Mein kleines großes Mädchen, mein geliebtes jüngstes Kind,

der Tag ist gekommen, auf den du so lange gewartet und den du seit Wochen herbei gesehnt hast: die Einschulung. Nicht nur war dieser besonders feierliche Tag so wichtig für dich, an dem dein Papa und ich alle Menschen, die dich besonders lieben eingeladen haben und du in deinem Lieblings”feier”kleid und mit Schulranzen auf dem Rücken loszogst, um in deiner Schule von deiner Lehrerin begrüßt zu werden. Auch die ersten beiden richtigen Schulwochen waren bedeutsam.

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Alles, was dazu gehört hast du aufgesogen und eifrig umgesetzt: rechtzeitig aufstehen und am Frühstückstisch sitzen, Müsli löffeln und dabei wie die Großen die Wünsche für die Bentobox durchgeben, die ich dir für deinen Tag fertig mache. “Heute haben wir Sport, da bin ich sicher hungrig. Kann ich bitte eine extra Banane haben, Mama?” Den Schulranzen packen und mir deinen Schulkalender hinlegen, damit ich die Woche “abchecke” und dir unterschreibe, dass du alle Hausaufgaben gemacht hast, jeden Tag. Deine Lesehefte, die du jeden Morgen in der Klasse als erstes aussuchst, in deinen Ordner legst und am nächsten Morgen gegen ein neues eintauschst. Das Sitzen am Schreibtisch nachmittags, wo du jetzt ganz ernsthaft “arbeitest”. Du malst Bilder, schreibst alle Wörter, die du schon kennst und liest dein Leseheft. Dann erst gehst du zum Spielen raus mit deiner Freundin. Das Busfahren am Morgen, manchmal auch am Nachmittag, an der Hand der großen Schwester, selbstsicher und groß.

Mein Liebes. Nachts trete ich an dein Bett und mein Herz wird riesengroß, wenn ich dein schlafendes Gesichtchen betrachte. Du siehst im Schlaf aus wie früher, wie als Baby, wie vor kurzem… Ich muss dir sagen, dass ich einiges an ambivalenten Gefühlen habe, wenn ich dich so sehe, wie du jeden Tag so glücklich von mir fort strebst. Du bist groß. Ich weiß das. Und alles, was du jetzt tust, hat nur auf dich gewartet, denn du bist gewachsen, jeden Tag, du bist soweit. Auch das weiß ich.

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Aber ich stehe an deinem Bett und sehe dich im Schlaf an. Und ich kann nicht glauben, dass du das bist, das gleiche kleine Elfchen mit den blonden Locken, das eben noch auf meinem Schoß einschlafen konnte, von einem Moment zum anderen. Das Mittagsschlaf in seiner selbst gebauten Höhle hielt und mir auswendig kleine Lieblingsbücher “vorlas”. Das mit dem Daumen im Mund zusammengerollt in den Armen der großen Schwester lag und zuhörte, wie ich Geschichten erzählte. Das erste Sätze lernte, erste Schritte tat und an meiner Hand staunend und überwältigt die Welt eroberte. Bist du’s?

Jetzt sitzt du neben mir, die Beine baumeln nicht länger in der Luft, sondern die Füße stehen fest auf dem Boden. Du lächelst mich selbstsicher an und machst dein Ding. Du brauchst meine Hand nur noch manchmal, du nimmst sie morgens für ein paar Schritte vom Schultor über den Hof bis zur Eingangstür. Oder beim Spaziergang durch den Park, weil “du sonst so alleine gehst, Mama”. Mein feinfühliges großes Mädchen. Meine Kleinste. Ich gehe jetzt viel öfter alleine als mit dir, weil du eine neue Welt betreten hast, die ein Stückchen weiter weg von meiner ist und in der du ganz wunderbar ohne mich zurecht kommst. Das ist großartig – aber es ist auch ein bisschen schmerzhaft.

