Es gab Zeiten, da fingen meine Tage frühmorgens damit an, dass drei kleine Menschen sich in meinem Bett um mich versammelten. Ein Menschlein wurde mir zum Stillen vom Vater der Kinder gereicht, zusammen mit einem ersten Latte und einem großen Glas Wasser für mich. Ein unwesentlich größeres Menschenkind lag daneben und trank eine Milchflasche, das dritte hatte sich mit einem warmen Kakao im Becher dazugelegt. Das war der Start in den Tag und vor allem am Wochenende bummelten wir auf diese Weise in den Tag.

Familienfrühstück mit großen Kindern | berlinmittemom.comErst die Kuschelzeit mit erster Milchmahlzeit, dann spazierte der Mann mit einem oder zwei Kindern im Schlepptau zum Bäcker und dann folgte das ausführliche Familienfrühstück. So oder so ähnlich fingen jahrelang unsere Wochenenden an. Die Milchpullen wurden irgendwann durch Kakao- oder Teebecher ersetzt, wir begannen dafür, morgens im Bett gemeinsam zu lesen. Und dann kam der Tag, wo die Kinder am Wochenende endgültig länger schliefen als wir und niemand mehr zum Morgenkuscheln zu uns ins Bett kroch. Nur das gemeinsame Frühstück blieb gesetzt. Das war etwas, auf das der Mann und ich sehr viel Wert legten und woran wir festhielten. Bis vor ganz kurzem.

Die Dinge ändern sich

Denn mit dem Älterwerden der Kinder ändern sich ja nicht nur die Bedürfnisse wie beispielsweise der Schlafbedarf bzw. -rhythmus. Es ändern sich auch Gewohnheiten und Vorlieben. Auf einmal stellt sich heraus, dass bestimmte Rituale sich überholt haben. So wie erst die Milchpulle, dann der Morgenkakao, dann das gemeinsame Lesen sich überholt hatten, so hat sich auch die Idee vom gemeinsamen Familienfrühstück am Wochenende mehr und mehr in Luft aufgelöst.

Während der Mann und ich das nach wie vor unbedingt wollten und da auch ehrlicherweise Druck auf die Kinder machten, um das als festen Termin mit der ganzen Familie durchzusetzen, hat sich hier ein Kind nach dem anderen aus diesem Ritual verabschiedet. Sich gesträubt und diskutiert. Sich nur widerwillig mit an den Tisch gesetzt. Die Teilnahme an der Mahlzeit verweigert. Oder irgendwann ganz klar gesagt: ich sitze hier nur euch zuliebe, ich würde lieber was anderes machen.

Familienfrühstück mit Teenagern | berlinmittemom.comWie sich das Leben mit Teenagern ändert | berlinmittemom.com

Wiederkehrende Konflikte

Das war der Punkt, an dem das gemeinsame Frühstück am Wochenende bereits zum absoluten immer wiederkehrenden Konfliktmoment der Woche geworden zwischen uns und den Kindern geworden war. Und es schien kein Entkommen zu geben, denn Woche für Woche wiederholten sich die Abläufe. Mit immer demselben Ergebnis: am Schluss waren wir alle genervt, hatten gestritten und einen doofen Start in den Tag gehabt.

Es ging schon damit los, dass der Mann und ich immer wieder versuchten, die Kinder zu wecken und zum Mitmachen bei den Frühstücksvorbereitungen zu bewegen. Dann kam der Frust darüber, dass die Drei, die kein gesteigertes Interesse an dieser gemeinsamen Aktivität (mehr) hatten, sich natürlich auch nicht gerade enthusiastisch an dessen Vorbereitung beteiligen wollten. Oder auch gar nicht.

Und dann kam die Enttäuschung auf Elternseite. Darüber, dass wir uns Mühe gaben, an einer schönen Familientradition festzuhalten und das so gar nicht gewürdigt wurde. Darüber, dass wir jede Woche zu zweit hier den Tisch deckten, Rühreier machten, Brötchen holten, Obstteller zurechtmachten und dann mit unserer Erwartungshaltung ins Leere liefen. Die Kinder beteiligten sich nicht, sie verweigerten. Sie freuten sich auch nicht über das leckere Frühstück oder den schön gedeckten Tisch. Sie maulten, erschienen nicht oder unter Protest, sie stritten sich quasi sofort. Und sie verweigerten dann erneut, sobald es ans Aufräumen ging.

Die Lösung: die eigene Erwartungshaltung aufgeben

Irgendwann war ich so unglücklich darüber und so frustriert und sauer, dass ich ebenfalls verweigerte. Ich sagte den Kids, dass es kein Frühstück mehr geben würde. Dass wir nur noch für uns selbst etwas vorbereiten würden, weil das ja alles von ihnen nicht gewünscht oder gewürdigt werde. Dass, wer frühstücken wollte, aufstehen und mitmachen müsse. Und wer das nicht täte, hätte eben kein Frühstück.

