlich habe ich auch Prerow vonwegen Urlaubsort gespeichert. Und tatsächlich habe ich schon die komplette (Groß-)Familie aufgescheucht, weil ich doch eine Unwetterwarnung bekommen habe. Nachdem 3 Grundstücke komplett wetterfest gemacht wurden, aber nicht ein Fitzelchen an “Unwetter” vorbeikam, habe ich festgestellt, dass ich auch beim Urlaubsort ganzjährig sämtliche Warnmeldungen aktiviert hatte…… Liebe Grüße aus Niederbayern, Sabine

  4. Jaa, genau so ist es!! Bei mir auch! Herrlich witzig, musste bei deinem Text so lachen! Allerdings muss ich sagen, ich habe Beweise dafür, dass ich als Kind auch schon wetteraffin war! Ha! Ich habe nämlich 20 Jahre lang Tagebuch geschrieben und sogar als Jugendliche habe ich mindestens wöchentlich das Wetter dokumentiert. Jungs, Musik und das Wetter. Geblieben ist das Interesse für Wetter.

    • Das ist ja sehr lustig und in der Kombination bestimmt eine Seltenheit in Teenagertagebüchern: Jungs, Musik und das Wetter!

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