Es führt mir vor Augen, wie mir die Zeit mit dir und deinen Geschwistern durch die Finger rinnt. Es zeigt mir einmal mehr, wie kostbar jeder Augenblick mit euch ist, wie sehr ich mir wünsche, alles aufzusaugen und mir Bilder davon in meinem Herzen zu machen, damit ich alles bewahre, was wir zusammen erleben. Euer Leben fängt gerade erst an und doch geschieht schon so wahnsinnig viel und ihr verändert und entwickelt euch Tag für Tag. Jetzt bin ich oft diejenige, die staunend und überwältigt daneben steht und euch zuschaut, wie ihr euch in euren kleinen Universen bewegt, sicher und unbeirrt.

Aber diese Entwicklung zeigt mir auch, wie wunderbar das Leben mit euch ist: alle eure Entwicklungsphasen, die ihr durchlauft gehe ich mit euch, alle neuen Stufen, die ihr erklimmt, steige ich mit euch hinauf und darf dabei sein, wenn ihr Neues lernt, Schönes erlebt, Erfahrungen aller Art macht und das Leben mit all euren Sinnen erfasst und auskostet. Ich bin da, wenn ihr stolpert und halte eure Hand, ich bin da, wenn ihr glücklich weiter geht und lächle euch zu, wenn ihr euch nach mir umdreht. Ich bin da.

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Schultütenkuchen á la Frische Brise, Einschulung, Schulkind

“Was feiern wir genau an meiner Einschulung, Mama? Was schenkt ihr mir?”, fragtest du mich am Abend vor dem großen Fest. Heute antworte ich dir noch einmal: wir feiern dein Leben, mein Herz. Dein kleines, vollkommenes Leben, in dem du gerade wieder einen wichtigen Schritt getan hast. Wir feiern, dass du da bist und diesen Schritt gehen kannst. Wir feiern, dass wir alle bei dir sein und dich dabei begleiten dürfen, wie du wächst und größer wirst und vom Baby zum Kleinkind zum Kindergartenkind zum Schulkind… wirst. Wir schenken dir ein Fest mit all den Menschen, die dich lieben, weil wir dein Leben feiern. Wir feiern es jeden Tag, aber heute, jetzt, zu deiner Einschulung, feiern wir es ganz besonders. Diesen großen Schritt in dein schönes neues Leben als Schulkind – den feiern wir.

Wir schenken dir, dass wir bei dir sind, immer. Auch wenn du uns immer weniger brauchen wirst. Wir schenken dir, dass wir dich begleiten, so lange du uns lässt und uns an deiner Seite willst. Wir schenken dir die Sicherheit und Unbeschwertheit, fröhlich in diese neue Phase zu gehen, mit uns im Rücken.

Mein großes kleines Mädchen. Mein Schulkind. Hab eine wundervolle Zeit in der Schule! Und ab und zu, dreh dich mal um und wink mir.

In Liebe, deine Mama

Last Updated on 25. Juli 2016 by Anna Luz de León

14 Kommentare

  1. Oh Anna, ich sitze hier und denke, man ist das toll geschrieben! Ja, genauso fühlt sich das an, diese großen Momente im Familienleben. Danke, dass du diesen Beitrag mit uns geteilt hast. Drück dich, Jule

  2. Schön geschrieben! Meine Tochter wurde letztes Jahr eingeschult (und ist jetzt bereits in der Pubertät) und ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich damals gelernt habe, dass das große Feiern der Einschulung offensichtlich etwas sehr deutsches ist. Mein irischer Mann kannte das überhaupt nicht und auch unsere englischen und amerikanischen Freunde, die hier leben, mussten sich erst darauf einstellen. Eine irische Mutter, die meine Freundin ist und die in Berlin lebt, hat einen Tag vor der Einschulungsfeier ihrer Tochter die Schultüte besorgt und mich in Panik gefragt, was da denn jetzt reinkommt. Und mein Mann fragte bis zur letzten Sekunde und auch noch während der Feierlichkeiten, was denn jetzt genau passiere und wieso eigentlich. Er fand es im Nachhinein großartig, dass wir aus dem Schuleintritt etwas so Feierliches machen, aber er hat es nicht wirklich verstanden. Ich habe mich als Atheistenkind wohl ähnlich bei der Taufe meiner Tochter gefühlt, obwohl ich natürlich schon einmal davon gehört habe.
    Für meinen Mann war das Feiern des Schuleintritts als Ganzes vollkommen ungewöhnlich. Und er sagte, man merke daran, was für einen hohen Stellenwert das Akademische in unserem Land hat.

