Ich weiß noch, als ich anfing, zu bloggen. Es kam mir vor wie eine Ausflucht. Eigentlich wollte ich an einem Kinderbuch arbeiten. Ich habe auch an einem Kinderbuch gearbeitet, an einem Kinderroman in einem Fantasy-Setup. Ich mochte meine Figuren, vor allem die, ich mochte es, die Geschichte auszuspinnen. Und dann… passierte der Blog.

Während ich an dem Buch arbeitete, Szenen schrieb, Figuren entwarf, am Plot feilte, störten meine damals noch recht jungen Kinder ständig meinen Flow. Sie waren klein, erst drei und fünf bzw. neun Jahre alt. Sie brauchten ständig etwas von mir. Eigentlich alles. Meine Schreibzeit knappste ich mir ab in einem wildwirbeligen Alltag, der von kleinen Menschen bestimmt wurde. Wenn sie mich also unterbrachen, notierte ich, was sie sagten, was sie taten, wie sie mich vom Schreiben abhielten. Ich schrieb über sie, erst kurze Notizen, dann längere Texte. Zunächst als Notiz auf meinem privaten Facebookprofil, dann, auf Initiative des Mannes hin, hier an diesem Ort. Einem Blog im Internet.

Ich stellte zwei wichtige Dinge fest und lernte etwas ganz Zentrales über mich:

  • Es ist mir ganz einfach nichts auf der Welt wichtiger, als meine Kinder. Niemals. Wenn sie mich brauchen, ist alles andere für mich zweitrangig.
  • Ich schreibe furchtbar gerne über meine Kinder und das Leben mit ihnen. In meinen Augen sind sie interessanter, witziger, vielschichtiger, spannender und haben mehr Tiefe als jede von mir erdachte Figur in jeder von mir erdachten Welt. Tatsächlich sind sie meine Welt. Die mir liebste Welt überhaupt. So einfach ist das.
  • Über die Kinder zu bloggen erfüllte noch ein weiteres wichtiges Bedürfnis: ich war in Kontakt mit anderen Menschen. Ich hatte konkrete und unmittelbare Interaktion mit anderen hier auf dieser Plattform, statt allein am Schreibtisch an einer Welt zu tüfteln, über die ich (noch) mit niemandem wirklich sprechen konnte, weil sie mir noch zu unfertig erschien. Ich brauchte das. Der Austausch hier ließ mich ruhiger und tiefer atmen. Ich war raus aus dem Elfenbeinturm und konnte wieder anderen Menschen begegnen.

Diese Erkenntnisse über mich kamen mir allerdings nicht einfach so. Ehrlich gesagt, hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich die Zusammenhänge so klar sehen konnte, wie ich sie jetzt formulieren kann. Es fühlte sich einfach und richtig an und gleichzeitig wie das genau Gegenteil. Denn den Plan vom Buch aufzugeben, fühlte sich an wie Versagen. Was es natürlich auf die eine Art auch war. Ich frage mich immer noch, ob ich es nicht hätte zu Ende schreiben sollen. Können. Müssen. Aus Prinzip. Weil man Dinge zu Ende bringt.

Auf der anderen Seite stellte ich schnell fest, dass ich in dem, was ich da quasi zufällig angefangen hatte, richtig gut war. Es fiel mir leicht und machte Spaß. Mein Start mit Berlinmittemom fiel in die Anfangszeit der deutschsprachigen Elternblogs und was ich einfach so im Plauderton zu berichten hatte über das Leben mit meinen Kindern und dieses Muttersein, fand schnell eine rasant wachsende Leser*innenschaft. Es war beflügelnd, sich mit anderen Bloggerinnen zu vernetzen, sie im echten Leben zu treffen, zu bestimmten Themen zusammenzuarbeiten und relevante Themen auf diese Weise zu mehr Reichweite zu verhelfen. Wir wurden gehört. Wir erreichten viele andere Mütter. Was wir machten, schrieben, verbreiteten, hatte nicht nur für uns selbst Bedeutung.

Was dann kam, wissen viele, die schon länger Elternblogs lesen: Die Szene professionalisierte sich, wie es vor uns schon andere thematische Nischen getan hatten. Wir wurden bezahlt, wir sprachen auf Konferenzen, wir veröffentlichten Artikel in traditionellen Medien und viele schrieben Bücher (sehr unterschiedlicher Qualität btw). Einige wenige schafften es, ihre individuellen Themen voranzubringen und sich als Expertinnen einen Ruf zu machen. Andere schwenkten komplett um ins Kommerzielle und ließen die Elternthemen mehr oder weniger los. Stattdessen ging es um Produkte und Lifestyle. Da wurde sicherlich viel mehr Geld verdient, aber dafür wurde es auf diesen Blogs oberflächlich und Inhalte wie Akteurinnen wurden austauschbar.

Und ich? Ich probierte mich aus. Viele der Möglichkeiten, die sich in dieser Phase auftaten, schienen wie für mich gemacht. Bezahlt werden dafür, dass ich gute Texte schrieb? Volltreffer! Zu mir wichtigen Themen vor Menschen sprechen? Wunderbar! Mich mit Kolleginnen wirklich vernetzen und gemeinsame Projekte starten und austesten? Träumchen! Die Schattenseiten dieser Phase machten es mir aber fast genauso schnell schwer. Ja, ich konnte sehr gut im Auftrag anderer schreiben und mich dafür bezahlen lassen. Auch darin war ich gut. Aber je öfter und umso länger ich das machte, desto austauschbarer wurde ich, wurden die Themen und die Auftraggeber*innen. Social Media tat sein übriges dazu. Meine Stimme wurde immer dünner, immer leiser, immer schwächer.

