Samstag, 40°, auf der Autobahn zwischen Montrichard-Val-de-Cher und Biarritz. Und mit uns zusammen gefühlt halb Frankreich. Denn am Samstag war Ferienbeginn in den letzten Regionen in Frankreich, die nicht schon ohnehin Ferien hatten, entsprechend war die Autobahn Richtung Bordeaux (wie alle anderen Autboahnen Richtung Süden auch) knackvoll. Die Strecke von 582km, signifikant länger, als das Streckenlimit von max. 400km, das wir uns eigentlich gesetzt hatten, wurde uns entsprechend lang. Staus, Hitze, überfüllte Rastplätze – wenigstens waren überall genügend Ladeplätze frei, so dass wir keine zusätzlichen Wartezeiten hatten. Wir sind dann am Spätnachmittag in Biarritz angekommen, konnten noch einkaufen und dann vor lauter Hitze einfach umfallen und nichts mehr tun.

Rauchgestank und der heiße Graunebel

Als wir an der Abfahrt Richtung Bassin d’Arcachon vorbeifuhre, verdunkelten heiße Wolken den Himmel und alles stank nach Rauch. Was aussah, wie Regenwolken, waren tatsächlich die Rauchwolken der beiden Feuer, die seit dem 12. Juli in La Teste-de-Buch und Landiras wüten. Und während man mit einem grauen Himmel üblicherweise Abkühlung verbindet, waren es nach wie vor knapp 40° draußen.

Es war gruselig, dort durch diesen grauen Nebel von Rauch und feinsten Partikeln zu fahren, die Feuer zu riechen und zu wissen, dass dort gerade über 20.000 Hektar Wald verbrannt und die Feuer nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. 35.000 Menschen wurden evakuiert, die Dune du Pilat wurde bereits vor Tagen gesperrt (und doch mussten immer wieder Schaulustige “gerettet” werden und haben so Ressourcen der Rettungskräfte gebunden, weil sie trotz aller Ansagen mit ihren Fotoapparaten und Handys auf die Dune gekraxelt sind, um die Brände zu fotografieren) und diverse Campingplätze, zum Teil seit 40 Jahren an ihren Standorten, sind vom Feuer vernichtet worden.

Waldbrände in La-Teste-de-Buch | berlinmittemom.com

Name it: That’s what Klimawandel looks like

An dieser Stelle noch mal deutlich, weil mir diese Klarheit und Eindeutigkeit in so vielen Berichten über diese Art Ereignisse (Brände, Hitzewellen, Flutwellen, Dürre…) fehlt (schon lange, auch letzten Juli bei der Flutkatastrophe an der Ahr und immer noch): das sind die Auswirkungen der Klimaerwärmung, wie sie von Wissenschaftlern schon seit über dreißig Jahren befürchtet und vorhergesagt wurden und die wir als Gesellschaft (und politische Verantwortliche) geflissentlich ignoriert haben. Noch immer lese ich überall von persönlicher Freiheit, die noch immer über die kollektive Pflicht zu handeln gestellt wird, und es macht mich wahnsinnig. Dass wir auf einmal darüber sprechen, wie wir Energie einsparen können, jetzt, weil es die konkrete Notwendigkeit gibt, weil wir befürchten müssen, dass wir ohne russisches Gas im Winter auf Engpässe zulaufen. Auf einmal geht es. Aber wenn es ums Klima geht, dann ist offenbar unsere ganze Generation und die Generation vor uns in einem gigantischen Abwehrreflex gefangen.