Was ich aus Frust formuliert hatte und seien wir ehrlich, dabei auch gehofft hatte, es würde den Kindern irgend etwas ausmachen, entpuppte sich schließlich als Erleichterung. Und zwar vor allem für eine Person: für mich selbst.

In dem Moment, wo ich meine eigene Erwartungshaltung auf diese Weise veränderte, war ich zugleich befreit von der wöchentlichen Frustration, sie immer wieder enttäuscht zu sehen. Letztlich hatte ich nur endlich wahrgenommen und umgesetzt, was die Kinder mir ständig sagten: sie möchten das nicht, sie sind nicht interessiert an zeitigerem Aufstehen zwecks gemeinsamer Frühstücksvorbereitung. Sie essen nur eine Kleinigkeit, manchmal auch nichts. Sie sitzen nicht gerne sonntags um halb zehn oder zehn unausgeschlafen am Frühstückstisch. Sie tun es nur, weil wir sie auf eine Art und Weise immer wieder dazu zwingen, nicht, weil sie es wollen.

Zurück zu dem, was ich möchte

Ich ließ das alles los. Ich kehrte zurück zu dem, was ich tatsächlich für mich selbst möchte – und nur für mich. Kaffee, mein Joghurt mit Nüssen und Obst, gerne Huevos a la Ranchera, vielleicht ein Stückchen Käse, alle paar Wochen mal ein Zipfel von einem Croissant. Dazu die Musik, die ich gerne höre. Keine Diskussionen darüber, keine Sonderwünsche anderer Menschen, wie geliebt auch immer sie sind. Und dann machte ich genau das.

Frühstück für Mama | berlinmittemom.com

Ich trank Tee oder Kaffee im Schlafanzug im Bett oder im Lieblingszimmer und las dabei Krimi. Oder schrieb Morgenseiten. Oder guckte aus dem Fenster, einfach so. Ich machte Rührei und einen Obstteller für mich. Oder ich ließ es sein. Die Kinder blieben im Bett oder standen auf und frühstückten oder ließen es sein. Manchmal trafen wir uns dabei und machten gemeinsam Rührei oder Hummus oder einen Smoothie, wenn wir Lust hatten. Oder wir ließen es sein.

Was daraus entstand, waren entspannte Samstag- und Sonntagmorgen. Kein Streit, keine enttäuschten Erwartungen, kein Widerstand. Manchmal machte ich viel Rührei und der Mann buk viele Brötchen auf. Dann legte ich den Deckel auf die Pfanne und stellte einen Stapel Teller und die Brötchenschüssel daneben, wie bei einem Büffet. Jedes Familienmitglied frühstückte dann, wenn es wollte und wir checkten in der Küche gemeinsam ein. Oder eben nicht. Manchmal blieb die Küche leer und niemand machte irgendwas.

Anpassung und Neufindung: wenn Rituale abgelöst werden – von etwas Neuem

Die Tradition des gemeinsamen Familienfrühstücks hatte sich verändert und das feste Ritual gab es so nicht mehr. Aber hat es sich deshalb aufgelöst?

Tatsächlich ist die Antwort: nein. Nach einer kleinen Übergangszeit, in der ich durchaus trotzig selbst jegliche Frühstückstradition boykottieren wollte (übrigens gegen den Widerstand des Mannes, der eigentlich trotz aller Reibereien an dem Ritual festhalten wollte und nur schwer davon ließ), fand sich alles neu.

Zuerst erfanden die Kinder und ich das Tablettfrühstück, eine wochenendliche Neuerfindung unseres Fußbodenpicknicks, das ich mit den Kindern seit ihrer Kleinkindzeit regelmäßig zelebriert habe. Damit wurde unser Familienfrühstück quasi mobil und gleichzeitig minimalisiert.

Tablettfrühstück mit großen Kindern | berlinmittemom.comTablettfrühstück mit großen Kindern | berlinmittemom.com

Wir reduzierten den Aufwand. Es gab vielleicht Eier, aber dann eben nicht auch noch einen Käseteller, Rohkost, Avo-Smash UND Obst. Stattdessen bereiteten wir zB fertige Brote mit Spiegelei in der Küche vor, schnitten ein bisschen Obst, füllten Saft und Kaffee in Gläser und Tassen und schleppten alles auf dem Tablett ins Lieblingszimmer, wo wir dann auf dem Fußboden frühstückten. Alle im Schlafi, eingehüllt in Kuscheldecken, jede*r mit Buch vorm Kopp.

Das reduzierte den Aufwand und auch ein bisschen den Stress, dass jetzt alles perfekt sein muss: der selbstverständlich schön gedeckte Sonntagsfrühstückstisch, das Miteinander, das Essen, die Laune, die Gespräche usw. Und es führte uns zurück zu dem, was uns wirklich etwas bedeutet: entspannt zusammen sein.