Ich weiß schon lange, dass das nicht mein Weg ist. Die frühe Phase der Professionalisierung war wunderbar, eine tolle Aufbruchstimmung mit ganz viel Raum für kreative Entfaltung und echter Kollaboration mit tollen Kolleginnen und sehr besonderen Auftraggeber*innen. Aber sie war kurz und nur wenige in der Szene haben es geschafft, sie selbst zu bleiben und dabei quasi die Welle zu reiten. Was danach kam und wie es sich bis heute entwickelt hat, hat nichts mehr von der Offenheit dieser Anfangsphase. Auch ich bin darin untergegangen, habe die Balance zwischen Auftragsschreiberei und meiner eigenen Stimme nicht gefunden. Je “professioneller” ich wurde, desto mehr verstummte meine innere Stimme.

Mein Blog war dennoch immer ein geliebter Ort für mich, von dem ich nicht lassen wollte. Hier habe ich sehr viel darüber gelernt, was ich gut kann und was ich brauche. Es kam für mich nie in Frage, das dranzugeben. Dennoch war mir lange nicht klar, was ich tun müsste, um meine so glücklich gefundene Stimme hier zu erhalten. Oder sie gar wieder zu stärken.

Aber jetzt. Mit den Morgenseiten. Als hätte ich endlich den Zugang wieder gefunden. Als wäre es die ganze Zeit so einfach gewesen und ich hätte es nur erkennen müssen. Gestern schrieb mir eine Leserin, in meinen Morgenseiten fände sie das, was sie hier immer hätte lesen wollen, das, was sie vermisst habe, das, was für sie der Grund war, hier überhaupt jemals lesen zu wollen. Dabei wird mir jeden Tag klarer: in den Morgenseiten ist meine Stimme. Sie sind genau das, was ich brauchte, um zurückzufinden. Und da bin ich.

7 Comments

  1. Liebe Anna, diese Leserin hat recht ;-)
    Ich lese schon wirklich irre lange bei dir und immer gerne, weil du immer „echt“ geblieben bist. Aber diese Morgenseiten finde ich gerade absolut großartig! Danke, dass du dich traust, wieder so „unperfekt“ zu schreiben und das mit uns zu teilen. Das macht dich nur NOCH sympathischer!

    • Danke dir, liebe Marina, für deine lieben Worte und dein Hiersein. Ich muss sagen, ich bin selbst ein bisschen überrascht und freue mich umso mehr über den Effekt, den diese Idee auf mich selbst und mein Schreiben hat. Es ist, als hätte ich die Freude an diesem Ort, am Bloggen selbst wieder angezapft. Und wie schön, dass sich das mitteilt!

  2. Ich schließe mich Marina an :-)

    Vielen Dank für’s Bloggen und ein schönes Wochenende!

    Tanja

  3. Liebe Anna,
    bereits vor einiger Zeit bin ich über deinen Blog gestolpert und habe ihn dann (warum weiß ich gar nicht) für mich wieder verloren. Ich habe eine ganze Zeit lang darunter gelitten, dass so viele Blogs sich veränderten und vor allem der ganze Austausch zu Facebook und Instagramm abwanderte und ich habe mich lange gewehrt, auf einer dieser Plattformen anzumelden, da ich wusste, dass sie für mich eine enorme Gefahr eines “Zeitfressers” darstellen könnten. Aber siehe da, genau dort bin ich dir und einigen anderen wieder begegnet und es hat mich sogar zurück auf deinen Blog geführt.
    Die Morgenseiten sind großartig! Ich freue mich jeden Tag darauf und vorgestern hast du mir mit deiner Überschrift “Tschüss, Idylle. (K)eine Morgenseiten vom Darß” zunächst einen kleinen Traurigkeitsschock versetzt, da ich dachte, oh wie schade, sie beendet das Projekt. Diese Seiten strahlen eine unglaubliche Ruhe, aber dennoch Tiefe aus, man merkt, dass es dir wirklich Freude bereitet, sie zu schreiben und genau dies vermisse ich manchmal so sehr auf Insta, da es dort leider so häufig darum geht, “schnell” mal ein Produkt zu promoten oder ähnliches. Du aber nimmst dir Zeit entwickelst Gedanken und gibst damit Impulse. Über das Rezept (sehr lecker, schon ausprobiert ;-)) habe ich mich zudem genauso gefreut wie über die Hörspieltipps für Kinder. Gerade diese Mischung machen deine Morgenseiten zum Überraschungsei, welches ich jeden Tag mit Vorfreude auspacke. Ich finde die Seiten übrigens überhaupt nicht “unperfekt”, da perfekt häufig im Auge des Betrachters liegt. Ich kann nur sagen, für mich sind sie gerade perfekt, sie sind berührend, nachdenklich, anregend, interessant, im Leben stehen – ein rundum gelungenes Paket! Und dafür danke ich dir sehr, es ist genau das, was ich gerade sehr schätze.
    Ich wünsche dir sehr, dass du dir diese Freude am Schreiben und am Teilen deiner Gedanken mit anderen beibehältst.
    Herzliche Grüße
    Andrea

  4. Liebe Anna,

    Auch ich verfolge Deinen Blog seit Anbeginn. Viele Deiner Gedanken wirken in mir nach, selbst wenn ich nicht alle Ansichten teile. Es ist so wohltuend, Deinen klugen Gedanken zu folgen. Ich hoffe, Du machst noch ewig so weiter und freue mich über jeden Beitrag.
    Liebe Grüße
    Regine

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