Dann wird sich öffentlich über die Fridays For Future-Bewegung lustig gemacht, erwachsene Menschen sind sich nicht zu doof, Greta Thunberg persönlich anzugreifen und zu verunglimpfen, es wird teilweise gewaltsam gegen die zivilen und friedlichen Protestaktionen der Bewegung “Letzte Generation” vorgegangen, die der puren Verzweiflung entspringen, und das wird bejubelt. Wenn es ums Klima geht, wenn es um die reale Bedrohung der menschlichen Existenz durch menschengemachten Klimawandel geht – können wir uns nicht bewegen. Unsere Ausreden (meine Lieblingsausrede: “Nützt ja alles nichts, wenn China nicht mitzieht! Dann können wir das auch lassen…”) sind unerschöpflich, unser Wille, unsere persönliche, individuelle Freiheit nicht einzuschränken ist unerschöpflich. Aber der Wille, etwas zu ändern, existiert als kollektiver Wille offenbar nicht.

Und in Artikeln über aktuelle Wettersituationen wird das Wort “Klimawandel” gefühlt bewusst nicht erwähnt. Dabei ist das hier, diese Hitzewelle, die Brände, die Dürre – der kühlste Sommer, den wir noch erleben werden. Deshalb heute hier. Kein Urlaubscontent heute. Sondern meine (als alleinige Geste nutzlose) Bestürzung darüber, dass wir immer noch die Augen davor verschließen, was mit diesem Planeten passiert. Dem einzigen, den wir haben.

Und bevor mir jetzt wieder einige Spitzfindige kommen mit “Aber was tust DU denn persönlich usw…” Abgesehen davon, dass wir seit sechs Jahren keinen Verbrenner mehr fahren, lange schon komplett auf grünen Strom umgestellt haben, in Prerow über eine PV-Anlage das halbe Jahr über unabhängig vom Stromnetz sind, dort über Erdwärme heizen, die Hälfte von uns seit Jahren kein Fleisch mehr isst und die andere Hälfte nur noch einmal die Woche regional produziertes Biofleisch und wir jede Reise CO2technisch kompensieren usw. – es geht nicht um einen von uns persönlich.

Es ist unsere Generation und die davor, die unseren Kindern und potentiellen Enkeln die Erde versaut (und noch so ein paar andere Themen, aber um die geht es hier heute nicht). Und wenn wir nicht langsam mal in die Spur kommen und dieser Tatsache ins Auge sehen, müssen wir uns demnächst (bald!) von ihnen fragen lassen, warum wir nichts unternommen haben. Wo wir waren, als das alles passiert ist. Und dann werden wir sagen müssen: im Businessflieger nach Tokio oder beim Grillen von 6kg Fleisch bei Rüdiger im Garten oder beim Feuerwerk oder beim Gartenversiegeln mit Beton fürs samstägliche Autowaschen… Wir müssen damit aufhören. Wir alle.

 

P.S.:

1 Comment

  1. Danke für diesen ehrlichen Bericht. Ich finde übrigens, es geht nicht nur um uns alle, sondern um jeden einzelnen von uns, um jeden persönlich. Man sollte sich nicht zu sehr hinter dem “Wir” verstecken. (und nein, damit will ich Dich auf keinen Fall persönlich angreifen, und hoffe sehr, dass das so nicht rüberkommt). Aber dass “wir ” als Generation das so lange nicht gesehen haben, macht mich als Menschen in Deinem Alter, der noch nie ein Auto hatte, seit Jahrzehnten kein Fleisch isst, den privaten Konsum von wirklich allem auf ein absolutes Minimum reduziert seit Teenagertagen, so gut wie jede Strecke per Rad oder Bahn zurücklegt und und und – und all das seit Jahrzehnten, manchmal echt sauer. “Wir” haben nicht die Augen verschlossen, “wir” haben es nicht verkackt. Ich habe mich über Jahre belächeln, verspotten, lächerlich machen lassen für all das. Dass ich keine neuen Klamotten kaufe. Dass ich selbst lange Strecken so gut wie nie fliege. Dass ich mich in unbequeme Züge setze statt Auto zu fahren… Es sind keine neuen Erkenntnisse der jetzigen jungen Generation. All das ist seit Jahrzehnten bekannt.

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