Familienfrühstück ja, aber ohne Stress

Und nach und nach kehrten wir zurück zu einer Art modifiziertem Familienfrühstück am Wochenende. Manchmal machen wir ein, manchmal nicht. Es ist kein fester Termin mehr, der Druck ist raus. Wenn die Kinder Übernachtungsbesuch haben (und den haben sie tatsächlich am Wochenende relativ oft), finden sie es oft schön, mit allem spät und ausgiebig zu frühstücken. Dann macht der Bub seine berühmte Bananenmilch oder der Besuchskumpel steht in der Küche und macht Avo-Smash. Und wenn das nicht passiert, ist es auch okay.

Familienfrühstück mit großen Kindern | berlinmittemom.com

Wir haben gelernt, dass die Bedürfnisse sich ändern, so wie sich die Familie verändert. Wir haben gelernt, dass das nichts Doofes ist und dass nichts Schlimmes passiert, wenn unsere Rituale sich auflösen. Oder neu formieren. Oder sich herausstellt, dass sie nicht mehr funktionieren.

Und wir durften lernen, dass dann manchmal ganz schöne neue Dinge zwischen und für uns entstehen. Dinge, die gut zu unserem Jetzt als Familie passen. Viel besser als die Dinge, die zu unserem Früher gehören, selbst wenn wir sie vermissen oder sogar manchmal traurig sind, dass ihre Zeit vorbei ist.

Wer weiß? Vielleicht kommen sie auch mal wieder? In einer neuen Form, die wir noch nicht kennen und auch nicht erwarten? Manchmal passieren dann die besten Sachen.

5 Kommentare

  1. Danke liebe Anna, das kommt genau im richtigen Moment! Hier werden gemeinsame Mahlzeiten im Alltag mit dem Kind (fast 18) auch ein selteneres Gut: aus organisatorischen Gründen, wegen “kein Hunger” oder auch, weil es den Wunsch gibt, nach einem vollgestopften Tag einfach mal allein am Tisch zu sitzen. Habe ich jetzt so akzeptiert, auch wenn es ein Gesetz zu geben scheint, dass man jeden Tag eine gemeinsame Mahlzeit haben muss.
    Die gibt es immer noch, aber im Moment finden bei uns die besten Gespräche im Auto bei den abendlichen Abholdiensten statt, auch mal im Cafe beim Lillet und immer noch manchmal auf der Bettkante. Und darum geht es ja, dass es die gibt, oder?

  2. Die gemeinsamen Frühstücke sind bei uns auch schon lange weggefallen.
    Das ist bisher kein Problem, da wir abends immer zusammen essen (außer das große Kind hat Uni).
    In den letzten Jahren saß ich auch mittags immer mit den Kindern am Tisch. Nur selten habe ich abends gekocht, da zumindest ein Kind hungrig aus der Schule kam.
    Aber dieses Kind macht jetzt eine Ausbildung zur Erzieherin und kommt mittags nicht mehr heim.
    Und einige Speisen schmecken frisch besser und so koche ich seit zwei Wochen abends und mittags essen die große Tochter und ich irgendwas getrennt.
    Ich muss gestehen, dass mir das noch schwer fällt.
    Aber es wird sich finden und gut werden. Nur ein bisschen anders :-)

  3. Forster Jeannette Antworten

    Danke, danke wir werden in +/- 10 Jahren dort sein… Und bei jedem deiner Beiträge werd ich Demütig und bin gespannt was da noch alles auf uns zu kommen wird.

  4. Ja, so ist das mit dem Wachsen in Familien. Alles hat seine Zeit. Mit erwachsenen Kindern gemeinsam Zeit und Mahlzeiten und gute Gespräche verbringen zu dürfen, ist ein Geschenk. Dass sie in ihrem eigenen Alltag ein Bedürfnis danach haben, zeigt mir, dass vieles richtig gelaufen ist. Dafür bin ich dankbar und froh. Und genieße meinen entspannten Alltag als Mutter.
    Liebe Grüße aus Berlin, hier regnet es gerade kräftig.

  5. Bin erst vor kurzem auf Instagram auf Dich gestoßen und jetzt erst auf Deinen Blog. Und lese diesen Beitrag und denke: Stimmt. Ich habe die Erwartungshaltung gemeinsames Frühstück oder gemeinsames Essen. Freut euch doch bitte, dass ich das alles für euch mache. Und bin sauer, wenn das nicht gewürdigt wird (weil es eben auch gar nicht mehr gebraucht und gewünscht wird).
    Da muss ich wohl mal an meiner Perspektive und meinen Erwartungshaltungen arbeiten, damit es auch mir besser geht. Danke für den Gedankenanstoß!!!

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