  3. Hallo Anna, ich lese sonst hin und wieder still mit, aber nach diesem Text muss ich kommentieren:
    Nächstes Jahr ist es bei uns soweit. Und ich weine. So wundervolle Worte für deine Tochter! Danke!
    Bianka Th.

  4. Liebe Berlinmittemom, ich hab deinen Blog vor einer Zeit kürzlich entdeckt und mich bei jedem Beitrag ein bisschen mehr in deine Worte und deine wunderbare Familie verliebt. Und jetz dies -hach!!!! Ich wünschte, ich könnte so wunderbare Worte finden für meinen Goldschatz, der NOCH wirklich auf mich angewiesen ist, aber bestimmt auch viiiiiel zu schnell groß sein wird.

  5. Mal wieder ein sehr schöner, emotionaler Text, der mich berührt und mich jetzt mit Tränen vorm PC sitzen lässt….Denn genauso gehts mir gerade, und das Loslassen fällt ganz schön schwer, auch wenn ich stolz wie bolle bin auf mein großes, kleines Mädchen! Danke, liebe Anna!!

  6. Ehrlich gesagt, wirkt das alles unglaublich aufwendig und übertrieben. Etwas einfacher tut es auch. Zum Glück ist das nicht überall so.

    • Hallo Alexandra, schade das der (glaub ich wichtigste Tag deiner Tochter) Dir nicht so wichtig ist. Ich weiß ja nicht wie deine Einschulung war, aber deine Eltern haben wohl was falsch gemacht oder es ist dir egal wie dein Kind sich fühlt.
      Das finde ich sehr traurig und ich hoffe das Die trotzdem einen schönen Tag und andere Verwandte hat, die sich für dieses riesen Ereignis deines Kindes, mehr interessieren als die eigene Mutter. Traurig und sehr schade. Da tust du deiner Tochter kein gefallen mit, das dir dieser Tag anscheind am Hintern vorbei geht.

  7. Wundervoll geschrieben…..ich hab auch ein kleines großes Mädchen, dass jetzt in die erste Klasse geht und mir gehen sehr ähnliche Gedanken durch den Kopf. Ich bin so dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten diesen Tag ganz besonders zu feiern.
    Danke dir, auch deine anderen Einträge sprechen mir oft aus dem Herzen,
    liebe Grüße aus dem Süden der Republik

  8. Ich bin eine stille  Leserin, aber dieser Beitrag hat mich zu Tränen gerührt! Ich bin selbst Grundschullehrerin und unterrichte in der flexiblen Schuleingangsphase. Bekomme also jedes Jahr neue Erstklässler in meine Klasse dazu. Und je näher der Tag rückt, in dem mein eigener Sohn ein Schulkind werden wird, desto emotionaler ist dieser Tag für mich, auch wenn es noch nicht meine eigenen Kinder sind. Du hast das so schön  geschrieben! Deine Tochter wird sich später darüber  sehr freuen! Danke, dass wir in dein Herz schauen durften! 

  9. Hab Pioi in den Augen und einen Kloß im Hals, denn in 2 Jahren wird auch unser Kleinster eingeschult….!Ich fühle mit Dir!

  10. Fühle grade so mit dir.Am 25 diesen Monat ist es bei uns mit meiner kleinsten so weit.Du beschreibst es soooo gut <3333

    • Oh, das ist so ein besonderer Moment! Ich wünsch euch allen einen tollen Tag und einen wunderschönen Schulstart für deine Kleinste! 

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